Hi,
Deine Frage hat ein paar entscheidende Punkte angesprochen, daher beschränke ich mich darauf, Deine Gedanken nur zu vertiefen.
1. ich glaube an die Zweite Welle, gerade mit den Schulöffnungen im Juni: da gibt es nicht viel zu glauben. Die Ansteckung erfolgt viel zu einfach, um bei Öffnungen keine zweite Welle zu verursachen. Allerdings haben die bisherigen Maßnahmen bewirkt, dass Menschen zumindest ein bisschen hygienischer geworden sind und von anderen etwas Abstand halten. Dass man in Läden Masken trägt, hilft ebenfalls, die einfachsten Infektionsquellen etwas einzudämmen. Hätte es keinen Lockdown gegeben, hätte es wohl kaum so schnell eine Verhaltensanpassung gegeben. Daher egal wie es mit einer Zweiten Welle weitergeht: der Lerneffekt war da, die Maßnahmen daher gut.
2. die Maßnahmen waren undemokratisch und unnötig. Undemokratisch, würde ich so nicht sagen. Die Regierung wurde vom Volk bestimmt und die Seuchenschutzmaßnahmen gelten als Ausnahmeregeln. Unnötig: siehe Lerneffekt.
3. im Nachhinein wissen sie es besser: die Sache nennt sich "Rückschaufehler" bzw. "Hindsight Bias".
Ich weiß nicht, ob Du South Park guckst. Dort gibt es Captain Hindsight, der Menschen nach einem Unglück immer erklärt, was sie falsch gemacht haben. Die Unglücklichen sind ihm dafür immer dankbar und sagen "Danke, Captain Hindsight."
Die gesamte Presse hat zwei Vorteile, ebenso wie die Oppositionsparteien: sie müssen nichts selber tun, sondern nur das Handeln anderer bewerten. Wenn man Dinge vom Ergebnis aus betrachtet ist das einfach. Du musst Dir da einen Baum vorstellen, bei dem man sich vom oberen Ast nach unten denkt - als Ergebnis wird man immer die Ursache finden. Das heißt: wer Dinge aus der Rückschau kritisiert, kennt das Endergebnis und kann sich fragen, was alles besser funktioniert hätte. Und irgendwas hätte immer besser gemacht werden. Regierungspolitik ist nämlich so zielgenau als ob man einen Kühlschrank wirft: Trifft man damit so ungefähr, ist das bereits sehr gut.
Wer dagegen an der Macht sitzt und Entscheidungen treffen muss, betrachtet den Baum von unten nach oben: er sitzt unten am Stamm und starrt hoch zu den Ästen, d.h. es gibt aus seiner Perspektive ganz viele Möglichkeiten wie sich die Sache entwickelt. Das nennt man "Entscheidungen unter Unsicherheit treffen" bzw. "Decision making under uncertainty".
Wer nichts entscheiden muss, hat nichts zu verantworten, und ohne am Spiel teilzunehmen, kann man sehr gut kritisieren - das stellt man jede Woche im Fussballstadion fest.
Und, 4., hätte die Regierung nichts gemacht und es hätte Abertausend tote Österreicher gegeben, hätte man gesagt, dass dem Kurz Kapital wichtiger als Menschen ist. Und das hätte die Regierung zu Fall gebracht.
Ich hoffe, ich konnte alles verständlich machen. Wie gesagt: Deine Gedanken sind gut.
Mit Gruß von The Tenth Man aus Omeath
Leo