Wie kann sich mein Freund (Schwul/Aramäer) am besten in seiner Familie Outen?

4 Antworten

Hallo,

Also die Frage ist ja, ob er sich outen will. Niemand muss sich outen. Es ist eine Möglichkeit.

Manche Leute fühlen sich wohler, wenn sie geoutet sind. Sie haben dann das Gefühl, dass sie "sie selbst" sein können und ihre Gefühle nicht verstecken müssen. Oder es nervt sie vielleicht, wenn sie immer danach gefragt werden, wie ihr Traummann aussieht und wann sie denn einen Freund haben, oder was auch immer, und sie aber (auch) gerne eine Freundin hätten. Es vergrößert auch etwas deine "Möglichkeiten", z.B. wenn eine andere Person weiß, dass ihr eventuell etwas für einander empfindn könntet (weil beide homo/bisexuell).

Manche Leute fühlen sich aber auch nicht wohler damit, weil ein Outing für sie zu stressig ist und weil es eben leider immer noch Menschen gibt, die einem das Leben erschweren könnten, weil sie damit nicht "klar kommen"... Oder weil sie es einfach als nicht notwendig ansehen, sich (offiziell) zu outen.

Manche Leute haben auch kein "offizielles" Coming out mit Verkündigung oder so, sondern sie erwähnen es einfach beiläufig mal, wenn das Thema aufkommt.

Und dann kann er sich auch die Frage stellen, ob seine Eltern das wissen müssen. Eigentlich geht das ja nur ihn und vielleicht einen potentiellen Partner etwas an, oder?

Aber wenn er es seinen Eltern gerne sagen möchte, dann kann er das tun :)

Ansonsten, wenn er es will, würde ich ihm vllt folgendes sagen:

Ich kann verstehen, dass du zögerst. Du musst dich anvertrauen ohne zu wissen, wie dein Gegenüber reagiert. Andererseits: deine Eltern sollten dich so lieben wie du bist und du solltest mit ihnen reden können. Wenn du nicht weißt, wie deine Eltern zu dem Thema stehen, musst du dich ja auch nicht direkt outen. Du kannst dich erst mal langsam an das Thema rantasten, gucken, was sie zu dem Thema allgemein äußern oder ob sie ablehnend wirken. Vielleicht guckt ihr mal nen Film, wo ein lesbisches/schwules Paar vorkommt, oder ihr begegnet einem auf der Straße usw. Wenn du merkst, dass sie sich nicht negativ äußern, kannst du dich ja vorsichtig anvertrauen...? Stress dich nicht, lass dir von niemandem etwas ein- oder ausreden, sondern höre auf dein Herz, deine Gefühle. Es ist dein Liebesleben.

So, nun zum Thema Christentum.

Zur Homosexualität steht einiges in der Bibel. Allerdings muss man alles, was in der Bibel steht, im historischen Kontext von damals sehen. Eine Ehe zwischen Homosexuellen wird nicht erwähnt, ebenso wenig wie eine liebevolle, gleichberechtigte Partnerschaft!! Bei den Stellen geht es ausschließlich um homosexuellen Geschlechtsverkehr:

  • Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel. (3. Mose 18,22)
  • Wenn jemand bei einem Manne schläft wie bei einer Frau, so haben sie beide getan, was ein Gräuel ist, und sollen des Todes sterben; ihre Blutschuld komme über sie. (3. Mose 20,13)
  • Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn bei ihnen haben Frauen den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Männer mit Männern Schande über sich gebracht und den Lohn für ihre Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen. (Römer 1,26-27)

Beziehungen und sexueller Verkehr waren immer ein Machtgefüge: Die Frau ordnete sich ihrem Mann unter. Schliefen allerdings zwei Männer miteinander, übernahm einer der beiden Männer in deren Augen ja automatisch die „Frauenrolle“, ordnete sich unter, was ein Tabu war.

Zudem wurde Homosexualität damals auch immer mit Tempelprostition der „heidnischen“ Völker in Verbindung gebracht, gegen die man sich auch abgrenzen wollte.

