Wo am besten Klassische Philologie (Latinistik und Gräzistik) studieren?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Wenn Du mit den Leuten auf eine Linie kommst, sind viele Unis möglich. Zu den von Dir genannten, soweit ich sie kenne: Würzburg ist nicht so berauschend (abgesehen davon, dass die Vorlesungen im Toscana-Saal der Residenz stattfinden ( http://www.presse.uni-wuerzburg.de/index.php?eID=tx_cms_showpic&file=uploads%2Fpics%2F26konzert.jpg&md5=f67b6d2eea9bfb7472fa4473d9447f28d1e4d20b&parameters[0]=YTo0OntzOjU6IndpZHRoIjtzOjU6IjEwMDBtIjtzOjY6ImhlaWdodCI7czo0OiI5&parameters[1]=MDBtIjtzOjc6ImJvZHlUYWciO3M6MjQ6IjxCT0RZIGJnQ29sb3I9IiNmZmZmZmYi&parameters[2]=PiI7czo0OiJ3cmFwIjtzOjM3OiI8YSBocmVmPSJqYXZhc2NyaXB0OmNsb3NlKCk7&parameters[3]=Ij4gfCA8L2E%2BIjt9 ), Erler sein Fenster über dem Hofgarten hat und man aus der Bib auf die Traubenanlieferung für den Hofkeller schaut. Erler ist gut vernetzt und hat schon ein paar Leute untergebracht (Essler, Heßler, Strobl, Männlein-Robert), aber er ist bald weg, und die Latinistik ist nicht sooo berauschend. Kann man machen, muss man aber nicht. Münster ist teuer, katholischer als der Rest Deutschlands zusammen (sagte man mir) und scheint geschlossene Gesellschaft zu sein -- für ein Projekt riet man mir ab. Bammbärrch is hald a weng brovinziell, sozusachn. Der Holzhausen is sehr kluch und had bei seim Dobblagendnfum an Uni und Schule (Fridericianum/Erlangen) sogar amal dem deutschen Lehrpreis (Merkel is in da house) grekriechd, aba so des Internazionale is des ned unbedingd. In München läuft sehr viel (Hose, Fuhrer, auch Primavesi und Rapp), jeder dürfte sein Eckchen finden -- wenn man genug Geld für die Stadt zusammenkriegt. Auch über Köln kann ich nichts absolut Verbindliches sagen, man hat aber in Literaturtheorie sind die Kölner eher Mau. Schwerpunkte liegen dort sowohl in der Gräzistik als auch in der Latinistik und Papyrologie v.a. auf Textkritik und Textkonstitution. Die klassische Kölner Gattung ist der Kommentar, die Sachen von Thomas Gärtner z.B. sind sehr schlau, aber eigentlich unlesbar, so a la "episches Holzfällen bei Homer, Vergil und Lucan". Viel klein-klein: Welches Motiv taucht bei welchem Dichter wo in welchem Zusammenhang auf. Über die Bonner Gräzistik, Thomas Schmitz, kann ich aus gelgentlichen persönlichen Begegnung und seinen Publikationen nicht das geringste Üble sagen. Er gehört sicher zu den klügsten Köpfen der deutschen Gräzistik (mit einigen internationalen Beziehungen). Von seinen Studenten, nicht den doofsten ihrer Art, wird allerdings seine mangelnde Kümmernis um Studenten beklagt, mit denen er nicht viel Kontakt pflegt. Frau Reitz gehört eher zur Gattung Adabei (was nichts Schlechtes heißt, was ich auch nicht sagen kann, da mir ihre Themen sehr fern liegen): Nicht furchtbar, aber auch nicht berauschend. "Unauffällig".

Sehr bedenkenswert ist jetzt die Humboldt-Universität. Der Latinistik dort täte man mit Adabei noch zuviel der Ehre an -- sie findet nicht statt, gerade an den Tagen der Woche von Uli S. in Spardorf weilt --, aber die Gräzistik ist mit Asper sehr bemerkenswert: Forschungsfront, international vernetzt, innovativ (Asper hat es geschafft, mit seiner Diss. und seiner Habil. jeweils Methoden aufzugreifen, die gerade erst im Kommen waren, so dass die Schriften, obwohl die Diss. mittlerweile kaum noch gelesen wird, schnell zu Stanardwerken wurden, und er auch jetzt die neuesten Entwicklungen aufgreift: Sein Tagungsband Writing Science ist ganz bemerkenswert und, im Gegensatz zu seiner Habil., endlich auch wieder lesbar). Und zwar sind an der Humboldt-Uni durch den Lehrstuhl Altgriechisch, van der Eijk auf der Humboldt-Professur und die zahlreichen Mitarbeiter in Projekten zu antiken Wissenschaft wahnsinnig viele, international ausgewählte Leute dort. Die sind gut integriert, Asper vergrätzt selten Leute, die ihm nicht passen. Giulia Chesi, seine Ersatz(?)-Assistentin ist große Goldhillianerin (und hat wahrscheinlich einen Altar für Simon Goldhill in ihrem Zimmer), Markus ist (wie ich) Goldhillfeind, aber dennoch läuft es. Der Schwerpunkt in Berlin liegt auf antiker Wissenschaft. Klingt dröge und mehr nach Archäologie, ist es aber nicht: Wissenschaft gehört, wenn man von ganz praktischen Dingen absieht (die manchmal auch ihren Reiz haben) zur Philosophie oder umgekehrt. Der Korpus der wissenschaftlichen Literatur ist um ein tausendfaches größer als alle antiken Dramen zusammen und lassen sehr viele Annäherungen zu (mit Apostolos Doxiadis, persönliche Freund von Markus Asper, haben auch Erzählforschung und Comics Einzug gehalten. Und wer wie Giulia lieber was mit Tragödie macht, findet auch dazu Ansprechpartner). Heidelberg ist unmöglich. Grethlein ist als Wissenschaftler bemerkenswert. Wenn er zuweilen dazu neigt, banale Entdeckungen aufzublasen und als Stein der Weisen zu verkaufen, zerstört das nichts. Aber er ist maximal studentenfern und betrachtet in Bewusstsein seiner Gottessohnschaft nur seinen eigenen Bauch (ich paraphrasiere das, was die Institutssekretärin erzählt hat).

