Du kennst es doch sicher, dass man sagt, dass Männer nicht vor anderen weinen dürfen und keine Schwäche zeigen dürfen oder so und ich denke das könnte ein Grund sein. Wie schon gesagt wurde denke ich auch, dass er in dem Moment, als er es dir erzählte, echt am Ende war und keinen anderen Weg sah als es endlich zu sagen und in dem Moment wird dann auch diese Schwäche ausgeblendet, aber in der Normalität, wenn er dich treffen würde ist dieses Gefühl ja wieder da und ich denke er hat einfach Angst dir ins Gesicht zu gucken und zu wissen, dass er dir leid tut und er weiß ja nun auch, dass du sozusagen die größte Schwäche kennst, also das wovor er am meisten Angst hat oder was ihm am traurigsten macht. Und er hat es bisher nur dir erzählt und niemand anderem, was zeigt wie sehr er Angst hat etwas zu erzählen und wie sehr er sich schämt, zumal der Scham davor als junge/Mann denke ich oft noch größer ist, da sie dann als weicheier oder oder oder gelten. Viele Opfer haben Angst ihre Freunde zu verlieren, wenn sie sich ihnen anvertrauen oder sie haben einfach Angst ihre würde und ihren Stolz vor ihnen zu verlieren. Und wie auch schon gesagt wurde, da du jetzt die einzige Person bist, die es noch weiß, erinnerst du ihn extrem ab diese Sache. Oft reicht nur ein Geruch, ein Geräusch, eine Person, eine bedrängende Situation oder ähnliches um das Opfer des Missbrauchs wieder an die Tat zu erinnern und das ist denk ich nie sehr angenehm daran erinnert zu werden obwohl man eigentlich mit tollen Freunden draußen ist oder so. Und auch wenn ich mich wiederhole, denke ich, dass es sehr am Scham liegt, weil er Angst hat, dass du ihn eklig finden könntest oder ähnliches. Viele Opfer haben auch Angst, dass sie ab dem Zeitpunkt auch wie Opfer behandelt werden. Sie sind ja trotzdem normale Menschen und so wollen sie auch behandelt werden aber ich denke er könnte einfach Angst haben, dass du ihn ab jetzt wie ein Sonderfall behandelst und total sensibel mit ihm umgehst oder ihn immer mit diesem „es tut mir so leid“-Blick anschaust. Und ich meine er hat es ja bisher noch niemandem gesagt außer dir und das zeigt ja auch, dass er genau so weiter machen will wie zuvor. Und „nur“ weil man als Kind missbraucht wurde oder irgendein anderes traumatisches Erlebnis hinter sich hatte, heißt es ja nicht, dass man jeden Tag heulend zu Hause sitzt und nicht auch Spaß mit seinen Freunden haben will und kann.
An sich ist es natürlich der richtige Weg zum Therapeuten oder zur Polizei zu gehen, aber es ist völlig verständlich, wenn er sich das erstmal nicht traut. Was das beste für ihn ist, hängt von dem Menschen an sich einfach ab. Genug Opfer von sexuellen Übergriffen schaffen es auch ohne die Hilfe von Therapeuten und Polizei, jedoch gibt es auch welche die zum Beispiel Suizid begehen, sich Verletzungen zufügen oder unter Depressionen leiden. Aber ich denke eigentlich nicht, dass er das nach der Zeit jetzt noch tun würde. Trotzdem scheint es ihn sehr zu belasten. Durch seine kleinen Schwestern ist natürlich nochmal extra der Druck da, dass er zur Polizei gehen sollte und muss, um sie zu schützen.
Mein Rat wäre trotzdem zu versuchen ab ihn ran zu kommen, auch wenn es jetzt schon länger her ist und ihm in diesem Fall auf jeden Fall zu versuchen dazu zu bringen, dass er zur Polizei geht. Er sollte es jedoch trotzdem freiwillig tun. Es bringt nichts ein Opfer widerwillig zur Polizei zu schleppen. Wenn er nicht diese kleinen Schwestern hätte, hätte ich vielleicht auch gesagt, dass er es ohne Polizei schafft, da eine Verhandlung vor Gericht sicher auch nicht einfach wird und alles drum und dran aber meiner Meinung nach muss er seine kleinen Schwestern schützen. Es ist schlimm was ihm angetan wurde und das sollten nicht noch zwei unschuldige Kinder erfahren.
Ich hoffe ich konnte ein bisschen helfen :)