autisten in der klasse! hilfe?

12 Antworten

Hallo miggilein!

Ich möchte mich nicht zu dem Thema Autismus an sich äußern, sondern Dir raten, dieses Thema im Unterricht anzuschneiden. Ihr solltet Eure Lehrer darauf ansprechen, dass ihr mehr Informationen wünscht. Organisiert einen Dozenten, der zum Thema referiert. Erkundigt Euch auch bei seiner Familie oder den Betreueern.

Es ist wirklich sehr gut, dass Du und Deine Mitschüler Euch um Integration bemüht. Aber wie das am Besten gelingt, solltet ihr wirklich unter fachkundiger Anleitung erfahren. Bis dahin verhaltet Euch ihm gegenüber ganz normal. Bietet Euch an, aber drängt Euch nicht auf. Wenn er geht, will er seine Ruhe haben. Lasst ihn dann auch in Ruhe. Versucht es mal mit Briefe schreiben. Manchmal gelingt die Kommunikation dann besser. Aber es kommt immer auf den indivieduellen Fall an. Jeder Mensch ist anders. Jeder Autist kann etwas anders sein.

Alles Gute!

Ich denke mal, wenn er mehr Aufmerksamkeit von euch möchte, wird er sich etwas mehr integrieren. Vielleicht ist ihm das zu viel und er zieht sich zurück. Ihr macht das schon richtig.

Nebenbei finde ich es super, dass du dir Gedanken darüber machst! :)

Hallo!

Ich finde es auch erstaunlich, dass der Autist keine Begleitung dabei hat. Zumindest in der Anfangszeit muss jemand "übersetzen" was der Autist, bzw. der Lehrer oder die Schüler sagen.

Autismus ist eine Kommunikationsstörung. Für den Autisten ist es schwer euch in den Gesprächen zu Folgen. Schnell wechselnde Themen (Diskussionen) überfordern ihn. Das hat aber nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun! Autisten kommunizieren eben anders.

Die Neigung von Autisten in Monologen zu sprechen kommt daher, dass für einen Autisten ein Thema erst dann erledigt ist, wenn alles dazu gesagt wurde was er weiß. Das kann sehr anstrengend sein! Was das sortieren betrifft, einfach ignorieren! Autisten haben eine eigene Vorstellung von Ordnung. Und diese muss immer vorhanden sein. Sonst fühlen sie sich nicht wohl. Auch auf Geräusche reagieren Autisten anders als wir. Was Du oder ich mit einem Achselzucken ignorieren würden bringt einen Autisten möglicherweise völlig aus dem Konzept. Bis hin zur Hilflosigkeit oder Aggression.

Das größte Problem ist aber die Sprache: Für Autisten ist Sprache Verständigung und Mysterium zugleich. Wir kommunizieren anders als er. Eine Geste, ein Blickkontakt, ein halber Satz: Wir können uns auf sehr viele Arten verständlich machen ohne etwas direkt auszusprechen. Autisten können das nicht! Die meisten lernen nur sich auf einen Menschen voll einzustellen: Die "Bezugsperson". An dieser Person orientiert sich ein Autist. vorausgesetzt er hat eine gefunden!

Ironie, Metaphern sind für sie unverständlich bis diese erklärt werden. (Lachen über ihr Unverständnis ist keine Hilfe!) Blickkontakte sagen ihnen wenig bis gar nichts. Schnell wechselnden Gesprächsthemen können sie nicht folgen. Wenn sie ein Stichwort hören beginnen sie darüber nachzudenken was sie darüber wissen. Bis sie ihre Gedanken gesammelt haben ist das Thema aber meist schon vorbei. Und sie fühlen sich übergangen...! Das heißt aber nicht, das Autisten keinen Humor haben! Im Gegenteil! Mein "Autist" (ich bin gesetzlicher Betreuer/Bezugsperson) kann sehr herzlich lachen! Freude und Ärger verbergen können sie nämlich nicht. Was auch Nachteile hat.... Dafür sind es sehr ehrliche Menschen!

Ich denke, seine Zurückhaltung ist einfach ein Zeichen dass er euch nicht versteht. Er weiß nicht was ihr von ihm wollt, wie ihr ihn seht! Auf Autisten muss man sich einlassen (können). Gestik, Mimik und Worte müssen im Einklang sein. Er muss (und kann) langsam lernen wie die Klasse kommuniziert. Wenn es ihm aber zu viel wird, wird er sich zurück ziehen. Das zu erkennen muss wiederum die Klasse/der Lehrer lernen!

