Bindungsenthalpie und Bildungsenthalpie unterschiedlich?


25.01.2022, 02:10

Bei den Bildungsenthalpien handelt es sich um Werte aus dem Schulbuch, bzw. dem Tafelwerk, die Formel ist der Satz von Hess nach Reaktionsenthalpie umgestellt.

Bei den Bindungsenthalpien handelt es sich um die Bindungsenthalpien der einzelnen Bindungen, also die Energie, die Aufgebracht werden muss um eine Bindung zwischen Kohlenstoffatom und Wasserstoffatom aufzubrechen ist z.B. 414 kJ/mol. Die Werte stammen ebenfalls aus dem Chemiebuch und dem Tafelwerk.

indiachinacook  25.01.2022, 02:04

Sagst Du mir bitte, was das für Zahlen sind und woher sie kommen?

Jupiteranerde 
Fragesteller
 25.01.2022, 02:08

Ich beantworte das in der Aufgabenstellung, weil ich hier nicht genug Zeichen habe

1 Antwort

Von Experte Miraculix84 bestätigt

CH₄ + 2 O₂ ⟶ CO₂ + 2 H₂O

Die Standardbildungsenthalpien der vier Substanzen sind −75 und 0 bzw. −394 und −286 kJ/mol. Also bekommen wir für die Reaktionsenthalpie −891 kJ/mol, genauso wie Du es gerechnet hast, und das ist das richtige Resultat: Beim Verbrennen von 1 mol CH₄ zu CO₂ und flüssigem Wasser bei 25 °C werden genau 891 kJ frei.

Diese Rechnung könnte man auch für eine andere Temperatur als 25 °C durchfüh­ren, dann braucht man halt andere Standardbildungsenthalpien. Man könnte auch gas­förmiges Wasser als Verbrennungsprodukt ansetzen, dann muß man die Stan­dard­bildungs­enthalpie von Wasserdampf (−242 kJ/mol) verwenden. All das ist legi­tim und beschreibt Energieumsätze, die man mit dem richtigen Versuchsaufbau auch real messen könnte.

Nun kommen wir zum zweiten Teil: Als Bindungsenergie für C–H, O=O, O–H und C=O hast Du 414, 498, 463 und 803 kJ/mol gefunden. Anders als die experimentell meß­baren Standardbildungsenthalpien sind diese Bindungsenergien jedoch Fum­­mel­zahlen, weil Bindungen in verschiedenen Molekülen ja nicht gleich stark sind (C–H-Bin­dungen im Ethan sind z.B. schwächer als im Ethen), und man daher mitteln muß. Damit verliert man also Genauigkeit, und bekommt dafür den Vorteil, daß man mit viel weniger Zahlen herumjonglieren muß, weil es viel mehr Bildungsenthalpien gibt (für jede Substanz eine) als Bindungsenthalpien (wo man nur Paare aus che­mi­schen Elementen braucht).

Je nachdem, über welche Substanzen gemittelt wird, unterscheiden sich die Bin­dungs­enthalpien daher. Her habe ich eine Tabelle, die Deinen Zahlen im großen und ganzen ähnelt, aber nicht wirklich übereinstimmt.

Daher sind die Resultate mit Bindungsenergien notwendigerweise ungenau. Wenn Du kurz nachdenkst, wirst Du feststellen, daß Strukturisomere (z.B. Butan und Iso­butan) lt. Bindungsenergien dieselbe Verbrennungsenthalpe haben müßten, obwohl sie real natürlich verschiedene Werte liefern.

Allerddings erklärt das nicht die riesige Diskreprepanz zwischen den richtigen 891 und den per Bindungsenergien berechneten 806 kJ/mol. Der größte Tei davon geht auf die Rechnung des Wassers, den Deine Bindungsenergien können nicht den Unter­schied zwischen gasförmig und flüssig erfassen (die Bindungen sind ja die­sel­ben, die En­ergien aber nicht). Wasser hat eine abnorm hohe Verdampfungs­enthal­pie von 44 kJ/mol, das macht bei zwei Mol H₂O 88 kJ/mol und erklärt Deine Diskrepanz:

  • Die von Dir verwendeten Bildungsenthalpien gelten für flüssiges Wasser, und Dein ΔH=−891 kJ/mol ist aher richtig, wenn die Reaktion zu flüssigem Wasser führt. Man könn­te, wie oben angedeutet, natürlich auch Bildungsenthalpien für gas­för­mi­ges Wasser nehmen, die sich dann genau um die Verdampfungsenthal­pie unter­­scheiden.
  • Bindungsenthalpien enthalten keine Wechselwirkungen zwischen Molekülen, gelten also am ehesten für ein Gas (aber auch nur näherungsweise, s.o.). Daher sind Deine 806 kJ/mol die angenäherte Verbrennungsenthalpie von Methan zu CO₂ und Wasserdampf.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
Jupiteranerde 
Fragesteller
 25.01.2022, 04:11

Vielen Dank! Das klingt extrem logisch!

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Jupiteranerde 
Fragesteller
 25.01.2022, 04:16

Mit dem neuen Wert komme ich dann ja auch auf -803 kJ/mol. Dann ist ja fast kein Abstand mehr zu dem anderen Wert!

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indiachinacook  25.01.2022, 05:25
@Jupiteranerde

Wenn man mit Bindungsenthalpien hantiert, dann kann man erwarten, auf ein paar kJ/mol an den richtigen Wert heranzukommen. Wenn man weiter entfernt liegt, dann liegt meistens irgendeine ungewöhnliche Form von chemischer Bindung vor, also etwas was über die gewöhnliche Vorstellung „Bindungen gibt es paarweise zwischen zwei Atomen, und zwar dort, wo man in der Strukturformel einen Strich hinmalt“ hinausreicht. Damit kommt man z.B. delokalisierten Bindungen oder starken intramolekularen H-Brücken auf die Spur.

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