ich brauch eine gedichtsanalyse über das lied "berlin" von ideal...kann mir vlt. jemand helfen?

1 Antwort

Naja, so schwer wird es ja wohl nicht sein! Zunächst einmal fällt der hymnische Charakter dieses Gedichtes, bzw. Liedes auf! Das Lied ist auch eine besondere "Liebeserklärung" des Sängers an "seine" stadt (er freut sich, endlich wieder da zu sein). Er beschreibt typische Elemente/ Charakteristika von Berlin. Das macht er nicht wie ein Reiseprospekt, sondern aus seiner eigenen (Erlebnis-) Sicht; er beschreibt Berlin REALISTISCH, wie es halt ist, vor allem wie er es selber kennt! Er beschönigt nichts, idealisiert auch nichts, sondern hebt auch durchaus negative, typische Berlin- Eigenschaften hervor: er geht "vorbei am Alkohol"; wobei er natürlich die vielen Penner in dieser Gegend, die hier überall ihre Hinterlassenschaften (Schnapsflaschen, usw.) meint! Oder er trifft einen "Junkie im Tran" (meint etwa: verpennt, "In Wolken", kraftlos, unkonzentriert). Das sind ja negative Erscheinungen/ ERfahrungen. Dennoch wiederholt sich im Refrain immer wieder: "Ich steh auf (mein) Berlin!". Hierbei fällt auf, dass überhaupt eher wenig "Wünschenswerte" Dinge im Lied zur Charakterisierung von Berlin genannt werden; hier werden kaum besonders "schöne, reiche, monumentale Dinge" beschrieben. Dennoch scheint der Sänger es so schön zu finden, wie es ist. Er kennt es so, "ungeschminkt", ehrlich, direkt; er ist es so gewohnt. Es scheint, dass diese negativen Erscheiungen seinem Berlin erst den Charakter geben, die es für ihn unverkennbar machen, die es ihm zur Heimat gemacht haben. Ich denke: der Mensch hängt ja an alten Erfahrungen, an Heimat, dem Ort, wo er viele und wichtige Erfahrungen gemacht hat. Und deshalb identifiziert sich der Sänger halt auch mit diesen scheinbar negativen Dingen, die für ihn zu seinem Berlin dazugehören. Er will gar nicht, dass diese Zustände "beseitigt" werden. Es ist seine ganz persönliche Anschauung, seine ganz persönliche Meinung, aufgrund seiner ganz persönlichen Erfahrungen; auch wenn der Hörer das nicht nachempfinden kann. (immerhin mag der Sänger damit aber auch viele ähnlich gesinnte Menschen ansprechen, die ebenfalls eine ähnliche Sicht von Berlin haben wie er, und gibt ihnen so eine "Stimme").

Eine Message des Liedes ist also auch: man kann auch objektiv "unschöne" Zustände in einem bestimmten (persönlichen) Empfinden "schön" finden. Das gilt ja auch für andere "unschöne" Dinge im Leben: vielleicht die alten Verwandten (zu denen man trotzdem eine enge und gute Beziehung hat), das alte Elternhaus, das schmutzige Tanzlokal, in der man seine erste Liebe kennengelernt hat, usw. Vor allem ist hier der Begriff "Heimat" wichtig! Die Umgebung, in der man aufgewachsen ist, viele (gute) Erfahrungen gemacht hat, die möchte man in zunehmendem Alter so belassen, unverändert, wissen.

Natürlich spiegelt das Lied eine sehr subjektive Sichtweise wider. Viele werden es nicht nachempfinden können. VOr allem diejenigen, die eine "ordentliche" Welt mögen, und in einer solchen aufgewachsen sind. VIele mögen sich von solchen hier geschilderten "Berliner Zuständen" eher abgestoßen fühlen. Manche mögen gar keine Existenzberechtigung für das Beschreiben solcher Zustände finden. Andere wiederum aber mögen die "zu sehr geordnete, sterile, saubere Welt" nicht so sehr, oder können sich damit nicht identifizieren. Warum?

Das "Tourismus- Berlin" (aus der Hochglanzbroschüre) kritisiert der Sänger wiederum ("Kurfürstendamm"), und macht sich dabei lustig über den billigen Nippes und Kitsch, der den Touristen an den Straßen überteuert angeboten wird. Den Sänger hingegen als echten Bewohner dieser Stadt interessieren die typischen Touristen- Ziele der Stadt nicht, sondern für ihn ist Berlin ein Lebensort, so wie es ist und er es kennt.

Da Berlin ja nach der Wende einen schnellen Wandel erlebt hat, mit viel Abriss der alten Strukturen, ist das Lied wohl auch als Kritik am "NEuen Berlin" zu verstehen, das mehr und mehr die alten Viertel und Zustände verdrängt, immer teurer wird, zum Teil die alten Bewohner aus der Stadt sogar verdrängt.

Auffallen tut bei dem Lied so oft der Charakter der "umstrittenen Aussage": bewusst wählt der Sänger Zustände aus, die man normalerweise nicht mag (Junkies, Penner, Ausländer, Türken, fremde Religionen, altes Parteihaus), die er aber in einem positiven Licht bringt, wobei man im Prinzip diese Dinge noch nicht einmal besonders "schön reden" kann, und die Absicht des Sängers erst durch den Refrain eindeutig wird.

Der Sänger singt aus der Sicht des einfachen Mannes aus Berlin; das hat z.T. "Underground- Charakter", z.B. wenn er durch seine Schilderung des "Schwarz fahrens" Sympathie für solche Leuten (meist Jugendliche) aufbringt.
Andererseits besingt der Sänger am Ende des Liedes das berühmte Berliner Nachtleben, in dem er sich offenbar wohl fühlt.

Der Rhythmus wird auch durch den reimenden Charakter der zeilen betont; der Text geht dadurch besser "in die Ohren". Die Reime verstärken auch den HUMOR des Liedes. Denn das Lied will ja nicht belehren, sondern ist humorvoll.

Keyboardfan  05.05.2013, 18:26

Viele Lieder (anderer Künstler) behandeln ähnliche Zustände (von Städten) in ähnlicher Weise, mit ähnlichen Stilmitteln, positiv, z.B. Herbert Grönemeyers Song "Bochum", u.A.

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