Oberfrosch  28.07.2014, 12:46

Fehler: In Bonn ist nicht Reitz, sondern Gall Latinistin. Reitz ist Rostock, wurde aber ebenfalls im Rheingraben sozialisiert.

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Oberfrosch  28.07.2014, 13:05

Bedenkenswert auch (trotz der hohen Lebenshaltungskosten): Freiburg. Man muss Zimmermanns Interpretation nicht immer mögen (Psychoanalyse ist definitiv kein valides Mittel zur Interpretation von Komödien, hier ist er in den 70er Jahren stehengeblieben), aber er ist sehr klug und fördert seine Studenten wie kaum einer. Ob ich ihn mag, ist wurscht: Er wird geschätzt und bemüht sich, seine Leute unterzukriegen.

Gießen: Möllendorff ist in der internationalen Wissenschaft nicht sooo der Burner, aber ein sehr kluger und angenehmer Mensch.

Bochum: Baumbach ist persönlich wahnsinnig nett und zugänglich, zugleich macht er fast nichts alleine, sondern arbeitet immer mit Anderen zusammen. Seine Schwerpunkte sind v.a. Literaturwissenschaft, Rezeptionsforschung und antike Lyrik (Epigramme, Anakreon ...) und Antiker Roman. Bochum ist allerdings eine Enklave jwd.

Dazu kommt: Ösiland. Ich kenne dort nicht wirklich jemanden, nur als Freund von Freund über drei Ecken. Salzburg und Innsbruck würde ich durchaus mal bedenken. (Mit Töchterle hat die Uni Innsbruck immerhin mal einen Latinisten in die Bundesregierung geschickt, was meines Wissens einmalig ist. Franz-Josef Strauß war auch irgendwie Latinist, hatte aber nur mal Latein studiert.)

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puellaconsulens 
Fragesteller
 28.07.2014, 16:04
@Oberfrosch

Erst einmal vielen, vielen Dank für diese wirklich ausführliche und fachkundige Antwort! Der Stern für die hilfreichste Antwort steht Ihnen zu, da schließe ich mich Graecula an :-). Von Freiburg höre ich immer wieder Gutes und fast jeder Lehrende an den Universitäten, deren Websites ich mir angeschaut habe, scheint dort zumindest einmal eine Zwischenstation gehabt zu haben. Allerdings musste ich feststellen, dass die Studiengänge Latinistik und Gräzistik dort nicht mehr einzeln sondern nur noch gebündelt im Studiengang "Klassische Philologie" angeboten werden, zu dem man ein zweites Hauptfach bzw. zwei Nebenfächer dazuwählen muss. Ich würde mich aber lieber ganz auf die Gräzistik und Latinistik konzentrieren. Zu Bochum: Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Bochum sich auf das Lehramt spezialisiert hat. Liege ich da falsch? Und zuletzt Bamberg: Ich habe gehört, dass die Otto-Friedrich Universität wenn auch nicht international, so doch national recht gut vernetzt sei und Studenten aus Bamberg, die an der Forschung und Lehre an Universitäten interessiert sind, recht gut untergebracht werden. Können Sie dazu etwas sagen?

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Oberfrosch  28.07.2014, 19:03
@puellaconsulens

Es ist vollkommen egal, ob die Universität irgendwie vernetzt ist (Bamberg für mehr als eine Provinuni zu halten, ist sehr gewagt). Es geht um das Fach.

