Woher stammt das gedehnte "o" im Norddeutschen?

2 Antworten

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Eine gute Frage.

Man kann dies vor allem im Nordfriesischen gut hören, etwa "poon" (Pfanne) oder "moolk" (Milch), auch "weeder" (Wasser) und "faader" (Vater) haben so einen langen Vokal in der ersten Silbe.

Auch in niederdeutschen Dialekten, die nicht direkt Nordfriesisch sind, kann man einen ähnlichen Effekt hören. Allerdings muss man doch auf den Unterschied Niederdeutsch/Friesisch hinweisen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Niederdeutsche_Sprache#Historische_Phonologie

Das ist offenbar eine "Brechung". "Das Altsächsische besaß acht Kurzvokale in offener Silbe. Als die Endsilben geschwächt wurden, lag der volle Wortakzent auf dem Stammvokal, daraus resultierend konnte die Kürze und Offenheit der Vokale nicht mehr beibehalten werden."

D.h. die Vokale der Stammsilbe wurden lang und geschlossen
(also moolk statt Milch oder Melk). Allerdings ist der Effekt wie erwähnt im Nordfriesischen eher vorhanden als im Niederdeutschen (dort ist es eben doch "Melk").

Bei "dat Book" (das Buch) ist das lange o aber vorhanden. Auch "Brook" (häufiger Ortsname, "Bruch" im Sinne von "Bruchwald") oder "Koog" (Schiermonnikoog, eine Insel) haben so ein langes und geschlossenes o.

Einfach gesagt: früher wurde Altsächsisch gesprochen, und daraus entwickelten sich im Norden verschiedene Dialekte. Manche davon haben eben dieses Merkmal aus ursprünglich kurzen Vokalen entwickelt. Ein typisches Beispiel wäre eben Brook anstelle von Bruch (im Standarddeutschen ein kurzer Vokal).

Im englischen "road" liegt ein Diphthong vor. Auch den kann man im Norden hören (anstelle eines einfachen o). Wikipedia sagt "Das Westfälische diphthongierte die Laute (Westfälische Brechung)". Selbst im Moselfränkischen (also weit im Süden von Westfalen aus gesehen) kann man eine ähnliche Brechung hören (groß > grouß, los > lous). Dieses Gebiet ist das südlichste in Deutschland, das noch bei wat/dat/et ein norddeutsches -t anstelle des normalen was/das/es nutzt (da wurde die hochdeutsche Lautverschiebung nicht komplett vollzogen).

Meine Oma konnte Moselfränkisch, sie sagte "Bou" statt "Bub", der Plural war "Bouwe" (Buben). Auch das ist so eine Brechung (in Form eines Diphthongs). Auch luxemburgisch "Uewen" (statt Ofen) fällt mir dazu ein (Hochofen = Héichuewen).
Moselfränkisch hat oft sehr alte Formen, die mitunter an Niederdeutsch erinnern
(in diesem Falle Westfälisch, was ja ein "südliches Niederdeutsch" ist).

Kurz: die westfälische Brechung passt am besten zu deinem Beispiel
(südliches Niederdeutsch).

OlliBjoern  16.09.2023, 23:40

Barsch = Boors (passt prima)
Hecht = Hääkt (auch andere Vokale können lang werden)
er bricht ein = hei brääkt in

Diphthonge werden oft zu Monophthongen (ähnlich wie im Schwedischen).

Braut = Bruut
Eule = Uul ( daher auch Uulnspeigel, Eulenspiegel)
gebaut = buucht

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OlliBjoern  17.09.2023, 00:15

Und "Kölsch" (Kölner Dialekt) hat natürlich auch ähnliche Brechungen wie im Westfälischen, das hatte ich auch erwartet.

"Rou"   [ʁɔʊ̯ˑ] Ruhe (wie im Moselfränkischen, vgl. "Bou")

"Schnäi"     Schnee

"Zaus"       Soße

"flöite"     flöten (lange Vokale in der ersten Silbe werden diphthongiert)

"Schpöi"     Spucke (hier hat es aber einen kurzen Vokal erwischt)

(mein anderer Kommentar mit Barsch usw. bezog sich aber auf Niederdeutsch)

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Bonzo240195 
Fragesteller
 17.09.2023, 12:09
@OlliBjoern

Meine süße Chefin kann "los" sagen,tut es normalerweise auch. Aber wenn sie entweder resolut wirken,oder beruhigen möchte,sagt sie "lous" She melts my heart by doing so. Hach!

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