Wie steht ihr zu Neuheidentum/Neopaganismus?

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Grüß Dich Indecisive

Ich bin davon überzeugt, das Religion einen deutlichen Bezug zur Wirklichkeit haben sollte. Ich will das begründen.

Es gibt zwar keine allgemeine Definition von Religion. Aber es gibt eine sehr nahekommende Definition. Und zwar ist das die von Gustav Mensching, die wohl am ehesten den Begriff erklärt.

Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen“.

Da wäre aber noch zu klären, was heilig bedeutet:

Wikipedia:

Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortge-schichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist heilig ein im Zusammenhang mit Religion gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einer Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen oder Absoluten angehörig“.

Da ist von Gott oder Göttern keine Rede. Für eine eigene Religion ist das entbehrlich. Das was Du glaubst (Glauben) und so wie Du nach Deinem Glauben handelst (Spiritualität), das bildet beides zusammen dann Deine Religion. Glaube und Spiritualität sind nicht zu trennen und sind unlösbar miteinander verbunden.

Das was Du glaubst fließt unweigerlich ins persönliche Handeln ein. So wie Du glaubst, so handelst Du!

Wenn Dein Glauben mit der Wirklichkeit, also mit der Realität und mit der Wissenschaft kompatibel ist, mit Deinem persönlichen Erleben und die Philosophie diesen Glauben unterstützt, dann prägt es auch Deine Spiritualität. Und die sollte Dich reifen lassen und Erkenntnismöglichkeiten erweitern, damit das Leben besser lebbar ist. Du kannst zwar etwas glauben was nichts mit der erlebbaren Wirklichkeit zu tun hat, aber wenn Du versuchen wirst dieses ins tägliche Handeln umzusetzen also spirituell zu sein, dann wirst Du entweder scheitern bzw. Du belügst dich selbst und verharrst im eigenen Glauben. Viele tun das und verdrängen den Widerspruch und so handeln sie auch, widersprüchlich!

Glauben und Spiritualität zusammen machen die Religion aus.

Ich persönlich z.B. bezeichne mich als Panentheist und verstehe mich als religiösen Atheisten. Ich glaube nicht an Gott oder Götter aber ich erkenne im Sein eine unpersönliche schöpferische Kraft, die nicht näher definiert werden kann, aber in ihren Folgen nämlich Werden, Wandel, Sichentwickeln und Vergehen zu beobachten ist. Ich will das nicht weiter ausführen, das sprengt mit der Beantwortung Deiner Frage den Rahmen. Aber meine Religion ist kompatibel mit der Wissenschaft, der Philosophie und dem eigenen Erleben. Sie sind unerlässlicher Bestandteil meiner Religiosität! Nur so kann ich auch wirklich spirituell sein, den mein Handeln stimmt dann mit den Realitäten überein..

Fazit:

Ich halte also aus den genannten Gründen nichts von dem Paganismus oder dem Neuheidentum, wenngleich es bestimmte kleine Teilauffassungen gibt, die ich teile.

Herzlichen Gruß

Rüdiger

luibrand  23.02.2020, 16:41

Es gibt keine religiöse Atheisten , was Du meinst ist ein Agnostiker.

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Abduka7  23.02.2020, 17:00
@luibrand

Atheisten lehnen die Bauhauptung, dass Gott, oder Götter existieren ab. Und da "vonGizycki" dies offensichtlich tut, ist er Atheist. Atheisten können aber dennoch religiös sein. So gibt es beispielsweise Atheisten, die dem Buddhismus, einer Religion ohne Gott, anhängen. Agnostiker hingegen nehmen an, dass die Existenz von Göttern weder belegbar, noch widerlegbar ist.

