Warum Freude über gesprengten rechten Vortrag?
Bei X/Twitter, das ich auch nutze, um mich informiert zu halten, kann man wenigstens noch Meldungen wie diese im Wortlaut lesen, was ich sehr schätze. Seit den 70er/80er Jahren wird einem hierzulande zunehmend das Selberdenken abgenommen, indem Nachrichten gleich mit Wertungen versehen werden. Sogar Presseagenturen tun das! Soviel wertende Interpretationshilfe durch Journalistendarsteller tut ihre Wirkung.
Im Falle der Ausweisung von Martin Sellner zeigt die zuständige Kantonsregierung zugleich auch auf, wie sie Haltung und Reaktionen des eidgenössischen Publikums in diesem Fall einschätzt bzw. was genau sie befürchtet. Ein Spiegel!
◇♧◇
Unter Prinzipien verstehe ich Mindeststandards von Verhaltensweisen, Anstand und moralischen Richtlinien innerhalb der Gesellschaft, die für mich gelten, an denen ich aber auch andere messe. Für sie bzw. ihre Erhaltung und Einhaltung setze ich mich ein.
Zu den verteidigungswürdigen Grundelementen fürs Zusammenleben in einer Demokratie gehört aus meiner Sicht - neben dem Kant'schen 'Kategorischen Imperativ' - diese Maxime, die mal Voltaire, mal Rosa Luxemburg zugeschrieben wird:
„Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
Sie halte ich für würdig, mich dafür einzusetzen, da nur sie Garant für ein Zusammenleben auf Augenhöhe sind.
Gerade in der jetzigen Zeit der großen Sprachverwirrung und Werteumkehrung riskiert man leicht mit diesem Wunsch, wenn man ihn für sich selbst in Anspruch nehmen möchte, zu einer 'bedrohten Art' zu werden ...!
Dabei ist dieses Minimum an Pluralismus ja genau das, was einer Demokratie erst zur Legitimation verhilft! Wie ist es eigentlich mit der Pflicht, sie proaktiv zu einzufordern?
So wie die Sache jetzt aussieht, kann man sich ausrechnen, woran wir bereits sind!
Ich sag mal so: für Chronisten könnte dieser verhinderte Auftritt eines Referenten mit abweichenden Thesen später als wichtiges, äußerlich sichtbares Anzeichen für den Verrat an der Informationsfreiheit und der freien Willensbildung unter (in der Schweiz) noch herrschenden demokratischen Prinzipien gewertet werden und als solche in die Geschichtsschreibung eingehen.
Ob wohl jedem bewusst ist, dass, wenn nun Gleichgültigkeit, Nichtwissen und Freude über den gesprengten rechten Vortrag sich vermischen, dass dann die normative Macht des Faktischen die Regie übernimmt?