Wieso ist Essigsäure stärker als Phenol?

4 Antworten

Du argumentierst grundsätzlich richtig, gelangst aber zur falschen Schlussfolgerung. Deine Argumentation lässt nämlich nur den Schluss zu, dass Essigsäure acider ist als Phenol.

Welches Kriterium ist entscheidend für den aciden Charakter einer Verbindung? Die Stärke der R-H-Bindung. Je stärker diese Bindung ist, desto weniger acide ist die Verbindung.

Beim Phenol ist die O-H Bindung durch die von dir angesprochene Polarität nämlich extrem viel stabiler als bei der Essigsäure, ergo lässt sich dort sehr viel schwerer ein Proton abstrahieren.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemischer Biologe mit dem Spezialgebiet Chemoinformatik
MaxChemieNoob 
Fragesteller
 02.02.2019, 16:02

Hm, also wirkt der positive Ladungsüberschuss des O bei der OH-Bindung im Phenol der "anfänglichen" Polarisierung entgegen?

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Die Carbonyl-Gruppe hat auch einen mesomeren Effekt, der sogar stärker ist, als der der Phenyl-Gruppe, weil ja Sauerstoff stark elektronegativ ist!

Im Carbonsäure-Anion ist die Ladung quasi gleich über die beiden Sauerstoff-Atome verteilt, die dann absolut gleichwertig und ununterscheidbar sind.

Deine Beschreibungen des mesomeren Effekts gefallen mir nicht so sehr...

"Bei der Carbonsäure sorgt die OH-Gruppe für einen negativen (ziehenden) induktiven Effekt, welcher die Polarität abschwächt." Der Hydroxyl-Sauerstoff ist stärker elektronegativ als der Hydroxyl-Wasserstoff, weshalb die OH-Bindung generell stark polar ist und daher der Wasserstoff leichter abgespalten werden kann, als zB bei einer CH-Bindung! Der durch die Carbonyl-Gruppe positivierte Kohlenstoff stabilisiert das O-Anion etwas induktiv, aber stärker wirkt der mesomere Effekt des Carbonyl-Sauerstoff-Atoms selbst!

"Bei Phenol kann sich ein freies Elektronenpaar des Sauerstoffatoms der OH-Gruppe an der Mesomerie des Moleküls beteiligen und ein Elektronpaar in den Ring "schieben"." Beim Phenolat-Anion wird das frei werdene Elektronenpaar zu einem unhybridisierten p-Orbital und kann so mit p-Orbitalen des aromatischen Systems des Phenyl-Rings wechselwirken. Bei den mesomeren Grenzstrukturen kann sich so die negative Ladung des Sauerstoff-Atoms auf 3 weitere C-Atome (2x ortho und 1x para) verteilen, allerdings ginge das nur, wenn diese sp3 hybridisiert werden und damit das aromatische Ringsystem unterbrochen wird. Dazu ist auch hier die Elektronegativität des Sauerstoff deutlich größer als die der C-Atome, weshalb die Ladung eben doch zum größten Teil auf dem Sauerstoff liegt!

Ich bin aber gerade nicht sicher, zu welchem Grad das wirklich passiert (man ist tatsächlich in den letzten 20 Jahren sehr viel weiter in der MolekülStrukturAnalyse gekommen), oder ob der Sauerstoff nicht einfach zu einem geoßen Teil sp3-hybridisiert bleibt (also tetraedrische ElektronenWolken/OrbitalAnordnung) und das neue freie ElwktronenPaar nicht einfach so 'etwas' durch den aromatischen Ring stabilisiert wird!

MaxChemieNoob 
Fragesteller
 02.02.2019, 16:28

Aber wieso tritt ein M-Effekt auf? Ich dachte die gibt es nur bei konjugierten Systemen, oder zählt das "O=C-O" schon als konjugiert?

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Bei Essigsäure (genauer Acetat) tritt ebenfalls M-Effekt auf, da die beiden Grenzstrukturen (je mit O-) völlig gleichwertig sind, sogar stärker als bei Phenol (hier Grenzstruktur mit neg. Ladung an O bzw. an C).

MaxChemieNoob 
Fragesteller
 02.02.2019, 16:03

Achso, aber da wäre meine Frage, wieso tritt hier ein M-Effekt auf? Ich dachte die gibt es nur in konjugierten Systemen, oder zählt O=C-O schon als konjugiert?

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PFromage  02.02.2019, 17:12
@MaxChemieNoob

Der M-Effekt ist zwischen den beiden O-Atomen, Doppelbindung bzw. O- Ladung können völlig! gleichwertig an beiden auftreten.

Stabilisierung umso größer, je weniger Unterschiede in den Grenzstrukturen. Ist beim Carboxylat ideal.

Zusätzlich kommt natürlich auch der -I-Effekt des O, der vor Dissoziation nicht den H trug.

Mesomerie ist also nicht unbedingt an konjugierte Systeme gebunden.

Letztlich ist der Stabilitätsgewinn auf die Entropiezunahme durch GLEICHMÄSSIGE Verteilung des e-Paars auf 3 Atome zurückführbar.

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Bist Du Student, oder Schüler?

Konjugation ist nur eine Vereinfachung auf SchulNiveau. Die Atome müssen sp2-Hybridisiert ("Doppelbindungs-fähig" sein, gleich orientiert und nebeneinnder). Dies ist in der Carbonyl-Gruppe, aromatischen Ringen und den meistens CH-Ketten eben mit konjugierten Doppelbindungen der Fall! Aber auch einzelne Atome mit freien ElektronenPaaren können sp2-hybridisiert sein, eben ein einfach gebundenes und negatives Sauerstoff-Atom, aber zB auch Stickstoff.

Auch gibt es mesomere Grenzstrukturen ohne Konjugation! Man lässt einfach Elektronenpaare klappen und 'verteilt' so die überschüssig Ladung im zeitlichen Mittel! Im Carbonat-Ion ist die 2-fache negative Ladung auf 3 Sauerstoff-Atome verteilt, alle Atome sind sp2 hybridisiert. Im Nitrat-Ion ist die eine Ladung auch auf 3 O-Atome verteilt, aber dafür müsste Stickstoff 5-bindig sein. Also ist er vllt doch tetraedrisch aber die Ladung verteilt sich trotzdem, ODER er ist positiv geladen und die 3 Sauerstoff-Atome tragen zusammen 2 negative Ladungen. Im Sulfat-Anion ist das zentrale Schwefel-Atom auf jeden Fall tetraedrisch, aber die SäureStärke so hoch, weil sie die zwei Ladungen mesomer auf 4 Sauerstoff Atome verteilen kann (zumindest hat man es Jahrzehnte so erklärt!) Wahrscheinlicher ist aber, dass der Schwefel doppelt positiv geladen ist, die vier O-Atome je 1x negativ und die Bindungen durch eine Art Rückbindung und I-Effekt stabiler als normale Einfachbindungen sind!

Am Ende ist das Konzept der Mesomerie nur ein Modell um die komplexe Wirklichkeit zu beschreiben und in diesem Fall die relativ übersichtlichen Lewis-Formeln beizubehalten! Selbst sowas einfaches wie das Sauerstoff-Molekül wird nicht ganz korrekt mit Lewis-Formeln beschrieben, weil es sich eigentlich um ein Diradikal handelt!

MaxChemieNoob 
Fragesteller
 02.02.2019, 16:54

Ich bin Schüler, und ich glaube die nächste Klausur wird ein dicker Reinfall xD

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