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vonGizycki  23.02.2020, 19:31
@luibrand

Es gibt sehr wohl religiöse Atheisten. Bitte lies meine Antwort oben durch. Dort ist die Erklärung von Religion. Es gibt da verschiedene Arten. Darunter fallen auch Buiddhisten. Ich als religiöser Atheist glaube nicht an einen Gott, aber ich glaube daran, dass es eine schöpferische undefinierte aber unbekannte und geheimnisvolle Kraft im Sein gibt, wir aber nur als dessen Folgen wahrnehmen und fühlen können (Werden, Wandel, Sichentwickeln und Vergehen). Ich selbst empfinde mich als Panentheist. Zwar wird in der Definition von Panentheismus der Begriff Gott gebraucht, aber den lehne ich ab, weil mit diesem Begriff eine Person gemeint ist, ein Du. Mir geht es um das ES, was unpersönlich und undefinierbar gemneint ist! Dennoch ist das was Pantheismus meint nicht eleminiert, sondern hat in meiner Religion Bestand. Das Wort Gott wird durch den Begriff das Göttliche ersetzt, was eben genau das Gegenteil von Gott als Person meint.

Ich gehöre zur 'Unitarier - Religionsgemeinschaft Freien Glaubens' und daher zur freireligiösen und humanistischen Szene.

Unitarier - Religionsgemeinschaft Freien Glaubens

http://www.unitarier.de/unitarier/wer-wir-sind/grundgedanken/erlaeuterung/

Freireligiöse Bewegung am Beispiel der freireligiösen Landesgemeinde Pfalz

https://www.freireligioese-pfalz.de/was-sind-grundsaetze-freier-religion-.html

Zwar sind es zwei verschiedene Gemeinschaften, aber sie treffen sich im gemeinsamen Denken. Die deutschen Unitarier haben sich aus dem Christentum und organisatorisch aus den Freiprotestanten heraus entwickelt, die sich ursprünglich noch als Christen empfanden. Sie haben sich jedoch vollständig in allen Belangen von Christentum verabschiedet.

Die freireligiöse Bewegung entstand Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Deutschkatholizismus und den ursprünglich protestantischen Lichtfreunden. Auch sie haben sich vollständig vom Christentum gelöst!

Beide Gemeinschaften sind fern von jeglicher Esoterik und und besitzen keinen Gott, keine Heilige Schrift, keine Priester und kein Dogma.

Vielleicht fusionieren sie ja mal was ich als wünschenswert empfinde. Momentan hindert sie noch ihre geschichtliche Herkunft.

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luibrand  23.02.2020, 19:52
@vonGizycki

Du benutzt nur eine andere Definition für ein "höheres Wesen" oder eine Schöpfungskraft, ein echter Atheist tut das nicht.

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vonGizycki  23.02.2020, 21:18
@luibrand

Du irrst. Für mich existiert kein höheres Wesen. Die schöpferische Kraft von der ich sprach, die ist undefiniert und nicht bekannt und auch kein Wesen. Sie ist lediglich der Grund warum etwas ist und nicht nichts (Urgrund). Mehr nicht!

Die Vorstellung entspricht in etwa der des Aristoteles:

Nach der aristotelischen Bewegungslehre, in der die Bewe­gung eines Körpers immer nur durch die Bewegung eines anderen Körpers ver­ursacht sein soll, so ergäbe sich ein unendlicher Rückgriff, wenn man nicht die Bewegung sozu­sagen "am Anfang von allem" aus einer unbe­wegten Quelle hervorgehen lässt; diese Quelle ist der allein aus lo­gischen Gründen postulierte unbewegte Beweger. Mit der christlichen "ontologischen" Vorstellung eines real existierenden Geistwe­sens na­mens Gott, der zugleich der Schöpfer aller Dinge ist, hat das nichts zu tun.“

(ontologisch meint Annahmen über Grund­strukturen der Wirklichkeit)

Also, eine rückwärts gedachte Ursachen-Anstosskette wäre so gesehen nämlich unendlich und erlaubt somit nicht die Vorstellung eines Anfanges, aus dem etwas werden könnte. Diesen Anfang gäbe es dann nicht, weil nämlich der Urgrund (als Ursache für den Urknall) dann ebenfalls nicht denkbar wäre und damit auch kein Sein.

Damit ist mit meiner Vorstellung insgesamt noch längst nicht alles gesagt. Da muss noch viel mehr gesagt werden. Aber Du kannst es in meinem Profil nachlesen unter 'Religiosität - aber wie?'. Dort ist ein Vortrag den ich in Kassel öffentlich hielt.

Viel Spaß!

