Berufschancen: Astrophysik studieren?

2 Antworten

MrsGinger,

im Allgemeinen studiert man Astrophysik als Wahlpflichtfach des Masterstudienganges Physik. Man macht also den Bachelor of Science in allgemeiner Physik und wählt im Masterstudiengang das Wahlpflichtfach Astronomie und schreibt darin die Masterarbeit.

Im Endeffekt bist Du danach nicht Astronom, sondern Physiker mit Schwerpunkt Astronomie, was Dich auf dem Arbeitsmarkt deutlich flexibler macht.

Realistisch sind die Berufsaussichten als Astronom eher mau. Zumindest solltest Du Dir klar machen, dass das bedeutet, unbedingt an der Uni zu bleiben und in den Forschungsbetrieb zu gehen. Als erstes also weiter studieren zum Dr. rer. nat. Mindestens.

Und damit auch rund 9 bis 10 Jahre, bis Du als Wissenschaftler und Dr. rer. nat. am Ziel bist. Auch dann ist Dein Job aber nicht sicher an der Uni: Dort werden Forschungsprojekte gefördert - nicht die Mitarbeiter.

Das läuft dann so, dass man eine Zeitstelle hat und regelmäßig Anträge auf Verlängerung des Projekts stellt. Der bürokratische Aufwand kostet Zeit und Nerven, denn jederzeit kann die Förderung gestrichen werden. Dann heißt es entweder eine finanzielle Durststrecke zu überstehen oder sich in eine andere Forschungsgruppe und ein anderes Projekt zu bewerben.

Unterhalb der Professorenstellen gibt es an der Uni praktisch keine unbegrenzte Festanstellung.

Spezielle Stellen für Astrophysiker gibt es außerhalb der Uni recht wenige. (ESA, EADS,... haben einige wenige)

Hier musst Du Dich fragen, wie flexibel Du wärst. Denn als Physiker hat man wiederum recht gute Chancen, irgendwo unterzukommen. Besonders, wenn man gut programmieren kann. Ich kenne Physiker, die arbeiten als Programmierer, ich kenne welche, die arbeiten in der Technologieentwicklung bei Automobilherstellern (nein, nicht VW,...) und ich selbst war im Softwaretest bei Siemens. Das sind alles interessante Jobs - aber halt vielleicht nicht Dein Traumjob, wenn Du es ausschließlich auf Astrophysik abgesehen hattest.

Allerdings sind die Jobs an der Uni deutlich schlechter bezahlt.

Gerade dass Du schreibst, dass Du ganz gut darin bist, Dir Sachverhalte selbst zu erarbeiten, ist ein Punkt, der dafür sprechen kann, es zu versuchen. Denn an der Uni ist genau das der Standard. Die Vorlesungen bilden den Rahmen, die Übungen vertiefen. Anders als in der Schule gehen die Übungen weit über den Stoff der Vorlesung hinaus, bzw. Du siehst in den Übungen erstmals Anwendungen oder Schlussfolgerungen aus den Formeln der Vorlesung.

Du musst Dir also klar machen, dass Du Dir Herleitungen und Anwendungen des Stoffes oft erarbeiten musst. Oft sitzt man da und weiß nicht, wie es geht. Man probiert - und das auch mal länger. Das ist frustrierend, wenn man es auf der Schule anders gewohnt war. Man hat leicht den Eindruck,nicht gut genug zu sein - was nicht unbedingt stimmt: alle kämpfen. Weil es im Forschungsbetrieb nun einmal oft monatelang oder jahrelang auszuhalten ist, dass man nicht weiß, wie es geht, wird man mit dieser Situation immer wieder im Studium konfrontiert.

Das ist eine andere Form von Stress als wenn man einfach "nur" auswendig lernen muss. Und nur Du kannst von Dir wissen, wie Du mit so einer Situation umgehen könntest.

Ansonsten: Analytisches Denken, Abstraktionsvermögen, Transferdenken, eine rationale Form der Kreativität, gepaart mit der Bereitschaft stets zu hinterfragen und auszuprobieren. Neugierde. Teamfähigkeit. Konzentrationsfähigkeit und ausdauerndes sorgfältiges Arbeiten. Das sind so die Eigenschaften, die man mitbringen sollte. Trockener Humor schadet nicht.

Deine Stärken sollten vor allem in Mathematik liegen. Mit Physik Pause gemacht zu haben ist nicht ideal - das weißt Du selber. Ich selber hab' damals vor 20 Jahren Physik studiert und das, ohne den Physikleistungskurs gemacht zu haben. Ich hatte zwar Physik bis zum Abi, aber nur als Nebenfach. Das hat für mich während der ersten Einführungsvorlesung in Experimentalphysik bedeutet, dass für mich viel neu wahr, was die Leistungskursler schon kannten. Es ging aber ganz gut mit etwas vermehrtem Lernaufwand. Die zweisemestrige Einführungsvorlesung bringt alle auf den gleichen Stand, der über Abi-Niveau liegt. Auch die anderen mussten also mitlernen. Alle, mit denen ich je drüber gesprochen habe, haben immer gesagt: Matheleistungskurs erschien ihnen wichtiger als der Physikkurs.

Wenn Du allerdings praktisch den ganzen Oberstufenlehrinhalt nicht hast, wirst Du hier sehr viel nachholen müssen. Das sollte klar sein. Vielleicht solltest Du auf leifi etwas nacharbeiten. Sollte Dir Mathe auch fehlen (zusätzlich), würde ich sagen, dass es schon sehr schwer wird. (Aber man soll nie nie sagen...)

Pharmazie ist sicher ganz anders. Die Entscheidung kann Dir aber keiner abnehmen, weil Dich keiner besser kennt als Du selber.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU
MrsGinger 
Fragesteller
 19.10.2015, 10:21

Wow ganz herzlichen Dank für deine detaillierte Antwort! Mathe habe ich sogar als Leistungskurs und bin auch sehr gut darin!

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Also, allgemein würde ich sagen man hat gute chancen. Als Physiker allgemein, die werden immer gebraucht. Man sollte sich aber halt nicht jetzt so Chancen bei der NASA ausbauen, es kann natürlich passieren, aber das muss man halt erst einmal erreichen. Schreib doch mal eine UNI an die das anbietet, die wird dir da sicher weiterhelfen.