Findet ihr den Text bis jetzt für ein Buch gut?
„Und Zoe?“, fragt Frau Samuleski mitten im Unterricht. „Warum ist denn jetzt die Königin Nelotio nach Berlin gezogen?“
„Äh, ja, das … äh, ich glaube, weil sie sich dort verliebt hat“, stottere ich, als sie mich mitten aus meinen Gedanken zurück in den Geschichtsunterricht holt.
„Zoe, das ist doch völliger Quatsch!“, sagt sie genervt und sieht mich enttäuscht an. „Auf welchem Planeten lebst du denn gerade?“
Dann wendet sie sich endlich wieder der Klasse zu.
Immer nimmt sie mich dran, wenn ich gerade ganz woanders bin. Okay, in letzter Zeit passiert das echt oft, aber sie weiß doch ganz genau, dass ich keine Ahnung habe, worüber sie da seit 90 Minuten redet.
Und dann immer diese völlig überflüssigen Fragen – nur damit man sich hinterher mies fühlt.
Muss ich das wirklich verstehen? Naja, so wie es aussieht, bin ich nicht die Einzige, die Frau Samuleski nicht wirklich folgen kann. Auch meine Freundin Lenja starrt konzentriert auf die Uhr über der Tafel und verfolgt jedes Ticken des Sekundenzeigers.
Oh Mann, ich mache tausend Kreuze, wenn die Stunde endlich vorbei ist.
Yes! Nach gefühlt endlosen zwanzig Minuten springt der Zeiger endlich auf die Zwölf. Lenja und ich schießen förmlich von unseren Stühlen – aber natürlich kann es sich Frau Samuleski nicht verkneifen, uns noch schnell eine Ladung Hausaufgaben aufzubrummen.
„Also bitte noch die Nummern 2, 3, 6 – und wenn ihr mögt, die 9 als Übung für die anstehende Klausur.“
Na toll. Die Klausur hatte ich ja komplett verdrängt.
Einmal will man am Wochenende ausschlafen – und zack, wird einem wieder jeder schöne Moment geklaut. Als ob wir sonst keine Sorgen hätten. Endlich auf dem Pausenhof muss ich Lenja dann doch noch mal fragen, wann wir eigentlich diese Klausur schreiben. Ich laufe neben ihr her, ziehe gedankenverloren an meinem Rucksackriemen und versuche dabei, mich an irgendwas aus dem Unterricht zu erinnern.
„Sag mal, Lenja“, murmele ich, „weißt du zufällig, wann genau wir die Geschichtsklausur schreiben?“
Sie bleibt kurz stehen und schaut mich an, als hätte ich gerade gefragt, ob die Erde rund ist.
„Zoe! Nächsten Donnerstag. Hat sie heute mindestens dreimal gesagt.“
„Oh. Ja. Stimmt“, lüge ich und versuche, halbwegs überzeugt zu nicken.
Ich tu so, als wäre alles unter Kontrolle, aber in meinem Kopf brennt schon wieder Alarmstufe Rot. Nächsten Donnerstag – das ist ja quasi übermorgen. In Teenager-Zeit. Ich lasse mich neben Lenja auf die Bank plumpsen, während sie schon ihr Pausenbrot auspackt. Gerade will ich noch was zur Klausur fragen, da höre ich hinter mir eine Stimme. „Hey, kleine Schwester.“ Ich drehe mich um. Luci steht da. Natürlich mit ihrem Freund Yan – die beiden kleben ja förmlich aneinander. Eigentlich ist Yan ja ganz nett. Vor allem mein kleiner Bruder Finn mag ihn, weil er immer einen Kaugummi mit Colageschmack für ihn dabeihat. Yan nickt mir kurz zu, aber Luci guckt seltsam. Nicht genervt, aber irgendwie … anders. Kein Spruch, kein Lachen, einfach gar nichts.
„Was ist los?“, frage ich misstrauisch. „Nichts“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. „Alles gut.“ Ja klar. Und ich bin ein Einhorn. In meinem Kopf blinkt schon ein fettes Achtung, aber ich sage nichts. Luci schweigt nie. Wenn sie plötzlich so still ist, ist etwas faul! Ich will gerade nachhaken, aber sie redet schon mit Yan über irgendeinen Bio-Test. „Sie ist heute echt komisch“, flüstere ich Lenja zu. „Luci? Ja, total. Selbst Yan war still. Unheimlich“, murmelt sie und beißt in ihr Brot. Ich nicke nur. Der Rest der Pause zieht sich wie Kaugummi. Und zwar so einer, der längst keinen Geschmack mehr hat.