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luibrand  24.02.2020, 08:39
@vonGizycki

Atheisten negieren jede Form von Religiosität, sie haben keine Neigung, sich mit anderen aus atheistischen Gründen zusammen zu schließen. Bewegung ist ursächlich von Gravitation abhängig, was selbstverständlich einen Bewegungsanstoss durch einen anderen Körper nicht ausschließt (als Folge von Gravitation). Der Urknall ist nur eine anerkannte Theorie, nicht naturgesetzmäßig evident.

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DwightFrye  24.02.2020, 09:56
@luibrand
Atheisten negieren jede Form von Religiosität

Das ist absolut falsch. Was du meinst, sind wahrscheinlich Antitheisten. Obwohl jeder Antitheist ein Atheist ist, ist nicht jeder Atheist ein Antitheist. Atheisten lehnen einzig und allein Gottes Existenz ab. Sie können trotzdem religiös sein, sogar an Geister, oder an ein Leben nach dem Tod glauben. Das einzige woran sie nicht glauben dürfen um als Atheist zu gelten, ist an einen Gott. Denn wer an Gott glaubt, ist Theist.

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vonGizycki  24.02.2020, 18:43
@luibrand

Die Sache mit der Bewegung nimmst Du zu wörtlich. Mit Bewegung meint Aristoteles Ursache und Entstehung. Wenn etwas entsteht, dann muss es nach seinem Verständnis eine Ursache haben. Und die Ursache muss entstanden sein, somit ebenfalls eine Ursache besitzen, diese wiederum auch, usw.usw. Diese Kette wäre unendlich. Wäre sie aber unendlich, dann gäbe es keinen Anfang und damit kein Sein wenn man übr den Anfang von allem philosophiert. Und daher schließt er daraus, das, weil ja etwas ist und nicht nichts, die allerletzte Ursache unbewegt sein müsste, also selbst nicht verursacht wurde. Damit ist kein Gott oder ein ähnliches Wesen gemeint, sondern nur eine logische Schlussfolgerung. Allerdings bleibt er in dieser Vorstellung stecken, weil er einen absoluten Anfang vermutet und damit lediglich nur eine Transzendenz.

Ich hingegen glaube daran, das der Urgrund, also die letzte Ursache ein schöpferisches Prinzip tragen müsste, die auch im Jetzt als diese Ursache wirkt. Das nennt man Immanenz, weil sie nicht nur als Transzendenz als absoluter Anfang zu verstehen ist, sondern auch im Jetzt, in der Welt immanent ist, also darin enthalten. Diese Vorstellung wird im Panentheismus als transzendente Immanenz bezeichnet.

Ich will es mal bei dieser Betrachtung vorerst lassen, denn es ist noch immer nicht alles gesagt, weil diese Vorstellung weitere bedeutende Folgen hat. Das würde jetzt aber zuviel werden und ich will nicht überfrachten.

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luibrand  24.02.2020, 21:02
@DwightFrye

..schon mal was von Kommunitarismus gehört ? ... ich hab ja nicht behauptet, dass Atheisten an Nichts glauben ....

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DwightFrye  24.02.2020, 22:04
@luibrand

Und habe ich je behauptet, dass du so etwas behauptet hättest? Du hast behauptet, dass Atheisten alles religiöse negieren. Und ich habe darauf entsprechend geantwortet.

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DwightFrye  24.02.2020, 22:08
@luibrand

Nun, letztlich kannst du ja behaupten und glauben, was du gerne möchtest. Aber deine Annahmen werden deswegen noch lange nicht der Wirklichkeit entsprechen. Zudem hat es etwas missionarisches an sich, andere umbedingt von deiner Meinung überzeugen zu wollen.

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luibrand  24.02.2020, 22:13
@DwightFrye

Nö, ich war nur in Kommunikationslaune. Schlupf jetzt unters Deckbett ;-) GudNacht und Helau.

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vonGizycki  01.03.2020, 10:19

Indecisive

Herzlichen Dank für den Stern. Der hat mich sehr gefreut :-)

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viele sind ja dieses wicca eher aus hobby, da man es als religion nicht wirklich wahrnehmen kann. hm, ich finde das alles eher merkwürdig aber wie man will.

Is nix für mich - Religionen allgemein sind mir ziemlich egal - soll jeder das glauben, was er will - keiner kanns verhindern, ich will aber meine Ruhe haben.