Geh auf ihn zu und spreche ihn direkt an. Vergiss dabei nicht, dass deine Körpersprache zu deinen Worten passen muss. Autisten nehmen vieles sehr wörtlich. Also erst mal keine Ironie und Metaphern verwenden! Er kann den Gebrauch aber lernen! Wenn es ihm ruhig erklärt wird. Allerdings muss jede Metapher erklärt werden!

Ich denke schon dass er Kontakt zu euch haben will. Nicht zu allen zur gleichen Zeit. Das ist zu viel für ihn. Zumindest am Anfang. Ohne Hilfe von dir oder einen anderen hat er aber keine Chance diese Hürden zu überwinden! Sage ihm, dass er ja nicht mitreden muss, er kann auch einfach nur dabei stehen wenn er das möchte. Allerdings: Wenn es das Angebot annimmt und sich äußert wird dies in einem Monolog enden! Aber auch hier kann man ihm -über die Zeit hinweg unter vier Augen- erklären das dies nicht alle mögen.

Wir lernen bewusst und unbewusst sehr viel im Bereich der Kommunikation. Wir erkennen (meistens) Signale des Desinteresses, wir spüren ob uns jemand mag oder nicht. Allein anhand dessen wie sich jemand uns gegenüber verhält. Ein lächeln, ein Zwinkern, all dies sind kleine Hilfen im zwischenmenschlichen Bereich. Wir haben gelernt, welche Themen in einer Gemeinschaft angesprochen werden dürfen und welche nicht. Wir meiden normalerweise Themen von denen wir annehmen das sie unser gegenüber verletzen könnten. Und jetzt nimm das alles weg: Dann bist Du ein Autist.

Um dich herum haben die Menschen im small talk in fünf Minuten 20 Themen abgehakt. Und Du bist noch beim ersten Thema. Die Leute sehen sich an, machen eine Geste oder Mimik und lachen, aber die Geste/Mimik war nicht lustig, Alle lachen, nur Du nicht. Du stehst draußen. Und niemand erklärt dir was passiert ist. Wie würdest Du dich fühlen?

Du suchst Kontakt. Du gehst hin zu der Person die dich Interessiert. Doch die spricht dich nicht an. Nach einer gewissen Zeit gehst Du traurig und enttäuscht wieder weg. Jemand ist sehr nett zu dir, Du magst ihn/sie. Aber Du kannst mit keiner Geste oder Worten dem Ausdruck verleihen. Weil Du es noch nicht gelernt hast. Und verstehst nicht warum sich diese Person wieder zurück zieht.

Wohl bemerkt: In all diesen Bereichen kann ein Autist lernen! Aber dazu benötigt er Hilfe! Allein von sich aus geht das nicht. Nur "normal" -was immer das auch bedeutet- kann ein Autist eben nie werden. Es ist ein Gendefekt.

miggilein 
Fragesteller
 11.10.2012, 20:54

wow, danke für die lange antwort! :))

also doch, einen begleitet hat er. am anfang war er auch öfter da (jede stunde) jetzt ist er nicht mehr so oft da, aber er hat jetzt nicht sonderlich oft was gemacht, warscheinlich auch weil keiner besagten autisten geärgert hat und wir ja eigentlich gut mit ihm klarkommen. (obwohl wir eben unsicher sind. ;))

das mit der mimik und alles hat er uns auch grob erklärt, ist nur leider echt schwer das umzusetzen, besonders für mich. :D

danke für die unglaublich lange & informative antwort! :))

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Rechercheur  12.10.2012, 08:06

Ich finde es auch erstaunlich, dass der Autist keine Begleitung dabei hat. Zumindest in der Anfangszeit muss jemand "übersetzen" was der Autist, bzw. der Lehrer oder die Schüler sagen.

Es geht auch ohne. Viele Autisten aus meiner Generation wussten in ihrer Schulzeit nicht mal, dass sie Autisten sind. Die Diagnose Asperger-Syndrom hat es da noch nicht mal gegeben. Klar gekommen sind sie dennoch irgendwie.
Ich bin ja auch irgendwie durchs Leben gekommen, bis ich mit 35 Jahren diagnostiziert wurde.

Wohl bemerkt: In all diesen Bereichen kann ein Autist lernen! Aber dazu benötigt er Hilfe! Allein von sich aus geht das nicht.

Ja, kann er lernen, auch ohne Hilfe. Es wird halt immer anstrengend bleiben, das ist eigentlich der Hauptunterschied.

