Christian Solmecke 24.03.2023 14:00

Hassrede im Netz (mit Christian Solmecke)

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes demokratisches Gut, doch sie ist kein Freifahrtschein für menschenverachtende oder hassschürende Äußerungen. Dies gilt auch im Internet. Doch wo genau verläuft eigentlich diese Grenzziehung und weshalb ist sie so wichtig? In unserem Video-Themenspecial beantwortet der Internet- und Medienrechtsanwalt Christian Solmecke Deine Fragen zu Hassrede im Netz und den juristischen Grundlagen und Feinheiten, die hier von Bedeutung sind. Stell Deine Frage bis zum Mittwoch, den 15. März 2023, um 16 Uhr. Die 15 spannendsten Fragen werden von Christian Solmecke am 24. März mit einem persönlichen Video beantwortet.
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156 Fragen
Merkwürdiges Gerichtsurteil: Müssen Promis mehr Hass im Netz ertragen als Normalos? Gelten für Promis andere Maßstäbe?

Der Fall:

Eine Frau wird im Netz 22 Mal beschimpft - unter anderem als

  • "Drecks-F***e",
  • die "auf der Mülldeponie entsorgt gehört",
  • aber dort nicht abgeladen darf, weil "Sondermüll" und
  • ein "Stück Scheiße" und
  • "Gehirn-amputiert" und eine
  • "Pädophilen-Trulla".

Das Gericht stellte fest:

"Keine Diffamierung der Person" und "damit keine Beleidigungen". Sondern: "Haarscharf an der Grenze des Hinnehmbaren!"

Quelle:

Landgericht (LG) Berlin, Beschluss vom 9. September 2019, Az. 27 AR 17/19 sowie

"Drecks *****": LG Berlin sieht keine Beleidigung (lto.de)

  • Die Besonderheit:

Das Tatopfer ist eine Prominente. Ihr Name: Renate Künast.

  • Dazu meine Frage:

Müssen Prominente grundsätzlich mehr Hass im Netz ertragen?

Gilt bei Prominenten ein anderer Maßstab bei der Beurteilung, was legal und was illegal ist?

Falls ja: Ist das mit dem verfassungsrechtlichen Garantie der Gleichbehandlung vereinbar?

[Anmerkung: Nach meiner Kenntnis wurde das Urteil des Landgerichts Berlin zwar vom übergeordneten Kammergericht Berlin aufgehoben. Doch auch das Kammergericht sah es nicht als Beleidigung an, dass Renate Künast im Netz beispielsweise als "Pädophilen-Trulla" und "Gehirn-amputiert" beschimpft wurde. Renate Künasts daraufhin eingereichte Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Ihr Fall wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dort gibt es aber - so weit ich informiert bin - bis heute kein rechtskräftiges Urteil. Mittlerweile sind seit der Künast-Beschimpfungen im Netz gut 4 Jahre vergangen.]

Hasskriminalität im Netz: Wie wird der Täter erwischt?

Nehmen wir an:

  • Herr X wird Opfer von Hasskriminalität im Netz. Er ist Nutzer eines Internet-Forums. Dort wird ihm Gewalt angedroht.
  • Herr X macht einen Screenshot der Gewalt-Androhung. Danach erstattet er Online-Strafanzeige.

Online Strafanzeige erstatten (online-strafanzeige.de)

  • Tags darauf ist die Gewalt-Androhung gelöscht, der Screenshot aber noch erhalten.

Wie geht es jetzt eigentlich ermittlungstechnisch weiter?

  • Ich vermute: Die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) werden bei hinreichendem Anfangsverdacht zunächst den Forum-Betreiber auffordern, die IP-Adresse des Nutzers zu nennen, der Herrn X bedroht hat.
  • Aber hier geht's vielleicht schon los mit praktischen Problemen. Zum Beispiel: Der Forum-Betreiber kann die IP-Adresse des drohenden Nutzers gar nicht nennen, weil er seinen Account gekündigt hat und die IP-Adresse gelöscht wurde. Oder: Der drohende Nutzer hat seine IP-Adresse manipuliert. Was dann?
  • Welche Möglichkeiten haben die Strafverfolgungsbehörden (trotz solcher Probleme), Name und Adresse des drohenden Nutzers zu ermitteln?
  • Nutzen die Strafverfolgungsbehörden diese Möglichkeiten in jedem Fall - also auch dann, wenn der Ermittlungsaufwand hoch ist?
  • Oder hängt der Ermittlungsaufwand immer vom Einzelfall ab? Macht es also beispielsweise einen Unterschied, ob der Bedrohte ein Promi oder ein ganz normaler "Alltagsmensch" ist? Spielt eventuell auch die Intensität der Bedrohung eine Rolle? Gilt eventuell sogar der Grundsatz: Je massiver die Bedrohung, desto intensiver die Ermittlungen?

