“Warum haben so viele Menschen Angst, über ihre eigenen sexuellen Wünsche zu sprechen – obwohl fast jeder welche hat?”
SCHAM
Ich glaube, sehr viele sexuellen Dinge sind einfach durch Erziehung und Tradition schambesetzt. Das ist also keine Frage der Angst, sondern der Scham.
Das Gute ist, dass man Scham erheblich leichter ablegen kann als Angst.
ANGST
Sicherlich spielt auch Angst eine gewisse Rolle, nämlich zum Beispiel an Ansehen zu verlieren, auf Ablehnung zu stoßen oder gar dem anderen nicht mehr zu gefallen oder nicht mehr geliebt zu werden, weil man dieses oder jenes toll finden könnte.
Eine ganz besonders konkrete und relevante Form der Angst ist bestimmt, dem anderem sagen zu müssen, wenn etwas nicht so gut oder nicht so schön ist. Man hat Angst, der andere wäre dann tief enttäuscht, traurig oder würde gar die Lust am Liebesspiel verlieren. Man will seinem geliebten Partner ja nichts Schlechtes, aber das Aufklären über Dinge wie "jenes gefällt mir nicht / tut mir weh / stößt mich ab" ist eben sehr anfällig für Enttäuschungen und sogar psychologische Verletzungen beim Partner, gerade wenn man es schon länger so hingenommen hat und nun plötzlich offenbart, dass etwas nicht gut ist oder viel besser sein könnte.
Eine zweite sehr relevante Form ist, Angst zu haben, für einen bestimmten Wunsch als Person abgelehnt zu werden oder zumindest dass der Wunsch selbst abgelehnt wird und diese Ablehnung dann zukünftig zwischen einem steht. Diese Gefahr ist durchaus auch realistisch.
Insofern plädiere ich NICHT dafür, einfach platt zu sagen, "ihr müsst halt mehr miteinander reden". Gerade das reden über Sex ist kompliziert und risikobehaftet, gerade wenn einer von beiden nicht so gut kommunizieren kann oder schnell beleidigt, enttäuscht, verletzt ist.
Trotzdem wäre es natürlich vorteilhaft, wenn man über Sexualität offener und detaillierter sprechen könnte. Aber es will eben gelernt sein, mit Bedacht ausgeübt werden.