Ich bin da sehr im Zwiespalt, wie gut es wirklich ist, wenn man einem Autisten einen Schulbegleiter mitschickt, wenn er schulisch auch ohne mitkommt und kein heftiges Mobbing vorliegt. Es ist gut, dass es die Möglichkeit gibt, ganz ohne Frage, aber ob sie in jedem Fall ausgenutzt werden muss, das ist eben dann doch eine Frage.

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Arik40  19.10.2012, 00:06

Soo besonders ist das fehlen eines Betreuers auch nich ich habe auch keinen Betreuer und bin Asperger.

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Ich bin selbst Asperger-Autist. Nun ist es so, dass nicht jeder Autist gleich ist, also solltest du nicht von mir auf deinen Klassenkameraden schließen.
Dennoch kann ich dir erzählen, wie es für mich in der Schule, auch Gymnasium, war. Ich war allerdings zu der Zeit noch nicht diagnostiziert. Niemand ahnte, dass ich Asperger-Autist sein könnte.

Ich habe in den Pausen auch oft allein dagestanden, nicht immer.
Mir machte das wenig aus. Ich war Außenseiter, aber das war meist ok so für mich.
Mehr Aufmerksamkeit, als ich mir selbst holte oder zu holen versuchte, hätte mich eher überfordert, nehme ich an.
Ansonsten bin ich wohl vorwiegend den Leuten auf den Keks gegangen, da ich stundenlang reden konnte ohne Punkt und Komma, wie man so sagt - außer im Unterricht. Mündliche Noten waren bei mir immer eher schlecht.

Ich denke, ihr könnt ihn ja einfach fragen, ob er mit euch zusammen auf dem Schulhof etwas machen möchte. Nicht überreden, nur ein Angebot machen.
Es kann auch sein, dass er die Pause auch tatsächlich braucht als Auszeit, also für sich allein.
Den ganzen Unterricht lang viele Geräusche, Stimmen, helles Licht und was es sonst noch für Sinnesreize im Klassenzimmer gibt, das kann für einen Autisten überfordernd sein. Dann braucht er Ruhe, wenig Reize, um keinen Overload zu bekommen.

Es kann aber auch sein, dass er gern mehr Kontakt hätte und nicht weiß, wie das so geht. Daher die Idee, dass ihr ihn fragt, ein Angebot macht, das er annehmen, aber auch ablehnen, darf, ohne dass ihr sauer werdet.

miggilein 
Fragesteller
 10.10.2012, 21:38

wooow, danke - super antwort, echt! :))) echt interessant so aus der sicht eines "betroffenen"! :)

also wir haben schon oft angebote gemacht, zb "wir gehen gleich nach der schule noch ne stunde zum bäcker, möchtest du mit?" oder im bus: "willst du dich neben uns setzen?".. etc. :) also er sagt dann meist nicht "ja" oder "nein", er antwortet meist gar nicht oder sagt irgendwas was wir nicht verstehen. (warsch mit absicht, weil eig redet er immer sehr deutlich!) hättest du da vllt einen tipp, was das heißen könnte? :)

klar, jeder mensch ist anders, aber vllt weißt du ja was bzw. kannst von deinen erfahrungen erzählen - würde mir (und somit auch meinen freunden ;)) echt weiterhelfen! :)

lg!

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Rechercheur  10.10.2012, 22:04
@miggilein

Evtl. ist es ein Problem mit Erwartungen.

Ich kenne das von mir, dass ich stundenlang über etwas reden, ja nahezu referieren kann - wenn ich es von mir aus mache. Dann rede ich oft auch zu laut ohne es zu merken und auch ohne es regulieren zu können. Selbst wenn man mich darauf hinweist, fällt es mir schwer.

Wenn jedoch etwas von mir erwartet wird, rede ich oft zu leise, nuschelig ...
Im Geschäft zum Beispiel, wenn ich etwas an der Fleischtheke bestellen will. Im Unterricht, wenn ein Lehrer mich dran nahm, und auch in "ganz normalen" Situationen, wenn ich mehr oder weniger unerwartet plötzlich auf jemanden reagieren soll, der mich anspricht.

Dazu kommt ein Problem mit spontanen Entscheidungen. Jetzt mal eben entscheiden, ob ich jetzt oder gleich etwas machen möchte, was ich so aber gar nicht eingeplant hatte, ist sehr schwierig.
Vielleicht fragst du ihn mal nicht für heute sondern für morgen, übermorgen oder in drei Tagen. Also etwa:
"Übermorgen möchte ich nach der Schule zum Bäcker gehen, möchtest du mitgehen? Du kannst es mir auch gern morgen sagen und erst darüber nachdenken."
So hat er Gelegenheit, seinen Tagesablauf zu planen.