Sie sind zwar kein Staatsanwalt, sondern Rechtsanwalt. Aber aufgrund Ihrer anwaltlichen Erfahrungen kennen Sie bestimmt sehr genau die ermittlungstechnischen Abläufe. Deshalb wäre es schön, wenn Sie uns Laien kurz erläutern könnten, wie wir uns speziell den Ablauf vorstellen können, der zur Identitätsfeststellung eines Tatverdächtigen (Name, Adresse) führt. - Vielen Dank!

Ist der Vorwurf des Hasses nicht eigentlich nur eine billige Totschlagskeule?

Es gehört zu meiner Beobachtung, insbesondere bei Religionen, das immer dann die Hass-Keule hervor geholt wird, wenn man sich in die Enge getrieben fühlt.

Hass entsteht immer dann, wenn man sich nicht mehr zu wehren weis. Man bildet sich ein, mit Hass könnte man etwas erreichen. Provoziert aber letztendlich, das genaue Gegenteil. Der Druck wird noch höher, weil man sich ja nicht wehren kann.

Daher ist der Vorwurf, Hass zu senden, immer problematisch. Einer, der im Internet angeblichen Hass verbreitet, ist mit Nichten wehrlos. Im Gegenteil, er weis sich ja zu wehren. Es ist also nicht der Hass, der zum Vorwurf des Hasses führt, sondern es ist die eigene Wehrlosigkeit, die einen zu dem Mittel greifen lässt, gegen angeblichen Hass vorgehen zu wollen.

Der angebliche Hasser, hasst nicht. Er kritisiert. Oft ungerechtfertigt. Aber, es ist kein Hass der ihn antreibt, sondern Wut, Rachegefühle, Unverstandenheit oder Ungerechtigkeit. Er versucht, oft durch beißende Kritik, wo er oft zu Verallgemeinerungen greift, den anderen zum Nachdenken zu bewegen. Im Prinzip sogar eine löbliche Vorgehensweise.

Das Hauptproblem ist es, das viele den Unterschied zwischen Beleidigung, Unterstellung, Verleumdung und Unwahrheit auf der einen Seite, und Zynismus, Sarkasmus, Ironie, Wahrheit und Taktik, auf der anderen Seite, nicht kennen. Man hört etwas, was man nicht gerne hört, holt die Totschlagsargumentenkeule aus dem Sack, und haut wie wild mit dem Begriff, Hass, um sich.

Ich persönlich habe nicht das geringste Problem mit dem Vorwurf, ich würde Hassen. Wenn ich kritisiere, was ein anderer als Hass empfindet, kann ich immer schnell für Aufklärung sorgen. Ich versuche nämlich immer, so weit es geht, beißende Kritik zu vermeiden. Genauso, wie ich versuche, Unwahrheiten, Beleidigungen oder Provokationen zu vermeiden. Bei mir verläuft der Vorwurf des Hasses immer ins Leere. Ich kann gar nicht hassen. Das ist mir zu primitiv. Ich weis mich eigentlich immer mit legalen und sinnvollen Mitteln zu wehren.

Warum ist "Hassrede" überhaupt strafbar und kann Liebe quasi "verordnet" werden?
"Der Hass ist ein intensives Gefühl der Abneigung und Feindseligkeit. Hass wird als Gegenpol zur Liebe betrachtet." (Quelle: Wikipedia)

Inwieweit lassen sich intensive Äußerungen der Abneigung als Emotion überhaupt steuern, da Emotionen ja nicht dem Willen untergeordnet sind. Was wäre, wenn man plötzlich Äußerungen intensiver Trauer zunächst ächten und dann strafrechtlich verfolgen würde, was wäre da los? Was kann jemand dafür, dass er traurig ist? Was kann ich für das Gefühl intensiver Abneigung? Was passiert, wenn Gefühle nicht mehr (verbal) geäußert werden dürfen und kriminalisiert werden? Oder geht es bei der Verfolgung von "Hassrede" — ganz gleich, was man sich unter dieser modernen Wortschöpfung vorstellen soll — um etwas ganz anderes, um das Durchsetzen bestimmter Ideologien und Werte, die damit verbunden werden? Wozu soll die Zensur denn letztlich dienen, wenn die damit geächteten Emotionen nicht verschwinden und nur "unsichtbar" gemacht werden?

