Beispiel für eine Krypto-normative Aussage?

2 Antworten

N´Abend.

Normative Aussagen beinhalten i. d. R. Werturteile, bzw. bauen auf diesen auf, um auf deren Grundlage einen Sachverhalt zu formulieren, der entweder nach (begriffs-) logischen oder empirischen Verfahren (deduktiv/induktiv) Gültigkeit beanspruchen kann und so zu Aussagen führt, die Normcharakter aufgrund ihrer Plausibilität oder ihrer Evaluierbarkeit besitzen.

Insbesondere bei den empirischen (induktiven) Formen der Sachverhaltsfeststellung gibt es dabei allerdings ein Problem, dass insbesondere in Verbindung mit sog. >utilitaristischen< Normsystemen zu Scheinplausibilitäten respektive versteckten, aus der ursprünglichen Normbegründung herausfallenden Regeldefinitionen führt, die, zur Stützung der Gesamttheorie zwar implizit (verdeckt oder eben kryptisch) mitgedacht werden müssen ohne dabei expliziter Teil der Gesamttheorie zu sein. Sie bilden also normative Sachverhalte außerhalb der Gesamttheorie in dem sie deren (Denk-) Lücken auf nicht-explizite Weise, also "kryptisch" füllen. Man kann diese "Krypto-Elemente" einer unvollständigen Theorie mit einem "Trojanischen Pferd" vergleichen, welches die Theorielücke nutzt, um dann als implizite Norm ein Eigenleben zu führen.

OK - Beispiel 1: "Du sollst nicht töten."

Dieser Satz ergibt sich ganz simpel aus der Tatsache, dass es logisch nicht möglich ist, den Wert des eigenen Lebens höher zu bewerten als den eines anderen. Es ist also logisch nicht möglich, eine >Wertvorzugsordnung< mit normativer weil logischer Gültigkeit zu formulieren - weder zwischen Individuen noch zwischen Staaten oder zwischen Individuum und Staat.

Das ist nichts anderes als der Kern des >Kategorischen Imperativs< von Kant und damit die Grundlage der Gültigkeit der Menschenrechte als handlungsleitende Rechtsnorm. - Entscheidend ist hier, dass es sich um eine unkonditionierte, also nicht durch die Formulierung von Gültigkeitsbedingungen "gebeugte", also rein begriffslogisch gewonnene Form einer Aussage handelt. Deshalb nennt man das auch für den Bereich der Ethik >Prinzipienethik<. Sie formuliert also ein Prinzip und nicht die Ableitung aus einem Zustand oder aus einer Sammlung empirisch-situativer Einzelsachverhalte.

Nun Beispiel 2: "Ziel allen staatlichen Handelns muß es sein, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl seiner Menschen zu erreichen." - Klingt erstmal gut.

Problem: wer definiert "Glück" / wer definiert "größtmögliche Zahl" / wer definiert wer dazu gehört und wer nicht. Wer definiert also innerhalb dieser Theorie mit impliziten "Norminterpretationen", also kryptisch-normativen Wertdefinitionen den, unschwer zu erkennenden, Präzisierungsbedarf?

Und nun, zur Verdeutlichung, meine Antwort als Gegenfrage:

Was glaubst du, welcher dieser Ansätze am ehesten geeignet wäre z. B. das Lebensrecht von Behinderten als plausible, und damit für jedermann in nicht relativierbarer Form einforderbare Rechtsnorm staatlichen Handelns darzustellen.

Man könnte hier auch die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Gleichheit beim Zugang zu Bildung oder medizinischer Behandlung, den Unantastbarkeitsbegriff der Menschenwürde im Grundgesetz unabhängig von persönlichen Voraussetzungen usw. usw. anführen.

Welcher dieser beiden Ansätze würde dir aus deiner Sicht also deinen Anspruch auf Achtung der Menschenwürde ohne ein relativierendes Wenn oder Aber begründen?

Und welche "kryptischen "Wenn-Und-Aber-Konditionierungen" von Rechtsnormen

fallen dir für unsere heutige Gesellschaft bereits ein? ;-)

Gruß

Ich hoffe, dass du die ausführliche Antwort von ,,Grautvornix" verstanden hast. Wenn nicht, dann die folgende Ergänzung:

Krypto komt aus dem Griechischen Wort für ,,verbergen".

Normativ aus dem lateinischen ,,Norma" für Richtschnur oder Winkelmass.

Eine krypto-nomative Aussage ist eine Aussage, welche eine Tatsache ,,vorgaukelt“, obwohl im Verborgenen eine Norm, das heißt eine Handlungsvorschrift, oder etwas weiter aufgefasst, ein wunschbare Zustand dargestellt wird. Ich gebe zu, dass diese Beschreibung nicht streng-wissenschaftlich ist; dafür hoffentlich etwas besser verständlich.
Ein Beispiel habe ich in einer Abhandlung über ökonomische Theorien gefunden:

Die Behauptung, im Marktgleichgewicht werde »Effizienz« erreicht, ist ebenso (krypto)normativ wie die damit gekoppelte Behauptung, dieser Zustand sei »optimal«.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Grautvornix16  26.10.2018, 17:13

Geht doch nix über ein gutes Team. Für einen "Erklärer" alleine ist die Welt zu groß / zu komplex. Die Sendung mit der Maus hatte auch 2 Redakteure :-))

0