So wie er seine Stifte sortiert, so sortiert er vermutlich auch im Kopf seinen ganzen Tag.
Nun soll er einen neuen Stift ganz spontan im Etui unterbringen, obwohl er keinen Platz dafür vorgesehen hat und ein anderer Stift dafür hinaus müsste. Hätte er mehr Zeit, könnte er vielleicht eine neue Schlaufe ins Etui nähen und die Stifte neu sortieren.
Vielleicht ist das ein Vergleich, der ein bisschen passt.

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miggilein 
Fragesteller
 10.10.2012, 22:14
@Rechercheur

hey, das ist echt hilfreich gewesen! :)

ich kann ihn jetzt auch besser verstehen! :)) ich werde den tipp nach den ferien bei nächster gelegenheit aufjedenfall umsetzen!

und wenn ich darf würde ich gerne noch eine frage stellen :D also es gibt noch so einen typen in unserer paralellklasse, der ist einfach ziemlich dumm. der macht sich über jeden lustig und man kann ihn einfach nicht stoppen. er ist also auch der einzige an der ganzen schule, der sich über besagten autisten lustig macht. nun ist die sache, dass wir alle wirklich immer dazwischengehen, und besagten autisten verteidigen. nun habe ich das gefühl, dass ihm das beleidigen weniger ausmacht, als das verteidigen unsererseits. denn er guckt dann immer so beschämt. :(

ist das eine fehleinschätzung? hättest du da vllt noch einen tipp? :) oder hat das gar nichts mit dem autismus zutun? ;)

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Rechercheur  11.10.2012, 01:06
@miggilein

Puh, eine schwierige Frage.
Ich finde es nett von euch, dass ihr ihn verteidigt.
Es kann schon sein, dass es ihn beschämt, vielleicht würde er sich gern selbst besser verteidigen können. Es kann aber auch eine Fehleinschätzung sein. Ich weiß zum Beispiel, dass Nicht-Autisten meine Mimik mitunter schlecht korrekt lesen können - so wie ich ihre.

Es ist ganz schwer, da jetzt was Konkretes zu zu sagen. Im Zweifel würde ich ihn einfach fragen, ob es ok für ihn ist, dass ihr da helfen möchtet, wenn ihr merkt, dass dieser Typ ihn ärgert.

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Auf der Schule meiner Tochter sind Autisten in der Klasse. Diese haben einen eigenen Betreuer für die Pausen und für spezielle Stunden. Wenn ich richtig informiert bin, handelt es sich ausschließlich um das Asperger Syndrom. Ich poste Dir mal einen Link dazu. Du wirst merken, ihr macht nichts falsch, das mangelnde Interesse an Euch ist mit seiner Krankheit verbunden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Asperger-Syndrom

miggilein 
Fragesteller
 10.10.2012, 19:41

danke! :)

jah einen betreuer hat er auch, aber der sitzt meist nur hinten im klassenraum & macht nichts, der ist auch nur alle 3 tage da..

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miggilein 
Fragesteller
 10.10.2012, 20:02
@BillDung

jah also das war jetzt ne schätzung. ;)

manchmal ist er auch mehrere tage hintereinander da, & dann wieder nicht, das ist jetzt so "im schnitt". :D

ich kann da leider nicht mehr zu sagen, das sind nur meine beobachtungen! vllt ist der betreuer auch da, und dann nur in den pausen bei ihm, weil wenn er nicht draußen ist geht er manchmal auch in so nen raum, sry ich bin leider echt schlecht informiert! ;)

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Rechercheur  10.10.2012, 21:36

Autismus ist keine Krankheit, man kann nicht daran erkranken, es ist angeboren.
Der Wiki-Artikel ist bitte mit Vorsicht zu genießen.

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miggilein 
Fragesteller
 10.10.2012, 21:55
@Rechercheur

danke! :)

aber sry für die dumme frage, aber ist es denn dann nicht trzd in einem gewissen maße eine "krankheit"? denn es gibt ja schließlich auch "angeborene krankheiten". oder bezeichnet man das dann anders? :)

lg!

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Rechercheur  10.10.2012, 22:07
@miggilein

Es ist eine Behinderung.
Laut ICD10 eine sogenannte "Tiefgreifende Entwicklungsstörung".

Krank bin ich derzeit jedenfalls nicht, Autist bin ich aber mein Leben lang. ;-)

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