Zur Beerdigung gehen, obwohl ich Person nicht kannte?
Hallo,
in unserem Ort ist ein Jugendlicher auf tragische Weise ums Leben gekommen. Die ganze Gemeinde steht unter Schock. Obwohl ich die Familie und auch den Verstorbenen nicht kannte, hat mich das sehr mitgenommen und ich habe die letzten Tage viel geweint deswegen. Ich habe das Bedürfnis zum Trauergottesdienst und anschliessender Beerdigung zu gehen. Jetzt hat mir eine Freundin gesagt, das wäre Sensationstourismus (oder so ähnlich) 😢. Da ich die Familie nicht kannte, soll man auch nicht hin. Stimmt das? Soll ich dann lieber nicht hin?
Liebe Grüße
Cenzina
10 Antworten
Das, was ich jetzt schreibe, ist nur meine persönliche Meinung. Du musst dich nicht danach richten.
Ich finde, dass eine Beerdigung grundsätzlich eine persönliche Angelegenheit der Hinterbliebenen ist. Man hat dort als Außenstehender nichts zu suchen und sollte diesen Menschen die Chance geben, im eigenen Umfeld Abschied zu nehmen.
Ich weiß aber auch, wie du dich fühlst. Im vergangenen Jahr ist in meiner Nähe ebenfalls ein junger Mensch unter tragischen Umständen aus dem Leben gerissen worden, und das hat mich sehr mitgenommen. Ich habe auch den Ort besucht, an dem die Person sterben musste - es war ein surreales Gefühl, und ich habe in dem Moment gespürt, dass meine Anteilnahme an der Geschichte zu weit geht. Dass es mir nicht zusteht, mich dort hineinzudrängen. Es geht hier um echte Menschen, die trauernde Freunde und Familien hinterlassen.
Wenn du das Bedürfnis danach hast, kannst du ja, sofern du weißt, wo der Menach begraben liegt, irgendwann ans Grab gehen und eine Blume oder einen Brief mit persönlichen Worten dort ablegen. Das haben hier bei mir auch einige Menschen gemacht, da hier einige Wochen lang eine kleine Gedenkstätte stand. Inzwischen gibt es die aber nicht mehr, da die Beerdigung wohl längst stattgefunden hat und man keinen Tatort-Tourismus fördern will.
Wenn du dich im Hintergrund hältst und einfach kein Aufsehen um deine Person machst, dann ist das keinesfalls sensationslustig. Bei einem jungen Menschen ist die allgemeine Anteilnahme sehr viel größer als bei einem alten und es wird (besonders in einer kleinen Gemeinde) so sein, dass viele Menschen, die diesen Jugendlichen nicht kennen, auf die Beerdigung gehen. Den meisten Angehörigen ist es sogar ein großer Trost, wenn sie sehen, dass ihnen an diesem schweren Tag so viele Menschen beistehen.
Doch, Du sollst hin. Denn Du gehst keineswegs aus Sensationstourismus, sondern aus Betroffenheit. Es geht darum, der Familie Trost zu geben. In der Stunde der Not zu zeigen, dass der ganze Ort hinter ihnen steht. Wenn sehr viele Menschen kommen, um bei ihnen zu sein, dann ist das für die Leidtragenden eine Stärkung.
Wirf' eine Blume ins Grab und steh' zu Deinen Gefühlen.
Blödsinn. Man geht hin, um seine Anteilnahme zu zeigen.
Wenn jemand aus Sensationslust dahingeht, braucht Dich das ja nicht zu kratzen.
Natürlich kannst Du in solchem Fall zur Beerdigung gehen, da sehen die Angehörigen wie die Menschen mitfühlen und sind dankbar dafür!