Meine Meinung dazu: Ich halte die Zensur und ggf. die strafrechtliche Verfolgung für äußerst problematisch, nicht nur, was das Grundgesetz betrifft. Da werden neue Tabus geschaffen. Wenn einerseits erfreulich das Thema sexueller Missbrauch (nicht nur in den Kirchen!) für die Betroffenen einen Raum bekommen hat, indem ihre Erlebnisse und Gefühle zur Sprache kommen können und dürfen, entsteht durch die Medienzensur und strafrechtliche Verfolgung von starken Abneigungsäußerungen das genaue Gegenteil.

Selbstjustiz bei Onlinekriminalität - darf man kriminelle hacken, stören, Daten vernichten?

Das habe ich mich so oft gefragt.

Etwas abwegig ist diese Frage, doch auch wenn es Hassreden im Netz gibt, ist die Frage ob man Selbstjustiz üben darf oder nicht?

--->

Die Polizei hat alle Hände voll zu tun. Investigative Journalisten schleusen sich in Communities und weiden den illegalen Content aus, klauen Daten, weil die Polizei wenig Kapazitäten hat.

Ist das Journalistische Selbstjustiz?

Auch wenn man nur begrenzt dazu fähig wäre, angenommen man findet im Netz illegale Angebote, Hassreden, die einfach verboten sind, darf man dann Hand anlegen?

Man denkt sich "das muss aber sofort aus dem Netz!" doch dann...

Mach ich mich damit strafbar?

Wenn ich das melde, dann bin ich ja auch verdächtig. Ich habe ja die Seite besucht...was wollte ich dort, wie kam ich dahin? Wiegt das vergehen weniger als die Seite des Anbieters? Werde ich observiert oder kassiere den Bundestrojaner?

Und dann denkt man "Nee...ich mach einfach DDOS Angriff dann kann erst mal keiner auf die Seite zugreifen. Das ist eine gute Tat!". Wenn er das melden wollte, macht er ja auf sich aufmerksam und wird hoch genommen. Er kann eigtl. nichts tun.

Also wäre Selbstjustiz eigentlich, wenn es denn erlaubt wäre, relativ sicher. Man muss sich natürlich sicher sein, dass das Angebot tatsächlich konktret illegal ist weil man sonst selber Probleme bekommt. Und man müsse ggf. auch Wissen dass der Content schon länger besteht und scheinbar nichts passiert.

DDOS: https://de.wikipedia.org/wiki/Denial_of_Service

Hassrede - warum überhaupt?

Das Problem ist virulent geworden mit den neurechten Basisbewegungen und vor allem durch die Zuspitzung der Fluchtbewegungen von 2015.

Da sind Ängste, Befürchtungen und Frustration, die sich z. T. seit den Hartz Reformen aufgestaut haben verbalisiert worden und haben ein Ventil gefunden - was sollte daran verboten oder auch nur verbietbar sein wenn Bürger, die ja recht unterschiedlich Ausdrucksfähig sind, deren Ängste und Befürchtungen von Spezialisten verschiedener Couleur wachgerüttelt, angeheizt werden, genau dies in Worte zu fassen versuchen. Wer will sich erdreisten, dem Bürger das Wort abzuschneiden, weil er ein wenig das Maß verliert, unter künstlich (politisch) herbeigeführten Bedingungen, die den Emotionalen Druck, der sich da Bahn bricht erst geschaffen hat?

Die Politik hat die Situation selbst geschaffen, insofern als sie immer verträumt hinter den Forderungen der Zeit hinter her hinkt.

