TEIL 1
Vorweg: ja, die Aussage, dass der Reichtum mancher die Armut anderer ist, ist richtig. Allerdings steht der Artikel in der WELT mit dieser Aussage zunächst in keinem Zusammenhang. Bei diesem Artikel geht es nur mittelbar um arm und reich, hauptsächlich geht es im Artikel um WOHLSTAND. Er kann daher NICHT herangezogen werden, um obige Behauptung argumentativ zu bestätigen oder zu widerlegen. Wie verschiedene Foristen schon bemerkten sind ARM und REICH relative Begriffe. Sie sind immer abhängig davon, welche Grenzen für das betrachtete System gezogen werden. Anhand von Beispielen lässt sich das erklären: Annahme: Für seine Ernährung und die seiner Familie benötigt ein Bauer jedes Jahr 60 Sack Mehl. In einem Dorf leben 100 Bauern. Sie bewirtschaften ihre Felder nach einfachen Methoden und ernten durchschnittlich etwa 10.000 Säcke Getreide. Im Dorf gibt es eine Mühle, die dem Müller gehört, der selbst auch ein Feld bewirtschaftet, also auch Bauer ist. Er verlangt für das Mahlen des geernteten Getreides 5 Sack vom Mahlgut als Bezahlung. Nach dem Mahlen haben 99 Bauern jeweils 95 Säcke Getreide, der Müller aber erhält jedes Jahr 100 Säcke von seinem eigenen Feld und 99x5 Säcke also 495 Säcke von den anderen Bauern für das Mahlen des Getreides. Er erhält jedes Jahr etwa 6 x soviel, wie alle anderen Bauern. Durch die einfache Bewirtschaftung der Felder reicht der Ertrag häufig nicht, um die Menschen zu ernähren, da in manchen Jahren nur 6.000 Sack geerntet werden. Die Bezahlung für den Müller ändert sich nicht. Er erntet zwar selbst auch nur 60Sack aber bekommt für das Mahlen der restlichen 5.940 Säcke trotzdem 495 Säcke als Bezahlung. Während 99 Bauern nur jeweils 55 Sack, also zu wenig zu essen haben, hat der Müller immer noch mehr als ausreichend. Im Verhältnis zu den anderen Bauern ist der Müller reich, die anderen Bauern sind hingegen arm. Der Reichtum des Müllers beruht darauf, dass die Bauern arm sind. Da die Bauern in schlechten Jahren weniger ernten, als sie zum Leben benötigen, sind die Bauern kaum nicht wohlhabend. Die Gesellschaft im Dorf ist absolut arm. Systemgrenze ist das Dorf mit der einfachen Bewirtschaftung der Felder. In einem entfernteren Dorf leben ebenfalls 100 Bauern und auch dort gibt es einen Müller. Da die Bauern in diesem Dorf gemeinsam verschiedene Erfindungen gemacht haben, die für einen deutlich höheren Ertrag der Felder sorgen, ernten die 100 Bauern nicht nur 10.000 Sack Getreide sondern 100.000 Sack, die 10-fache Menge im Vergleich zum anderen Dorf. Der Müller lässt sich auch dort das Mahlen bezahlen, jedoch nicht mit 5 sondern mit 50 Sack Mahlgut. In einem durchschnittlichen Jahr erntet jeder Bauer 1.000 Sack Getreide. Der Müller, der in diesem Dorf kein Bauer mehr ist, erhält 5.000 Sack Getreide, während ein Bauer nur 950 Sack Getreide besitzt. Auch in diesem Dorf ist der Müller reich im Verhältnis zu den Bauern. In schlechten Jahren ernten auch hier die Bauern nur 60% des Durchschnittsertrages. Der Müller erhält auch in schlechten Jahren 5.000 Sack, während für den Bauern nur 550 Sack Getreide verbleiben. Der Reichtum des Müllers beruht darauf, dass die anderen Bauern im Verhältnis arm sind. Eine Expedition entdeckt nun das andere Dorf mit den 10.000 Sack Jahresernte und stellt fest: Alle Bauern seines Dorfes sind reich, im Verhältnis zu den Bauern des anderen Dorfes. Es gibt also ein reiches und ein armes Dorf. Im reichen Dorf sind alle wohlhabend, allerdings ist einer noch wohlhabender- nämlich der Müller des reichen Dorfes. Er ist absolut reich. Er besitzt etwa 91x soviel, wie die Bauern im armen Dorf in schlechten Jahren und etwa 9x soviel, wie die Bauern im reichen Dorf. Jetzt wird es interessant: Die Expedition des reichen Dorfes handelt mit den Bauern des armen Dorfes einen Vertrag aus. In diesem wird festgelegt, dass die Bauern des armen Dorfes die Erfindungen zur besseren Bewirtschaftung der Felder auch bneutzen dürfen, allerdings nur dann, wenn Sie die Hälfte ihrer Jahresernte den Bauern im reichen Dorf abgeben. Die Bauern im armen Dorf ernten künftig das 10-fache ihrer bisherigen Erträge.