Lieber derGeschichte,
wenn man es genau nimmt, ist das Römische Reich erst 1453 mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen endgültig untergegangen. Denn das, was wir heute als "Byzantinisches Reich" kennen, war staatsrechtlich nichts anderes als das Oströmische Reich der Spätantike. Klar hat es sich kulturell stark verändert und ein Römer um die Zeitenwende hätte um 1000 wohl kaum geglaubt, dass er sich auf römischem Boden befindet, wenn er das Land bereist hätte, aber de facto war es immer noch derselbe Staat, ungebrochen.
Insofern ist die Frage, ob du fragen willst, ob man den Untergang des Weströmischen Reiches hätte aufhalten können, oder ob man den Untergang des Oströmischen Reiches hätte aufhalten können. Bei beidem würde ich bis zu einem bestimmten Punkt ja, danach aber ganz deutlich nein sagen. Byzanz z.B. war nach dem Vierten Kreuzzug nur noch ein Schatten seiner selbst und strukturell dem Untergang geweiht, zumal es nicht einmal sein Kerngebiet mehr unter Kontrolle hatte. Zur Zeit der Makedonenkaiser konnte Byzanz, nachdem es durch die Araber drei Viertel seines Territoriums verloren hatte, sogar wieder expandieren und Armenien und Syrien zurückerobern. Hätte es sich nach diesen Erfolgen nicht sofort wieder in Bürgerkriegen selbst zerfleischt, hätte es vielleicht eine Chance gehabt, länger zu überleben.
Bei Westrom sehe ich es als den entscheidenden Fehler an, dass man Ende des 4. Jahrhunderts unter Theodosius I. begonnen hatte, Germanenstämme als foederati im Römischen Reich anzusiedeln und ihnen 2/3 des Landbesitzes in einem bestimmten Territorium sowie ihre politische Autonomie zuzugestehen. Früher wurden Germanenstämme zwar auch im Reichsgebiet angesiedelt, sie mussten sich aber der römischen Verwaltung unterstellen und in den Auxiliartruppen Dienst tun, statt unter einem eigenen König ein politisches und militärisches Eigenleben zu führen. Das machte sie mit der Zeit unberechenbar und unkontrollierbar, gleichzeitig wurde Rom immer abhängiger von den Truppen seiner germanischen Föderaten. Diese Entwicklung war ab einem gewissen Punkt ein Selbstläufer und musste irgendwann zwangsläufig zum Putsch führen, wie ihn Odoacer dann gegen den letzten Kaiser Romulus Augustulus führte.