Im Sommerinterview wird's hitzig
Friedrich Merz sorgt für Aufregung um die Brandmauer

Immer wieder fällt der Vorsitzende der CDU durch individuell interpretierbare Aussagen auf - dieses mal erregte er Aufsehen wegen einer AfD-Äußerung

gutefrage-Redaktion
20.7.2023

Das politische Geschehen in Deutschland verändert sich. In der CDU gilt ein Kooperationsverbot mit der Linken und der AfD. Doch letztere gewinnt zunehmend an Wählerstimmen. Nun äußerte sich auch Friedrich Merz zum Wahlsieg zweier AfD-Politiker - und erntete dafür prompt massive Kritik.

Darum ging es in der Aussage

Gleich zweimal innerhalb kürzester Zeit konnte die vermeintliche Protestpartei der AfD nun Wahlen für sich gewinnen. Das erste mal in Sonneberg (Thüringen), das zweite mal in Sachsen-Anhalt.

Darauf spielte Friedrich Merz mitunter an, als er im ZDF-Sommerinterview für einen pragmatischen Umgang mit der AfD in Kommunen plädierte. Eine Zusammenarbeit auf Landes- und Bundesebene hat er zwar weiterhin ausgeschlossen - doch bezüglich des Umgangs auf Kommunalebene äußerte er sich anders:

Sofern dort ein Mitglied der AfD gewinne, sei es selbstverständlich, nach Wegen und Lösungen zu suchen, um eine gemeinsame Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Scharfe Kritik aus den eigenen Reihen und von der Ampel

Andere Mitglieder der CDU reagierten auf die Äußerung bezüglich der Zusammenarbeit auf Kommunalebene mit Empörung und teilten eindeutige Statements auf Twitter (x).

Kai Wegner beispielsweise ist der Bürgermeister von Berlin. Er bekannte sich klar dazu, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch auszuschließen. Auch Yvonne Magwas, die Vizepräsidentin des Bundestags, distanzierte sich von Merz' Aussage. Für Boris Rhein, Ministerpräsident von Hessen, steht die sogenannte Brandmauer felsenfest und wird nicht weichen.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen unterstrich das existierende Kooperationsverbot mit der AfD und dass für eine Änderung in der Partei eine Mehrheit von Nöten sei.
Auch von der Schwesterpartei gab es scharfe Kritik. CSU-Chef Markus Söder erklärte, dass auch die bayerische Partei eine Zusammenarbeit nicht in Erwägung zieht, unabhängig von der politischen Ebene.

Die Ampel reihte sich in die Reihe der Kritiker ein - so sprach Kevin Kühnert (SPD-Generalsekretär) von einem "Tabubruch" und thematisierte einen von Merz gewollten Kurswechsel der CDU.
Für Riccarda Lang von den Grünen handelt es sich bei dieser Aussage um einen Abbau der Brandmauer. Sorge um diese äußerte auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Einzig der Generalsekretär der CDU, Linnemann, verteidigte Merz und argumentierte, dass Merz keinesfalls eine Zusammenarbeit wolle, lediglich auf eine schwierige Umsetzung hinweisen wollte.

Bereits kurz vor der umstrittenen Aussage im Sommerinterview sorgte Merz für Diskussionsstoff - die CDU, so sagte er, sollte eine "Alternative für Deutschland mit Substanz" werden.

Auch die gutefrage-Community hat eine überwiegende Meinung zu dem Vorfall

Uns hat interessiert, wie die Nutzer von gutefrage zu Merz Äußerungen stehen. Schon im Vorfeld lässt sich sagen, dass es eine überwiegende Meinung gab.

Diese teilte unter anderem der Nutzer guitarbassman:

Ich halte Merz für untragbar. Der ist inzwischen kein ernst zu nehmender Politiker mehr, ein Populist von Kopf bis Fuß der schon längst den oft volksverhetzenden und diskriminierenden Ton der AfD verinnerlicht hat. Merz ist auf dem besten Weg, die CDU vollends gegen die Wand zu fahren. Er versucht die CDU näher an die AfD zu bringen in der Hoffnung, dadurch wieder Stimmen und Verantwortung erlangen zu können, doch welche Nische fühlt die CDU damit aus? Die CDU sitzt gerade am perfekten Ort: eine demokratische konservative Partei. Damit hat sie der AfD vieles voraus, denn die AfD ist aus einem demokratischen Standpunkt heraus definitiv ein Grenzfall. Die CDU zur AfD zu machen bedeutet letztlich die CDU noch bedeutungsloser zu machen. Dass 20% der Bevölkerung aus Protest eine tendenziell antidemokratische Partei wählen ist natürlich schockierend, aber das ist aktuell eben eine Tatsache. Die wichtigere Frage für die CDU wäre, wie sie die enttäuschten Menschen wieder abholen kann. Die CDU müsste in starke Konkurrenz zur AfD treten anstatt über Koalitionen nachzudenken. Das kann mit einem Friedrich Merz aber nicht geschehen, denn der steht schon längst der AfD näher als der CDU.

Die Brandmauer muss halten und eigentlich durch eine zusätzliche Brandmauer gegen Merz ergänzt werden. Leider ist das nicht so einfach, da die CDU selbst ja massiv zerstritten ist. Mit solch einem Verhalten ist die CDU aber auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen. Dann gibt es keine rechts-mitte Partei mehr, dann gibt es SPD, Grüne, Linke im linken Spektrum, die FDP, die versucht um die Mitte herum zu tanzen und eine rechtsaußen Partei. Wer weiß, vielleicht nutzt eine bisher unbekannte oder noch nicht gegründete Partei diese Nische dann aus?

Sterntaler972 hat eine andere Ansicht:

Ich mag Merz zwar nicht, aber in diesem Fall hat wohl doch mal die Vernunft gesiegt. Ein pragmatischer, der Situation angepasster Vorschlag [mehr ist es ja noch nicht, solange seine Parteigenossen revoltieren].

Dass er eine Zusammenarbeit auf Landesebene zwar weiterhin ausschließt, ist zwar albern, war aber wohl eine Anmerkung, welche ihn davor bewahren sollte, sofort gelyncht zu werden. 🙂

Das ganze Herumgezicke in Sachen "Koalitionsverbot" war und ist ohnehin zutiefst lächerlich; und zwar einerseits, weil überhaupt ein solches ausgesprochen wurde, wenn man doch der Meinung war, dass diese Partei sowieso nie an Boden gewinnen würde und andererseits - sollten sich die positiven Umfragewerte auch in der Wahl 2025 niederschlagen - sich dann sowieso gezwungen sehen wird, mit der AfD zu koalieren.

Bis jetzt ist Merz noch nirgendwohin gegangen; schon gar nicht "zu weit". Er hat lediglich signalisiert, dass er, Merz, auf jeden Fall im Spiel bleiben wolle, no matter, what. Dass er ein Opportunist ist, dürfte doch nichts Neues sein

Das zeigt sich jetzt auch wieder darin, dass er nun seine Aussage sofort wieder relativiert; ist ihm doch wohl bewusst geworden, dass das Gebot der Stunde für ihn darin besteht, erst einmal Parteivorsitzender der CDU in zu bleiben, bevor er Entscheidungen treffen kann, wer mit wem koaliert.

Ein Sturm im Wasserglas, das Ganze.

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