Er hat mich erschüttert.
Allerdings, extrem schockiert war ich nicht.
An sehr vielen Schulen in Österreich gibt es Mobbing und an keiner oder fast keiner wird irgendetwas dagegen unternommen. Lehrer schauen weg, oder, noch schlimmer, geben den Opfern die Schuld.
Somit dachte ich mir, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Amokläufe auch in Österreich passieren.
Allerdings war Mobbing nach dem aktuellen Wissensstand vermutlich nicht der Auslöser für diesen Amoklauf.
Er hat die 6. Klasse (in Deutschland: 10. Klasse) dreimal gemacht und dann die Schule verlassen - vermutlich zwangsweise, denn, wenn ich korrekt informiert bin, darf man eine Klasse nur zweimal wiederholen und wenn man auch beim dritten Anlauf nicht aufsteigen kann, fliegt man von der Schule.
Er war vorher an einer anderen Schule, besuchte das Gymnasium dann also wohl nur ab der 5. Klasse (in Deutschland: 9. Klasse). Somit war er zwei Jahre in derselben Klasse und bei den zwei Wiederholungsjahren jeweils in einer anderen.
Mobbing erscheint mir da nicht ganz schlüssig, denn, wenn er ab der 5. Klasse gemobbt wurde, wären das theoretisch "nur" zwei Jahre gewesen. Ja, auch zwei Jahre Mobbing sind zu viel. Ich denke aber nicht, dass jemand wegen zwei Jahren einen Amoklauf vollzieht.
Natürlich ist es theoretisch möglich, dass sich das Mobbing auf alle vier Jahre zog, die er in dieser Schule verbrachte. Es ist nicht unüblich, dass von alten Klassen aus die neue Klasse gegen einen vormals betroffenen aufgehetzt wird. Ich würde allerdings sagen, es ist nicht die wahrscheinlichste Version.
Es geschahen ja zwei Klassenwechsel in dieser Zeitspanne, durch das Wiederholen und es gibt auch laut den öffentlichen Informationen über den jetzigen Ermittlungsstand keine verlässlichen Hinweise auf Mobbing.
Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er kein Motiv genannt hat. Er hat seiner Mutter aber auch ein Abschiedsvideo geschickt, dort habe er vom Nicht-Bestehen der 6. Klasse gesprochen, weshalb das als Rachegrund diskutiert wird.
Er habe die Schule dafür verantwortlich gemacht, wurde gesagt.
Ich finde das auch schlüssig, denn ein Schuljahr endgültig nicht zu bestehen kann schon als eine große Erniedrigung empfunden werden. Alleine einmal sitzen zu bleiben, kann als sehr erniedrigend empfunden werden. Wie muss es sich anfühlen, endgültig versagt zu haben und die Schule verlassen zu müssen?
Wenn dann auch noch die unfaire Benotung eines/mehrerer Lehrer/s eine Rolle spielte, ist es sehr gut nachvollziehbar, dass dann Hass entsteht.
Vielleicht entstand auch ein Ohnmachtsgefühl und das Versagen war vermutlich auch nicht gut mit seiner Identität vereinbar.
Jedenfalls, er machte dann eine kaufmännische Ausbildung, die er auch abschloss, verlor aber dann seinen Arbeitsplatz. Er schrieb Bewerbungen, wurde aber nirgends genommen.
Durch das Scheitern in der Schule damals wurde ihm die Matura (in Deutschland: das Abitur) verwehrt. Die Tatsache, dass er jetzt auch noch arbeitslos war, hat vermutlich das seine dazu beigetragen, dass alter Hass wieder hochkam.
Vielleicht dachte er sich, dass mit Matura alles besser gelaufen wäre und er jetzt nicht arbeits- und perspektivenlos dagesessen wäre - und sah die Schuld bei der Schule.
Diese Informationen habe ich aus Interviews mit Reportern und anderen Personen vor Ort, die ich im Fernsehen und auf YouTube gesehen habe. Persönlich kannte ich sowohl ihn als auch die Schule nicht.
Was ich noch ergänzen will:
Auch wenn diesem Amoklauf wahrscheinlich kein Mobbing zugrunde lag, ist das kein Grund, Mobbing weiter zu bagatellisieren und zu glauben, man selbst (falls man sich an Mobbing beteiligt) oder Schulen könnte/n weiter machen wie bisher.
Mobbing ist ein sehr großes Problem und hat schon zu Amokläufen geführt. Abgesehen davon geschehen immer wieder Suizide aufgrund von Mobbing und alleine das sollte Grund genug sein, jetzt endlich zu handeln (Schulen, Politik) oder/und sein eigenes Handeln zu hinterfragen (Mobber, Zuschauer).
Es kann nicht sein, dass erst ein Blutbad angerichtet werden muss, bis endlich einmal etwas passiert - und oft passiert auch nicht einmal dann etwas.
Was ist mit den ganzen Suiziden? Das sind auch Kinder, die viel zu früh aus dem Leben scheiden, weil Schulen nichts tun! Was ist mit all den Depressiven und Traumatisierten? Mit den Leuten, denen aufgrund von Mobbing die Schullaufbahn versaut wurde? Die deren Leistungen abstürzten?
Was ist mit denen?
Keiner schaut hin, keinen interessiert es.
Tatsache ist, ein Schüler alleine (meistens wird die Verantwortung auf das Opfer abgeladen), kann dieses Problem nicht lösen.
Die Gesellschaft ist gefragt, vor allem die involvierten Institutionen.
Meine Antwort wurde mit dem Kenntnisstand vom 13.06.2025 verfasst. Somit sei dir bewusst, dass sich, vor allem bezüglich der Motivlage, noch Informationen ändern können (oder wenn du sie später liest: sie sich schon geändert haben).