In deiner Frage gehst du schon davon aus, dass „keine Libido vorhanden“ ist und das entweder auf „einen gestörten Hormonhaushalt (…) oder schlechte Erfahrungen“ hinweist. Dabei ist allerdings die grundlegende Annahme einer fehlenden Libido nicht korrekt. Ich persönlich (Aroace) kann durchaus sexuelles Verlangen empfinden, nur wird es eben nicht durch eine andere Person ausgelöst und ich habe auch keinen Geschlechtsverkehr. Das heißt nicht, dass ich mich nicht selbst befriedige.

Genau wie Homo- und Bisexualität (oder Heterosexualität) wird sich auch diese Orientierung nicht ausgesucht. Und Asexualität ist auch nicht die Abwesenheit einer sexuellen Orientierung, sondern sie ist die sexuelle Orientierung.

Asexualität bedeutet eine geringere oder nicht vorhandene sexuelle Anziehung. Nicht die Abwesenheit einer sexuellen Orientierung und auch nicht unbedingt eine fehlende Libido, auch wenn ich in diesem Fall vielleicht nicht für die Allgemeinheit sondern nur für meinen persönlichen Fall sprechen kann.

Tatsächlich würde ich argumentieren, dass jemand, der ausschließlich aufgrund vergangener Erfahrungen oder eines Hormonungleichgewichts keine Libido hat, nicht asexuell im eigentlichen Sinne ist.

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Hey,

keine Ahnung, ob das Thema noch aktuell ist, aber ich hoffe es. Repräsentation ist so wichtig!

Ich persönlich bin aroace, aber ich wusste ganz lange nicht, dass es das überhaupt gibt.

Für mich war - vor allem Liebe - immer so etwas, das halt kommt, wenn man älter ist. Und als ich zwölf oder so war und mir da noch quasi keine Gedanken drüber gemacht habe, außer wenn eine Freundin ankam und meinte, sie wäre verliebt, haben auch alle immer bestätigt, dass es normal ist. Manche verlieben sich früher, manche später.

Irgendwann - so mit sechzehn - lief ich mit ein paar Freundinnen in der Schule herum und wir kamen irgendwie auf das Thema „Verliebtsein“ und mit welchem Jungen aus unserer Klasse wir uns am ehesten zusammenkommen würden. Ich weiß noch, dass ich gesagt habe, dass ich es mir bei keinem vorstellen könnte, aber die anderen meinten nur, die Jungs in unserer Klasse wären sowieso alle zu kindisch. Und dann haben sie mich gefragt, ob ich denn schon mal einen Freund hatte - was ich wahrheitsgemäß mit „Nein“ beantwortet habe. Und alle haben mich komisch angeschaut. „Noch nie?“, kam dann. Und „Aber du warst doch schon mal verliebt?!“

War ich nicht. Und ich war mindestens genauso verblüfft darüber, dass die alle schon mal verliebt waren, wie sie verblüfft waren, dass ich noch nie verliebt war.

Aber insgesamt war es kein großes Thema und ich habe es wieder beiseite geschoben und mich interessanterem zugewendet.

Die Zweifel kamen dann so mit siebzehn. Ich habe mich gefragt, warum ich mich nicht verliebe, ob ich mich jemals verlieben werde und ob an mir etwas kaputt ist. Ich habe in Betracht gezogen, dass ich Bindungsängste habe oder wer weiß was noch. Ich war einfach so verwirrt, weil ich diese Gefühle nicht hatte und richtig eingeholt hat es mich eben mit siebzehn - als mein damals vierzehnjähriger Bruder seine eigene erste Beziehung hatte und mir klar wurde, dass das Thema vielleicht doch eigentlich inzwischen für mich relevant sein sollte.

Es hat dann noch einige Monate gedauert, bis ich bei meinen verzweifelten Internetrecherchen auf den Begriff Aromantik gestoßen bin und dachte "Hey, das passt irgendwie!". In der Zwischenzeit habe ich gedacht, dass ich vielleicht homosexuell wäre, aber nein, das bin ich auch nicht.

Insgesamt, bis ich mit fast achtzehn dann diese Begriffe - Aromantik und Asexualität - gefunden hatte, schwankte ich zwischen Gleichgültigkeit und Selbstzweifeln. Und selbst danach habe ich noch damit gekämpft mich als aroace zu identifizieren. Weil, wer weiß, vielleicht verliebe ich mich ja noch. Vielleicht haben alle Recht und ich bin einfach ein Spätzünder. Und woher weiß ich überhaupt, dass ich noch nie verliebt war und es einfach nicht als solches erkannt habe?

Letzteres ist eine Frage, die mich tatsächlich immer noch beschäftigt. Wie fühlt sich Verliebtsein an? Ich bin total neugierig und gleichzeitig halte ich die Beschreibungen immer für total übertrieben und unglaubwürdig.

Keine Ahnung. Worauf ich mit dieser langen Nachricht hinauswill ist folgendes: Für mich hat es sich ewig lang gar nicht relevant angefühlt - das ganze Thema rund um Romantik und Sex gehörte für mich in Bücher und Filme, nicht ins reale Leben. Bis man ihm eben nicht mehr ausweichen konnte.

Ich denke, es wäre einfacher gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass Aromantik und Asexualität existieren, bevor ich mich im Grunde schon halb mit dem Konzept auseinandergesetzt und nach dem Fehler an mir gesucht hätte. Wenn ich von Anfang an gewusst hätte, dass es eben kein Fehler ist.

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