Hallo!
Du schreibst selbst, dass die Frage theoretisch ist. Und genau damit wäre m. E. eigentlich bereits eine treffende Antwort gegeben. Ich versuche die Frage dennoch argumentativ zu beantworten.
Das aktive Wahlrecht bei einer Papstwahl haben gemäß Art. 33 der AK Universi Dominici Gregis nur Kardinäle, die am Tag des Eintritts der Sedisvakanz das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. So weit, so gut. Das Kardinalat und das fristgemäße Nichterreichen des Maximalalters sind demnach rechtlich notwendige Voraussetzungen für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei einer Papstwahl. Andersherum gilt jedoch keineswegs, dass das aktive Wahlrecht bei einer Papstwahl eine notwendige Bedingung für das Kardinalat darstellen würde. Anders gesagt: Auch ein (deutlich) über 80-Jähriger kann den Kardinalat erhalten, behalten oder gar wiedererlangen. Deine Frage legt eine zu enge Verknüpfung zwischen dem Kardinalat im Allgemeinen und dem aktiven Wahlrecht bei einer Papstwahl im Besonderen nahe: Letzteres ist ein Privileg, das sich aus Ersterem ergibt, nicht jedoch Voraussetzung für dasselbe.
Wir können also auf Grundlage dessen, was ich bereits geschrieben habe, die Frage, ob ein Papst, der auf sein Amt verzichtet, wieder dem Kardinalskollegium zugerechnet wird, unabhängig von der Tatsache seines Alters und der damit verknüpften Rechtstellung der Kardinäle im Konklave betrachten.
Deine Fragestellung ist voraussetzungsreich: Du schreibst von einem Wiedererlangen des Kardinalats im Zusammenhang des von Dir konstruierten Falles. Damit setzt Du implizit eine wichtige Vorannahme: Insofern der Papst de facto seit langer Zeit stets aus dem Kreis seiner aktiven Wähler, den Kardinälen, gewählt wird, muss das Kardinalat des Erwählten bei erfolgter Wahlannahme (vgl. c. 332 §1 CIC) verlustig gehen, andernfalls würde sich die Frage nach einer Wiedererlangung nicht stellen. Es entspricht schließlich auch unserer Wahrnehmung, der gelebten Praxis und nicht zuletzt seiner verfassungsrechtlichen Stellung, dass der Papst eben nicht (mehr) Teil des Kardinalskollegiums ist.
Von daher ist Deine implizit gesetzte Vorannahme gut nachzuvollziehen. Sie ist jedoch kirchenrechtlich nicht ohne Umweg zu begründen, denn das katholische Kirchenrecht kennt keine positivrechtlichen Normen zum Verlust des Kardinalats. Möglicherweise hat der kirchliche Gesetzgeber darauf verzichtet, weil es sich beim Kardinalat lediglich um eine Würde handelt, nicht um ein Kirchenamt. Es gibt also keine Norm, aus der deutlich wird, unter welchen Voraussetzungen das Kardinalat verloren geht, wie etwa durch Wahl zum Papst. Ob eine solche Norm nötig wäre, bleibt m. E. fraglich. Denn, wie bereits erwähnt, liegt es mit Blick auf die jeweilige verfassungsrechtliche Stellung in der Natur der Sache selbst, dass Papst und Kardinalskollegium ein aufeinander bezogenes Gegenüber bilden, wie etwa c. 349 CIC nahelegt. Es wird von daher deutlich, dass ein Papst nicht (mehr) Teil des Kardinalskollegiums ist.
Auch wenn es keine positivrechtlichen Normen zum Verlust des Kardinalats gibt, ist doch klar geregelt, wie das Kardinalat erlangt wird:
"Der Papst wählt die Männer, die zu Kardinälen erhoben werden sollen, frei aus [...]." (c. 351 §1 CIC)
Und ergänzend:
"Die Kardinäle werden kreiert durch Dekret des Papstes, das vor dem Kardinalskollegium verkündet wird; von der Verkündigung an haben sie die im Gesetz umschriebenen Pflichten und Rechte." (c. 351 §2 CIC)
Das Kardinalat kann also nur auf Grundlage der freien Erwählung durch den Papst persönlich erlangt werden. Darüber hinaus kann ein in die Kardinalswürde Erhobener die mit dieser Würde verbundenen Rechte, wie etwa die Ausübung des aktiven Wahlrechts im Falle einer Papstwahl, gem. c. 351 §2 i. V. m. §3 nur dann ausüben, wenn er zum Kardinal kreiert wurde. Dies geschieht gem. §2 durch Verkündigung des entsprechenden päpstlichen Dekrets vor dem Kardinalskollegium.
Daraus folgt: Das Kardinalat kann nicht "einfach so" erlangt bzw. wiedererlangt werden. Ein Bischof, der auf das Papstamt verzichtet hat, könnte demnach höchstens von seinem Vorgänger wieder zum Kardinalat erwählt werden. Das wäre möglich, aber m. E. unwahrscheinlich weil wenig sinnvoll. Damit ist aber schon bereits der von Dir konstruierte Automatismus rechtlich ausgeschlossen, nachdem ein entsprechend junger, vom Papstamt Zurückgetretener wieder als aktiv wählender Kardinal in das Konklave zur Wahl des eigenen Nachfolgers einziehen könnte. Nein, das ist kirchenrechtlich nach geltender Rechtslage ausgeschlossen.
Dies war die m. E. eindeutige Antwort auf positivrechtlicher Grundlage. Es gilt darüber hinaus weiterhin:
"Die Gewohnheit ist die beste Auslegerin der Gesetze." (c. 27 CIC)
Natürlich: Benedikt XVI. war der seit fast 500 Jahren einzige Papst, der aus sein Amt verzichtet hat, so wie es in c. 332 §2 CIC vorgesehen ist. Damit ist es noch ein langer Weg hin zu einer Gewohnheit. Aber ich denke, die von Dir gestellte Frage, lässt sich bereits aus gewohnheitsrechtlicher Perspektive betrachten. Unabhängig von seinem Alter und der Frage nach einer Papstwahl: Haben nach Benedikts Amtsverzicht bis zu seinem Tod er selbst, sein Nachfolger, irgendein Kardinal oder sonst eine müde Maus im Vatikan den geringsten Anschein darüber erweckt, sie würden den emeritierten Pontifex auch nur auf der Ebene der Theorie wieder dem Kadinalskollegium zurechnen? Nein, das Gegenteil war der Fall. Die Frage stellt sich also gemäß dem eigenen Rechtsempfinden des höchsten kirchlichen Gesetzgebers überhaupt nicht. Es wäre zudem aus meiner Sicht überhaupt nicht sinnvoll oder redlich, wenn ein Papst, der auf sein Amt verzichtet hat, noch dermaßen aktiven Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nehmen könnte. Und die Erlangung eines neuen Kardinalates halte ich seiner Stellung als Emeritus nicht angemessen, zumal sie die Eingliederung in ein Verfassungsorgan, das Kardinalskollegium, bedeuten würde, das wiederum dem Papst organisch zugeordnet ist. M. E. ein Widerspruch in sich, der die Sache als solches der rechtlichen Vernunft nach, verbietet.
Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen!