Kommt aufs Dorf an. Als Kind haben in meinem Dorf nur sehr wenige Kinder gelebt, die meisten Leute waren sehr alt. Das war bis zum 12. oder 13. Lebensjahr okay, wir hatten unsere Gruppe, konnten in der Natur spielen und unsere Eltern mussten sich keine Sorgen machen, dass uns was passiert. In einer Stadt hätten sie sich sicher mehr Sorgen gemacht. Da wären wir nicht so frei gewesen. Aber wenn man dann älter wird, kann es auch langweilig werden. Wir hatten viel Spaß auf den Feldern oder im Wald, aber irgendwann will man halt auch mal ins Kino oder spontan einkaufen gehen und spontan ist auf dem Land so ne Sache. Zwar fahren in meinem Dorf alle zwei Stunden zwei Busse (einer in die eine (Klein-)Stadt, einer in die andere), aber die sind nicht zuverlässig. Wenn es etwas stärker regnet, schneit oder ein Busfahrer krank ist, fahren die Busse halt nicht und wir gehören auch zu den gut angebundenen Orten in der Region. Freunde von mir wohnen in Dörfern, da fahren zwei Busse: einer morgens hin zur Schule, einer um 13 Uhr zurück. Wenn man nachmittags in eine Stadt will oder Nachmittagsunterricht hat, hat man ein Problem. Ich hatte (und habe) das Glück, dass mich meine Eltern meistens abholen oder fahren konnten und es auch wirklich gemacht haben. Wenn die Eltern das nicht machen und man zu jung zum Führerschein machen und Moped, Motorrad oder Autofahren ist oder kein Geld dafür hat, hat aber echt ein Problem. Das kann auch zum Ausschluss in der Schule führen, wenn man sich danach nicht mit Schulfreunden treffen kann, nicht ins Kino oder zu einem Verein gehen kann.
Als Kind war es wirklich nicht so schwer im Dorf Freunde zu finden: es gab so um die zehn Minderjährige, also Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 18. In meinem Alter gab es zwei Jungs, mit einem von denen war ich auch befreundet. Aber klar, gerade wenn man so im Grundschulalter ist, sind Jungs für Mädchen zeitweise und doof und andersherum genauso. Deshalb hatten dann eben wir Mädchen auch unsere "Clique". Wir waren jahrelang zu zweit, irgendwann ist ein drittes Mädchen ins Dorf gezogen, mit der waren wir dann auch befreundet. Aber unser Altersunterschied betrug vier Jahre und wenn man dann älter wird, ist das irgendwann zu viel. Und wenn man auf dem Land wohnt, für jeden Besuch im Nachbarort mit dem Auto fahren müsste und niemand im gleichen Alter ist, ist das blöd. Dieses romantisierte "jeder kennt jeden" heißt eben nicht immer Freundschaft. Und kann übrigens auch übel werden. Wenn man nämlich mit jemandem Streit hat, dem aber schlecht aus dem Weg gehen kann, weil das Dorf so klein ist, dass man sich gezwungenermaßen immer sieht, ist das unangenehm. Man versteht sich halt nie mit allen. Wahrscheinlich nicht mal im Dorf mit der perfekten Dorfgemeinschaft.
Landleben ist toll, gerade für Kinder, wenn Gleichaltrige da sind, der ÖPNV nicht zu katastrophal ist und im Dorf auch mal was los ist. In den letzten Jahren sind in unser Dorf viele junge Familien gezogen. Seitdem ist mehr los, aber die bleiben auch teilweise unter sich, was dann wieder für Unmut sorgt. Absolute Idylle ist es nicht. Aber naturnah schon, meiner Erfahrung nach und ich denke, in Städten vereinsamt man eher. Und unterschätze nicht den Lärm, den der Nachbar sonntags gegen sieben Uhr morgens macht, indem er Holz hackt, Ruhe ist immer relativ! Oder die großen Traktoren, die auch Leute haben, die keine Landwirte sind (bei uns gibt es sehr viele, bei meinen Verwandten im Dorf noch mehr), die die Straßen dreckig machen und blockieren. Und selbst in vergleichsweise gut angebundenen Dörfern musst du ein Auto haben. Du hast de facto keine Wahl. Wer körperlich und geistig gesehen Auto fahren darf und kann, muss es eigentlich tun. Ich hab es ohne versucht (fahre nicht gerne Auto) und es funktioniert einfach nicht. Spätestens im Winter bist du ohne Auto aufgeschmissen.