Entschuldige, wenn ich das so grob ausdrücke - aber ist es nicht besser, sie lebt mit ihren 15 Jahren in einer Fantasy-Welt ... ist KIND und hat das Träumen noch nicht verlernt ...
... statt zu extrovertiert zu sein und Dich damit zu konfrontieren, dass Du bald Oma wirst??
Lass ihr die Zeit, die sie braucht, um erwachsen zu werden - die Realität holt einen viel zu schnell ein und ich finde es sehr schön, dass Deine Tochter noch in Träumen regelrecht versinken kann - sich noch in diese Bücher so vertiefen kann, dass sie die Realität vergisst.
Wann konntest Du Dich und Deine Umwelt das letzte Mal so vergessen und in "fremde Welten" eintauchen - nur durch ein Buch??
Wann konntest Du das letzte Mal TRÄUMEN??
Falls es wichtig ist: Ich habe sogar unter der Bettdecke heimlich mit der Taschenlampe weitergelesen ... sogar noch bis lange in die Berufsausbildungszeit hinein ... und manchmal, wenn ich es schaffe, den Berufsalltag zu vergessen und allen Stress zu abzuladen ... dann passiert mir das heute noch. Dann verliere ich mich in Träumen - bin von den Buchstaben in dem Buch gefesselt - werde ein Teil davon.
Dann bin ich zwar einen Tag sehr müde - aber trotzdem konzentriert.
Und ohne meine heißgeliebten Bücher hätte ich nie richtig DEUTSCH gelernt. Meine Rechtschreibung war zu Schulzeiten eine Katastrophe - in meinen BÜCHERN habe ich aber jeden Fehler erkannt ...
Inzwischen bin ich fast 50 - es fehlen nur noch wenige Monate .. ich habe eine gute Berufsausbildung - habe einen gutbezahlten Job, ein eigenes kleines Haus (und das sind so ganz profane Dinge, die meine Eltern NICHT hatten) ... und wären meine Augen nicht so angestrengt bei längerem Lesen - ich würde mich noch heute in diesen kleinen Träumen verlieren (ich hoffe, die neue eBook-Generation rettet mich - und schenkt mir wieder meine Träume).
Zeit für Bücher habe UND NEHME ich mir noch heute. Dabei bin ich durchaus politisch und gesellschaftlich engagiert - und habe insgesamt so manchen erweiterten Berufsbildungsabschluss "draufgesetzt" - dabei hat mir das LESEN KÖNNEN - das Worte verschlingen und sich merken können (damit auch INTERPRETIEREN) - durchaus geholfen.
Denn "wir Leseratten" verschlingen ja nicht nur Buch um Buch - wir erkennen auch sofort, wenn wir einen Text bereits kennen - können diesen Text wiedergeben - oder - wenn wir mehrere Texte vom gleichen Thema gelesen haben - den Inhalt mit eigenen Worten wiedergeben - Verbindungen dazwischen darstellen und erläutern - Unterschiede differenziert herausarbeiten.
Dabei stehen wir dann aber nicht im Mittelpunkt - halten keine großen Reden - im Gegenteil: Vor Fremden bekommen wir die Zähne nicht auseinander. Aber einen Aufsatz - eine Abhandlung - eine Fallstudie - eine Diplomarbeit schreiben: Da gehen wir auf - verwirklichen uns mit den Worten auf dem Papier.
Es ist nichts falsch daran ... dieses "Talent" sollte man allenfalls bei der Berufswahl berücksichtigen - um glücklich Leben zu können.
Ich bin übrigens Immobiliengutachterin ;) - lange Texte zu lesen - zu erfassen - zu vergleichen, Grundrisse und Pläne mit Geduld zu analysieren ... und mit tatsächlichen Gegebenheiten in ein Verhältnis zu setzen - damit verdiene ich jetzt mein Geld.
Das mag überraschend wirken - aber auch das kann ein Berufsziel für eine Leseratte sein (nicht nur Bibliothekarin, Deutschlehrerin, Sekretärin oder Dolmetscherin!!!!). Für eine echte Leseratte kann auch Architektur sehr spannend sein - oder Ingenieurwesen.
Lesen - erfassen - und meistens ein dazugehörendes gutes Gedächtnis für geschriebene Worte sind nicht die schlechtesten Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Berufswahl ;) - für eine Verkäuferin (egal für was) ist sie halt nur zu introvertiert - zu analysierend - und zu verträumt?? Bankkauffrau, Reiseberaterin, Modell, Sängerin oder so - wird sie wohl eher nicht werden.
Deswegen kann sie aber vielleicht wunderschön GESTALTEND tätig sein?? Damit meine ich keine brotlose Künstlerin - sondern wirklich konstruktiv ... Ingenieurwesen - Architektur - Landschaftsgärtnerei - technische Konstrukteure - Programmierer: Alles introvertierte "Jobs" für Leseratten mit viel Phantasie.
In diesem Sinne
Entschuldige, dass mein Brief so lang geworden ist - ich hatte keine Zeit für einen kürzeren (frei nach J.W. Goethe).