Man sollte aber alles nicht zu blauäugig sehen - wir wissen es doch, dass Religionen sehr oft ins Leben der Menschen eingreifen und "neumodische" religiöse Ideen oft - bei genauem Hinschauen schlecht sind - etwa Uriella - oder diese Jesus-People der Hippie-Zeit usw. Besser formuliert, sie haben oft ihre dunklen Abbgründe, die sie natürlich nicht zum Hausieren nach aussen tragen.

Hier erklärt:

Unter Neopaganismus, im Deutschen oft als Neuheidentum bezeichnet, versteht man verschiedene religiöse Strömungen, die sich vorchristlichen Naturreligionen verbunden fühlen. Heiden gehören verschiedenen Organisationen und Gruppen an. 

Auch Anhänger der nordisch-germanischen Mythologie (Asatru) gehören zu dieser religiösen Strömung. Aus dieser Mythologie hatten die Nationalsozialisten für ihre Symbolik und Rassenideologie geschöpft. Sie sahen diese germanische Religion als Teil der deutschen Kultur und Überlegenheit.

Auch heute gibt es Anknüpfungspunkte zwischen dem Neupagansimus und der rechtsextremen Szene. Sekten wie die „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ vertreten germanisch-heidnische Glaubensgrundsätze, in denen Rasse- und Artzugehörigkeit eine zentrale Rolle spielen.

Keinesfalls sollte aber allen bekennenden Heiden eine Nähe zur rechten Szene unterstellt werden. Die deutschen paganen Gruppen sind sehr heterogen,und decken ein weites politisches Spektrum ab. Sowohl die internationale Pagan Federation als auch die deutsche Kampagne „Heidentum ist kein Faschismus“ distanzieren sich von Rassismus und Ausgrenzung.

https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/neuheidentum-neopaganismus

Indecisive 
Fragesteller
 24.02.2020, 17:42

Ja, schwarze Schafe gibt es überall, davon sind auch diese religiösen Bewegungen betroffen. Auch unter "modernen Druiden" gab es bereits welche, die gerne wieder Menschenopfer einführen wollten. Sowas ist natürlich absolut widerlich und entspricht wohl kaum dem Gedankengut bzw. dem Bestreben der meisten Neuheiden.

Die Verbindung des germanischen Heidentums zur NS-Ideologie war mir bekannt, und tatsächlich wird dieses Argument gern als Waffe gegen den Neopaganismus ins Feld geführt. Umso wichtiger ist es, dass der zitierte Artikel zum Schluss betont, dass man daraus keineswegs allgemeingültige Schlüsse auf die gesamte neopagane Bewegung ziehen kann.

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einen Schöpfergott,

Das ist aber Quatsch mit Sosse. Alle Heidnischen Religionen hatten einen Schöpfergott. Und was soll daran schlecht sein?

Die Verwirrten, die mal ein Büchlein über "Heidentum" gelesen habe mag ich nicht. Um alte Kulten wiederzubeleben braucht es praktizierender Mystiker.

Indecisive 
Fragesteller
 08.03.2020, 09:47

Ich meine einen solchen Gott, wie er im Monotheismus beschrieben wird, der Herr über "alles und jeden" ist. Solch einen Gott gibt es meines Wissens nach in keiner heidnischen Religion. Ist ja auch schwer möglich, wenn es dort mehrere Götter mit unterschiedlichen Zuständigkeiten gibt.

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SaulBaeumer  08.03.2020, 12:34
@Indecisive

Das was man im Christentum Engel nennr, nannten die "Heiden" Götter. Damit enden die Unterschiede eigtl.

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Findet ihr die Sache eher lächerlich, als dass man es ernst nehmen könnte?

Das schwierige daran ist, wie man sich des EIndrucks erwehren sollte bzw. theologisch damit umgeht, dass man sich das selbst gebaut hat, denn man muss es sich ja aktiv aussuchen, und "rekonstruieren", da es diese Glaubensrichtungen ja in der Praxis nicht mehr gab. Bei diesem Rekonstruieren, wie umgeht man den Eindruck der Willkür, bzw. dass da nichts ist, außer was man sich gerade baut?

Muss man den Gott zusammenflicken, und dann kann er einem helfen oder wie?