(Beispiele: die verschleppte Debatte ums Migrationsrecht, die viel zu späte Reaktion auf die Migrationswelle, die Vorbereitungen hätten mit dem Beginn des Arabischen Frühlings eingeleitet werden müsse, die inakzeptable Nicht-Reaktion auf die Russischen Einwände gegen das Vorrücken der Nato (Ukrainekomplex) etc... Alle Probleme die dadurch entstanden sind, incl. der politischen Spaltung der Gesellschaft sind durch eine verantwortungslose und ignorante Politik verursacht oder verstärkt worden, die sich danach scheinheilig über emotionale Regungen im Volk mokiert und die politische Spaltung damit weiter voran treibt.)

Ist es möglich, Hassrede etc. unter Kontrolle zu bringen, ohne dabei die Meinungsfreiheit einzuschränken oder demokratische Prinzipien zu verletzen?

Das Hassreden und weiteres im Internet ein großes und ernstzunehmendes Problem sind, sollte klar sein. Die vermeintliche "Anonymität" und auch das Ding, das hinter einem Chat, einem Tweet oder was auch immer, die Person dahinter nicht gesehen wird, sind zwei äußerst problematische Punkte, die "vergessen" lassen, dass man dennoch mit einem fühlenden Menschen zu tun hat.
Viele lassen dadurch ihren Zorn und Ärger freien Lauf, ohne Rücksicht auf Verluste.

Doch zwei Lösungsansätze für dieses Problem, wobei ersteres eher zum Schutz der Kinder eingesetzt werden soll(!), stellen für mich keine Lösungen dar, da hier zu viele Eingriffe in das Leben eines jeden Bürgers vorgenommen werden.

Es wird Beispielsweise über eine Chatkontrolle auf EU-Ebene diskutiert, was - in meinen Augen - ein ganz großer Einschnitt in die demokratischen Prinzipien ist.
JEDER Bürger wird hierdurch Gläsern.

Auch eine Pflicht zur Angabe der privaten Daten, inklusive Ausweispflicht ist/war in der Diskussion bei, zum Beispiel, Registrierung auf Websites.

Oder sehe ich das zu einfach und es lässt sich doch irgendwie mit unseren, bzw. allgemein den EU-Grundsätzen vereinbaren?
Welche anderen Lösungsansätze könnte man vornehmen, um diese schiere Masse an Hassrede und Co. in den Griff zu bekommen, OHNE sich im Internet gegenüber Plattformbetreibern quasi nackig machen zu müssen und ohne demokratische Strukturen aufzuweichen oder auszuhebeln?

Hass ist das höchste negativste Gefühl der Menschheit. Können Gefühle verboten werden?

Ich verstehe es nicht, warum wird in Deutschland über Gefühle diskutiert? Warum hasse ich, wenn ich meine Meinung schreibe oder sage? Jeder interpretiert ein Wort, einen Satz anders. Jeder könnte so viele Beispiele nennen, wo gehasst wurde und es nicht Worte waren die Getötet haben. Hass ist überall, es ist ein Gefühl was uns verboten und unterdrückt wird. Mund halten ist schlimmer, da dann die aufgestauten Gefühle platzen. Werden eigentlich in den anderen Ländern auch über Gefühle diskutiert? Gefühle die in jedem von uns stecken, mal mehr mal weniger. Genau wie ein Mörder, der eine wirds der andere nicht. Der Mitarbeiter hasst seinen Chef. Die Tochter hasst ihre Eltern. Lehrer werden gehasst. Polizisten werden gehasst. Ich werde gehasst. Chile hasst Peru, Israel und Palästina, Türkei gegen Kurden, Putin hasst alle ect. ect. Wo? Wo, auf der ganzen Welt gibt es keinen Hass? Nirgendswo! Es ist eins der größten negativen menschlichen Gefühle. Es kann nicht verboten werden. Warum hört man nicht stattdessen den Menschen zu? Als uns den Mund zu verbieten. So staut sich noch mehr Hass an, was auch hier in Deutschland passiert aber es wird weg geschaut. Oder nennt man jetzt in Deutschland "Meinung sagen : Hass?"

Warum diskutieren wir nicht lieber über : Warum nennen uns sehr viele Politiker, Menschen und Nationen "Nazis"? Und das nur weil ich in Deutschland lebe. Ich hatte mit dem 2. Weltkrieg nichts zu tun, meine Eltern sind keine Deutschen aber werden als Nazis tituliert. Ist das kein Hass? Sowas schafft Gegenhass. Warum wird das nicht verboten?

Soviel wollte ich nicht schreiben aber es musste jetzt mal raus ✌️.