Wieso war Schreibschrift früher so kompliziert?
Ich meine die Schrift so um 1930-1940.
Zb war die Schreibschrift (ich glaube Sütterlin heißt sie) voller Ecken und Kanten mit unnötigen Schwüngen. So etwas einem 8 jährigen beizubringen gleicht ja einem Verbrechen :)
Ich weiß dass die Gotische Schrift genutzt wurde weil sie als "Deutsch" abgestempelt würde aber wieso musste die Schreibschrift so ein Desaster sein? Hat das nicht sehr lange gedauert bis man einen Aufsatz fertig hatte?
Ich habe heute versucht einen Satz in perfekter Sütterlinschrift zu lesen und musste nach einer Minute aufgeben.
Und schrieben Schüler in der Schule auch in Wirklichkeit so wie sie sollten oder sah die Schrift in der Praxis einfacher aus?
danke für jegliche antworten, da ich im Internet noch nichts finden konnte
7 Antworten
Was einfacher zu lesen ist, ist Ansichtssache.
Ich (24 Jahre alt) habe als Kind gelernt Sütterlin zu lesen und fand es sogar angenehmer, als die heutige Schrift. So habe ich freiwillig lieber Bücher in Sütterlin gelesen und musste immer nach 2 Sütterlin Büchern eins in heutiger Schrift lesen. Ich konnte es auch viel schneller flüssig lesen. Gerade diese ganzen Kanten geben "Halt" und machen es auch bei Sauklauen wie die meiner Uroma lesbar. Deren Kochbücher waren nicht ohne, aber für mich immer einfacher zu lesen Sauklauen mit unserer recht runden Schrift. Da sieht bei manchen alles gleich aus, egal ob o,a, und u oder e,l,t,f,g und b ... Alles ein einziger Haufen an Kringeln.
Irgendwann habe ich dann verlernt Sütterlin zu lesen, weil ich es einfach nicht mehr getan habe. Rezepte meiner Uroma hatte ich mir abgeschrieben, alleine schon weil das Kochbuch bei meiner Oma blieb und aus den alten Kinderbüchern war ich rausgewachsen. Heute muss ich ernsthaft drüber nachdenken was da steht, das ist aber bei manchen Sauklauen ebenso. Gerade seit ich aus der Schulzeit raus bin und generell wenig Handgeschriebenes lese, fällt es mir Zusehens schwerer.
Okay ich habe mir in den Sommerferien sowohl Sütterlin als auch Kurrent beigebracht und schreibe mittlerweile in meinen Notizen einen mix aus moderner Schrift und jenen alten. Ich muss meine Aussage "sie seien schwer" echt zurücknehmen. Ganz im Gegenteil - ich finde Sütterlin sehr angenehm zu schreiben (bis auf das große M und N, da finde ich die moderne Schreibweise angenehmer)
Schon mal arabische Schrift gesehen? Das müssen teils auch schon Kinder erlernen.
Das menschliche Gehirn ist im Allgemeinen recht leistungsfähig. Auch und gerade bei Kindern.
Nicht nur teils - sondern alle Kinder lernen das in der Schule wie wir Lateinschrift. Nichts besonders. Und arabische Schrift hat auch nur 26 Buchstaben, ist bei den Grundformen sogar ausgesprochen formenarm - und wenn man versteht, wie zusammengefügt wird, dann ist das die kleinste Hürde im Arabischen. Die Grammatik ist da viel schwieriger.
Sogar meine Mutter hat das noch gelernt, ist später aber umgestiegen, weil fast keiner mehr lesen konnte, was sie schrieb.
Die Leute, die Sütterlinschrift gelernt haben, haben diese immer benutzt und sie haben auch weiterhin so geschrieben, wie sie es gelernt hatten. Damals wurde noch Wert auf eine ordentliche Handschrift gelegt, denn nicht jeder hatte eine Schreibmaschine.
Du wirst lachen, ich habe mal gelesen, dass das handschriftliche Schreiben in Sütterlin wesentlich besser "von der Hand geht", als in lateinischer Schrift, eben WEIL es so viele Ecken hat und daher quasi mehr Halt gibt, als unsere Schrift mit den vielen Bögen.
Lesen konnte ich das früher auch mal genauso gut wie lateinische Schrift, weil meine Oma nur Sütterlin schreiben konnte. Ist nur Gewohnheits- bzw. Übungssache.
Dass es sogar "besser" ist als unsere Schreibschrift hätte ich nie gedacht. Komisch was sich so alles in nicht einmal 100 Jahren verändert
Ich habe in der 4. Klasse (Anfang der 70er Jahre) auch noch Sütterlin gelernt, aber das war damals bereits etwas Exotisches. Ich kann es heute mangels Übung nicht mehr lesen und schreiben.
Aus der professionellen Sicht des Typografen gesehen finde ich es eine fürchterliche Schrift. Ausgerechnet die beiden Buchstaben, die in der deutschen Sprache statistisch am häufigsten vorkommen (e + n), sind in der Sütterlin verwechslungsgefährdet.