Wieso schrieb Nabokov Lolita?


26.04.2021, 14:45

Und vllt noch welche Lehre (falls denn vorhanden) könnte man aus Lolita ziehen?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Illusion,

Ästhetik und Eloquenz sind sicherlich Gründe für die Popularität von Lolita. (Den Zauberer habe ich nicht gelesen). Und natürlich die Skandalösität des Themas. Das Buch wurde ja von einem Erotikbuch-Verlag herausgegeben, was den Skandal beförderte.

Soweit ich mich erinnere, gibt es auf eine Pädophilie von Nabokov keinerlei Hinweis. Er soll mal in einem Hotel gesagt haben: "Schau mal die vielen Lolitas hier". Das ist alles. Ich denke, dass er einfach eine Idee für ein Thema gehabt hat.

Ich war besonders fasziniert von dem kühlen Realismus des Romans und einer großen Rätselhaftigkeit. Fast eine Dokumentation eines Lebens mit unerwarteten Wendungen. Keiner der Protagonisten ist einem sympathisch. Auch das Mädchen nicht. Eine seltsame Distanziertheit über allem.

Andererseits erinnere ich die Schilderung ihres Tennisspiels. Vielleicht das intensivste, was ich jemals gelesen habe.

Faszinierend auch die Reaktion des Racheopfers am Schluss. Die Ironie bis zum Schluss. Eine kühle Intellektualität, die konsequent durchgehalten wird. Vielleicht spiegelt sich in DIESER Figur der Autor selbst wieder.

Grosse Schriftsteller können vieles aus der Welt der Gefühle und Triebe auch in sich selbst wiederfinden. Denn alle Menschen können im Prinzip alles auch empfinden, was ein anderer kann. Also im Prinzip auch Zuneigung zu 12-jährigen Mädchen. Was die anderen nicht können: ihre Barrieren aus Scham, Verurteilung etc. überwinden und dazu durchdringen.

Sie können daher neben einer solchen sexuellen Anziehung wie in dem Buch ja auch z.B. über Gewaltorgien schreiben, wie sie in Kriegen vor kommen. Ohne dass sie sie selbst begangen hätten. Oder den Machtrausch von Diktatoren. Ohne dass sie sie selbst gewesen sind.

Das wird dir noch häufiger begegnen, wenn du mehr liest!

Illusionworld 
Fragesteller
 01.06.2021, 13:58

Deine Antwort ist teils hilfreich, Danke!

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"Lolita" ist ganz bestimmt kein Enthüllungsbuch, wie wir sie uns heutzutage gewöhnt sind. Zu Nabokovs Zeiten gab es keine RTL-Talkshows, wo die Leute ihre abartigsten Fetische zum Besten geben. Es ging damals um die Erforschung eines Phänomens. Und ich finde, er hat das meisterhaft getan. Ich bin selbst nicht pädophil, aber ich könnte mir vorstellen, dass jeder Pädophile sich durch dieses Werk verstanden fühlen könnte. Wahrscheinlich besser als bei jedem Therapeuten.

WatchingTheSky  26.04.2021, 15:05

Erstmal, Humbert ist nicht pädophil, da Lolita in der Pubertät ist, er ist hebephil.

Ich selbst bin zwar pädo- und hebephil, lehne aber sowohl sexuelle Handlungen mit Kindern ab und würde auch nicht die Mutter eines Mädchens, in das ich verliebt bin, umbringen, um das Mädchen für mich zu haben. Von daher fühle ich mich von ihm nicht unbedingt verstanden. Ich finde eher, dass das Bild eines Pädo- bzw. Hebephilen in dem Buch ein recht klischeehaftes ist.

Dass man sich durch den Austausch mit anderen Menschen, die genauso fühlen, besser verstanden fühlen kann als von einem Therapeuten, dem stimme ich defintiv zu.

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emilia32  26.04.2021, 15:17
@WatchingTheSky

Hätte er das Buch nicht geschrieben, könnten wir uns jetzt nicht darüber unterhalten. Es geht darum, darüber nachzudenken, nicht, dass man das übernehmen muss, was in einem Buch geschrieben steht.

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WatchingTheSky  26.04.2021, 15:20
@emilia32

Ich habe nur auf den Punkt Bezug genommen, dass Pädophile sich von dem Buch verstanden fühlen würden. Ich kann zwar seine Faszination für ein Mädchen in Lolitas Alter verstehen, aber nicht seine Handlungen in dem Buch.

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emilia32  26.04.2021, 15:38
@WatchingTheSky

Schon klar. Wobei man, wie gesagt, keine Rückschlüsse auf den Autor ziehen sollte.

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Ich fand es bedrückend langweilig. Hatte schon vor der Hälfte keine Lust mehr und hab nur noch bis zum Ende durchgehalten, weil ein russischer Kumpel aus Nationalstolz meinte, es sei ein Klassiker und ich müsste es kennen. Er wollte dann mit mir darüber diskutieren.

Warum geschrieben? Vermutlich hat er Phantasien verarbeitet. Ist der Job eines Schriftstellers.