Komisch, ne =)

Neopaganisten feiern heidnische Feste, begehen Rituale und versuchen dadurch, Spiritualität in ihr Leben zu bringen.

Hm. Das kann man auch ohne Überbau. Tu ich auch.

Diese religiösen Bewegungen zeichnen sich durch ein (für Religionen nicht immer typisches) hohes Maß an Toleranz

Sicher?

und eine starke Naturverbundenheit aus.

Sicher? Sagt sich leicht in unserer schönen mitteleuropäischen Kulturlandschaft =)

Oder meint ihr, dass dadurch die religiöse Welt eher bereichert werden kann?

Ja.

Gibt es vielleicht einen paganen Glauben, der euch besonders gut gefällt, oder seid ihr sogar selbst Anhänger einer solchen Religion?

Nein. Ich stamme vom Land, hier gibt es noch originäre Zauberer. Kein Witz. Es gibt hier vereinzelt noch "nicht importierte" Geistheiler die traditionell zaubern mit Magie, jedoch christlich verbrämt. Angesichts dessen kommt mir die Rekonstruktion einer heidnischen Welt der Vorfahren sehr schnell sehr leicht seltsam vor falls sie auf geschichtsvergessenen Mythen beruht (Beispiel: Hexen waren feministische Kräuterheilkundige, oder so was). Ich weiß dass nicht alle, längst nicht alle neuheidnischen auf solche reine Geschichtsmythologie reinfallen. Aber das trockene Rekonstruieren - wie soll man dem Problem entgehen was ich oben als erstes angesprochen habe?

Indecisive 
Fragesteller
 23.02.2020, 14:17

Gute Einwände.

Ja, es handelt sich natürlich um eher willkürlichen Rekonstruktionismus. Man kann diese alten Religionen schlichtweg nicht 1:1 "wiedererwecken", das hat verschiedene Gründe:

Zum einen haben beispielsweise die Kelten keine authentischen Schriften hinterlassen - alles, was wir über sie wissen, stammt aus überlebenden Traditionen, etwa in Wales oder Irland, oder gar von Drittquellen wie Julius Cäsar, die den Kelten nicht wohlgesonnen waren. Zweitens vertragen sich einige alte Riten nicht mit modernem Recht - etwa der "Wicker Man", eine große Weidenfigur, in der Tiere (laut Cäsar sogar Menschen) eingesperrt und lebendig verbrannt wurden, um die Fruchtbarkeitsgötter zu besänftigen.

Toleranz? Ich denke schon. Einige dieser Bewegungen arbeiten sogar zusammen. Und keine von ihnen behauptet, dass nur ihr Gott bzw. ihre Götter der/die Richtige/n wäre/n. Somit fehlt die Grundlage für religiöse Gewalt, wie sie dem Monotheismus eigen ist. Ausnahmen gibt es natürlich immer. So soll angeblich in den 90'er Jahren ein selbsternannter "Druide" versucht haben, seinen Sohn zu "opfern", um irgendwelche Geister zu erfreuen.

Die Naturverbundenheit tritt fast überall auf. Germanische Neuheiden und Keltische Druiden feiern häufig an markanten Naturplätzen, etwa bei Menhiren oder an Waldplätzen. In der finnischen Naturreligion gilt der Wald sogar als Heiliger Ort, und das Symbol des baltischen Romuva ist eine große Eiche. Pflanzen und Bäume sind für diese Menschen etwas Besonderes, ein Punkt, von dem Großstädter vielleicht sogar etwas lernen können.

Nochmal zu deinem ganz oben genannten Punkt: ich sehe im Rekonstruieren eigentlich kein gewaltiges Problem. Natürlich werden diese Religionen heute anders sein, als vor 1500 oder 2000 Jahren. Aber Religion unterlag schon immer den Gesetzen der Evolution: sie passt sich an die Umstände ihrer Zeit an. Das Christentum basiert zum Beispiel auf dem Judentum, hat heute aber nicht mehr viel damit gemeinsam. Auch das Judentum selbst hat sich radikal verändert. Kein Jude opfert heute mehr Tiere (obwohl es der Tanach verlangt) oder steinigt Ehebrecher (auch eine Forderung aus der Thora).

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