Auf den ersten Blick mag es wie Ausbeutung erscheinen, dass die Mitarbeiterinnen in Werkstätten für behinderte Menschen deutlich weniger verdienen als in regulären Betrieben, doch es gibt nachvollziehbare Gründe für diese Regelung.
1. Betreuungskosten
- Ein großer Teil der Kosten in WfbM fließt in die Betreuung, Unterstützung und Förderung der Mitarbeiterinnen.
- Ziel ist weniger eine reine Arbeitsleistung, sondern die individuelle Entwicklung und Teilhabe am Arbeitsleben.
- Die Betreuung erfordert einen hohen Personalschlüssel und spezielle Fachkräfte, was die Kosten deutlich erhöht.
2. Fehlende Wirtschaftlichkeit
- WfbM agieren oft nicht wie reguläre Unternehmen, die wirtschaftlich unabhängig arbeiten.
- Viele Werkstätten haben nicht ausreichend lukrative Aufträge, um marktübliche Gehälter auszuzahlen.
- Die Erlöse aus Aufträgen decken oft nur einen kleinen Teil der Kosten, der Rest wird durch staatliche Zuschüsse finanziert.
3. Lohnzusammensetzung
- Die Vergütung der Mitarbeiterinnen in WfbM setzt sich aus einem Grundbetrag, einem Arbeitsförderungsgeld und einer individuellen Prämie zusammen.
- Diese Vergütung basiert auf den Einnahmen der WfbM durch die Aufträge und ist daher variabel.
- Der Mindestlohn würde die finanzielle Struktur der WfbM sprengen, da die Einnahmen oft zu gering sind.
4. Vielfältige Angebote statt reiner Arbeit
- WfbM bieten mehr als nur Arbeitsplätze. Sie haben oft ein umfangreiches Angebot an Freizeit- und Bildungsaktivitäten wie Chor, Kreativwerkstätten oder Sport.
- Diese Angebote sind wichtig für die soziale und kulturelle Teilhabe, beinhalten aber keine klassische Arbeitsleistung.
- Während solcher Aktivitäten wird keine produktive Arbeit im wirtschaftlichen Sinne verrichtet, was ebenfalls in die Kalkulation einfließt.
5. Rehabilitativer Charakter
- WfbM sind keine rein produktiven Betriebe, sondern dienen der beruflichen Rehabilitation und Förderung.
- Der Fokus liegt auf der individuellen Entwicklung der Menschen, nicht auf der Maximierung der Produktion oder Gewinne.
- Der rehabilitative Ansatz macht sie zu einer Sonderform des Arbeitsmarktes, auf die die Mindestlohnregelungen nicht direkt angewendet werden.
6. Übergangslösung zum 1. Arbeitsmarkt
- Ursprünglich sollen WfbM als Übergangslösung dienen, um Mitarbeiterinnen auf den 1. Arbeitsmarkt vorzubereiten.
- Ziel ist es, durch individuelle Förderung Fähigkeiten zu entwickeln, die eine Integration in reguläre Arbeitsverhältnisse ermöglichen.
- Leider bleibt dies für viele jedoch eine Wunschvorstellung, da die Hürden für den Wechsel in den 1. Arbeitsmarkt oft zu hoch sind, sodass WfbM in der Realität häufig zu einer Dauerlösung werden.
7. Staatliche Zuschüsse und Finanzierung
- Die Finanzierung der WfbM erfolgt durch eine Mischkalkulation aus staatlichen Mitteln, Beiträgen der Renten- und Pflegeversicherung sowie den Einnahmen aus Aufträgen.
- Ein gesetzlicher Mindestlohn würde entweder eine massive Erhöhung der staatlichen Zuschüsse oder eine drastische Reduktion der Plätze in WfbM erfordern.
Am Ende bleibt es jedem selbst überlassen, ob eine WfbM der richtige Weg ist. Wer sich dort nicht wohlfühlt, kann sich auch nach Alternativen umsehen, wie Minijobs auf dem 1. Arbeitsmarkt oder – wenn dies besser zur eigenen Situation passt – die Entscheidung für Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen. Wichtig ist, dass jede und jeder für sich den individuell besten Weg findet.