Zum Rest: Fang erst mal mit dem Studium an. Mehr kannst Du nicht planen. Die Klassische Philologie besteht jeweils aus sehr wenigen Leuten pro Institut, weitere Karriereplanungen kannst Du vergessen. Du hast halt noch überhaupt keine Ahnung -- was man auch nicht abhelfen kann. Du musst erst mal studieren, bevor Du Dir irgendwelche Gedanken über eine Universitätskarriere machen kannst (die Du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vergessen kannst). Was Du über Bochum sagst, zeigt doch, dass Du noch wenig verstanden hast. Ist auch egal, nur bilde Dir nicht ein, man könne sich an irgendeiner Uni zum Forscher "ausbilden" lassen. Wenn Du bei Baumbach ein gutes Examen schaffst, ist gut.

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Graecula  28.07.2014, 13:49

FANTASTISCH! Dem ist nichts hinzuzufügen. As usual, Oberfrosch :) (oute mich hiermit als Oberfrosch-Fan)! Applaus und Hilfreichste Antwort, bitte!

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Ich habe eine Eingebung: Über die Uni (das ist jeweils das Institut für Klass.Phil.) sagt es nicht sooo viel, aber an einigen der genannte Unis haben die Gräzisten Einführungen in ihr Liebslingsgebiet geschrieben. Die kannst Du Dir ausleihen, klauen oder bestellen. Da siehst Du, was dort (neben vielem anderen) so gemacht wird. Ich nenne nur Sachen, die ausdrücklich für ein breites Publikum geschrieben sind.

B. Zimmermann (Freiburg), Die griechische Komödie.

P. v. Möllendorff (Gießen), Aristophanes (nochmal Komödie, aber auf andere Art)

M. Baumbach (Bochum), Carmina Anacreontea (ganz neu bei Reclam, wie üblich hat Baumbach das nicht alleine gemacht)

M. Asper (HU), auf www.academia.edu (da musst Du wahrscheinlich einen account erstellen, um Dich einzuloggen; dann kannst Du alle möglichen Aufsätze lesen, die der Autor dort eingestellt hat. Wenig von Asper ist einfach lesbar (aber weniger geht hier nicht, seine Vorträge fürs allgemeine Publikum sind aber gut verstehbar)

M. Erler (Erlabrunn/Würzburch), Platon (Beck'sche Reihe Denker)

BTW: Frankfurt ist waaahnsinnig teuer, im Institut geht Tullius Destructivus um.

Oberfrosch  29.07.2014, 00:09

Von M. Asper ist die Einleitung in sein Buch Kallimachos: Werke noch besser geeignet: Amüsanter zu lesen und ohne große Verständnishürden (er will das Ding ja verkaufen).

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Hat vielleicht noch jemand Informationen zur Uni Mainz bezüglich der alten Sprachen? Ich überlege dort anzufangen, sowohl Latein, als auch Griechisch auf Lehramt zu studieren.

In Münster war die Klassische Philologie immer recht gut vertreten. Außerdem ist die Stadt sehr schön zum Studieren. ;-)

Hallo! Super Entscheidung :) Hast du Köln bei deinen Überlegungen schon berücksichtigt? Die Bibliothek ist sehr, sehr gut ausgestattet, die Infrastruktur und Verwaltung ist hervorragend (großes Institut halt) und die Dozenten sind wohlbekannt in der Fachwelt. Bei Bonn verhält es sich ähnlich. Bern kann ich noch empfehlen, wobei sich dort seit meinem Studium viel verändert hat... In Augsburg gibt es leider nur Lateinische Philologie, das aber wird von einer herausragenden Dozentin unterrichtet.

puellaconsulens 
Fragesteller
 27.07.2014, 21:05

Danke für deine Ratschläge :-). Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass sich hier noch andere Altphilologen herumtreiben ;-D. Köln ist auch in meine engere Auswahl gekommen, allerdings möchte ich eigentlich lieber in einer etwas kleineren Stadt studieren. Kannst du etwas zu Münster, Bamberg und Würzburg sagen?

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Graecula  28.07.2014, 08:49
@puellaconsulens

nein, leider nicht. Nur, dass es sehr schöne Städte sind ;) am Münsteraner Institut sagen mir ein paar Namen was, wüsste jetzt aber noch nicht einmal, von woher. Aber wenn du von den Städten die schönste bevorzugst, würde ich Bamberg nehmen. Dann würde ich dir aber dringend raten, im Laufe deines Studiums zu wechseln (sowieso). Wichtig ist es besonders in der Klass. Philologie, an einem Institut mit großem Spektrum zu lernen. An kleineren Einrichtungen werden in einem Zyklus immer die selben Autoren gelesen. Prof. Hammerstaedt in Köln macht sogar archäologische Feldarbeit (z.B. in Oinoanda) und nimmt auch immer wieder mal Studenten mit!

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Graecula  28.07.2014, 13:39
@Kristall08

Tatsächlich? An meinen drei Almae Matres nur oben genannter. Die anderen haben sich allein durch ausgiebige textbezogene Studien einen NAmen gemacht (der dadurch natürlich nicht weniger groß ist). Mir fällt jetzt keiner ein, der so eng mit dem Archäologischen Institut zusammen arbeitet, wie Prof. Hammerstaedt.

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