Bindungsenthalpie und Bildungsenthalpie unterschiedlich?
Hallo,
mir ist schon klar, dass die Bildungsenthalpie und die Bindungsenthalpie zwei unterschiedliche Sachen sind. Einmal geht es um die Energie, die zum "Umordnen der Bindungen" benötigt wird, einmal im die Bildung der Stoffe aus Elementen (?).
Aber müsste nicht trotzdem das Ergebnis, also die Reaktionsenthalpie gleich sein?
Beispiel: Verbrennung von Methan
CH4 + 2O2 --> CO2 + 2H2O
Bildungsenthalpie: (CO2 + 2* H2O) - (CH4 + 2* O2) = Reaktionsenthalpie
[(-394 kJ/mol)+2*(-286 kJ)]-[(-75 kJ/mol)+2*0] = -891 kJ/mol
Bindungsenthalpie: (4* C-H + 2* O=O)-(4* O-H + 2* C=O) = Reaktionsenthalpie
(4*414 kJ/mol + 2*498 kJ/mol)-(4*463 kJ/mol + 2*803 kJ/mol) = -806 kJ/mol
Vielen Dank für eure Hilfe!
Bei den Bildungsenthalpien handelt es sich um Werte aus dem Schulbuch, bzw. dem Tafelwerk, die Formel ist der Satz von Hess nach Reaktionsenthalpie umgestellt.
Bei den Bindungsenthalpien handelt es sich um die Bindungsenthalpien der einzelnen Bindungen, also die Energie, die Aufgebracht werden muss um eine Bindung zwischen Kohlenstoffatom und Wasserstoffatom aufzubrechen ist z.B. 414 kJ/mol. Die Werte stammen ebenfalls aus dem Chemiebuch und dem Tafelwerk.
Sagst Du mir bitte, was das für Zahlen sind und woher sie kommen?
Ich beantworte das in der Aufgabenstellung, weil ich hier nicht genug Zeichen habe
1 Antwort
CH₄ + 2 O₂ ⟶ CO₂ + 2 H₂O
Die Standardbildungsenthalpien der vier Substanzen sind −75 und 0 bzw. −394 und −286 kJ/mol. Also bekommen wir für die Reaktionsenthalpie −891 kJ/mol, genauso wie Du es gerechnet hast, und das ist das richtige Resultat: Beim Verbrennen von 1 mol CH₄ zu CO₂ und flüssigem Wasser bei 25 °C werden genau 891 kJ frei.
Diese Rechnung könnte man auch für eine andere Temperatur als 25 °C durchführen, dann braucht man halt andere Standardbildungsenthalpien. Man könnte auch gasförmiges Wasser als Verbrennungsprodukt ansetzen, dann muß man die Standardbildungsenthalpie von Wasserdampf (−242 kJ/mol) verwenden. All das ist legitim und beschreibt Energieumsätze, die man mit dem richtigen Versuchsaufbau auch real messen könnte.
Nun kommen wir zum zweiten Teil: Als Bindungsenergie für C–H, O=O, O–H und C=O hast Du 414, 498, 463 und 803 kJ/mol gefunden. Anders als die experimentell meßbaren Standardbildungsenthalpien sind diese Bindungsenergien jedoch Fummelzahlen, weil Bindungen in verschiedenen Molekülen ja nicht gleich stark sind (C–H-Bindungen im Ethan sind z.B. schwächer als im Ethen), und man daher mitteln muß. Damit verliert man also Genauigkeit, und bekommt dafür den Vorteil, daß man mit viel weniger Zahlen herumjonglieren muß, weil es viel mehr Bildungsenthalpien gibt (für jede Substanz eine) als Bindungsenthalpien (wo man nur Paare aus chemischen Elementen braucht).
Je nachdem, über welche Substanzen gemittelt wird, unterscheiden sich die Bindungsenthalpien daher. Her habe ich eine Tabelle, die Deinen Zahlen im großen und ganzen ähnelt, aber nicht wirklich übereinstimmt.
Daher sind die Resultate mit Bindungsenergien notwendigerweise ungenau. Wenn Du kurz nachdenkst, wirst Du feststellen, daß Strukturisomere (z.B. Butan und Isobutan) lt. Bindungsenergien dieselbe Verbrennungsenthalpe haben müßten, obwohl sie real natürlich verschiedene Werte liefern.
Allerddings erklärt das nicht die riesige Diskreprepanz zwischen den richtigen 891 und den per Bindungsenergien berechneten 806 kJ/mol. Der größte Tei davon geht auf die Rechnung des Wassers, den Deine Bindungsenergien können nicht den Unterschied zwischen gasförmig und flüssig erfassen (die Bindungen sind ja dieselben, die Energien aber nicht). Wasser hat eine abnorm hohe Verdampfungsenthalpie von 44 kJ/mol, das macht bei zwei Mol H₂O 88 kJ/mol und erklärt Deine Diskrepanz:
- Die von Dir verwendeten Bildungsenthalpien gelten für flüssiges Wasser, und Dein ΔH=−891 kJ/mol ist aher richtig, wenn die Reaktion zu flüssigem Wasser führt. Man könnte, wie oben angedeutet, natürlich auch Bildungsenthalpien für gasförmiges Wasser nehmen, die sich dann genau um die Verdampfungsenthalpie unterscheiden.
- Bindungsenthalpien enthalten keine Wechselwirkungen zwischen Molekülen, gelten also am ehesten für ein Gas (aber auch nur näherungsweise, s.o.). Daher sind Deine 806 kJ/mol die angenäherte Verbrennungsenthalpie von Methan zu CO₂ und Wasserdampf.
Wenn man mit Bindungsenthalpien hantiert, dann kann man erwarten, auf ein paar kJ/mol an den richtigen Wert heranzukommen. Wenn man weiter entfernt liegt, dann liegt meistens irgendeine ungewöhnliche Form von chemischer Bindung vor, also etwas was über die gewöhnliche Vorstellung „Bindungen gibt es paarweise zwischen zwei Atomen, und zwar dort, wo man in der Strukturformel einen Strich hinmalt“ hinausreicht. Damit kommt man z.B. delokalisierten Bindungen oder starken intramolekularen H-Brücken auf die Spur.
Mit dem neuen Wert komme ich dann ja auch auf -803 kJ/mol. Dann ist ja fast kein Abstand mehr zu dem anderen Wert!