Das hat also mit unserem heutigen Verständnis von Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nichts zu tun.

Außerdem werden im Alten Testament so einige Sachen mit dem Tode bestraft (z.B. Arbeit am Samstag) oder wurden als falsch bezeichnet (z.B. sich einer Frau nähern, während diese ihre Menstruation hat), die heute völlig normal sind, im Gegenzug waren andere Sachen normal und erlaubt, die heute allgemein als nicht in Ordnung gelten (z.B. Sklaverei (sogar seine eigene Tochter durfte man als Sklavin verkaufen)).

Die schlimme Geschichte in 1. Mose 19 ("Sodom und Gomorrha") muss bei dieser Frage außer Acht bleiben. Denn hier geht es um Vergewaltigung von Männern! Wäre das ein Argument gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, so wären biblische Erzählungen von der Vergewaltigung einer Frau auch ein Argument gegen heterosexuelle Beziehungen.

Und zu der Römerbrief-Stelle: Paulus verurteilt den Geschlechtsverkehr von Frauen und Frauen, Männern und Männern als "gegen die Natur". An anderer Stelle (1. Korinther 11,14) bietet Paulus das gleiche Argument gegen Männer auf, die das Haar lang wachsen lassen. Um "Natur" geht es da gewiss nicht. Haare wachsen bei Männern nicht weniger als bei Frauen und die Haartracht ist eine Frage von Kultur und Mode. Warum sollte der fragwürdige Naturbegriff des Paulus in der Homosexualitätsdebatte zum Urteilsgrund werden?

Und Jesus hat nie etwas zu Homosexualität gesagt! Es ist jedenfalls durch die Bibel nichts überliefert.

Und zu dem Argument, dass die Bibel die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau bestimmt hat: Falsch. Die Bibel definiert die Ehe auch als ein-Mann-viele-Frauen oder ein-Mann-viele-Frauen-und-viele-Geliebte oder Vergewaltiger-und-Opfer oder Eroberer-und-Kriegsgefangene... Das würde ich jetzt auch nicht so als das beste Eheverständnis ansehen...

Wie heißt es so schön im 1. Thessalonicherbrief: "Prüft alles, und das Gute behaltet". Und Menschen zu verdammen, nur weil sie andere Menschen mit ganzem Herzen lieben, die aber leider das "falsche" Geschlecht haben, ist mMn nicht gut.

Was sagt nun die Kirche heute?

Von "der Kirche" gibt es keine einheitliche Meinung zu dem Thema.

Die römisch-katholischen Kirchen, die orthodoxen Kirchen, einige konservativere Kirchen der anglikanischen Gemeinschaft und die meisten evangelikalen und pfingstlerischen Freikirchen und Gemeinschaften sind der Meinung, gleichgeschlechtliche Sexualbeziehungen widersprächen dem Willen Gottes. Aber auch da gibt es inzwischen einiges an Diskussion - einige katholische Würdenträger verlangen z.B. Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare...

Eine Reihe protestantischer Kirchen, vorwiegend in westlichen Ländern, haben sich akzeptierend gegenüber Homosexualität positioniert.

In 16 von 20 deutschen evangelischen Landeskirchen werden homosexuelle Paare gesegnet. Das sind keine "normalen" Traugottesdienste, sondern eben Segnungen. Aber immerhin.

In drei der evangelischen Landeskirchen können auch Homosexuelle kirchlich heiraten (die Gottesdienste sind denen der Trauungen für Heteros gleichgestellt): Hessen-Nassau, Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Rheinland. Wenn man auf dem Standesamt eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder Ehe eingegangen und dort in der Kirche ist, dann kann man in einer evangelischen Kirche heiraten.

In der EKBO (Evangelische Kirche Berlin Brandenburg Schlesische Oberlausitz) wurde im Juli 2016 die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit dem Traugottesdienst gleichgestellt und theologisch begründet.

Ein paar grundlegende Punkte sind:

  • Die Schöpfungserzählungen und entsprechende Verweise auf die Schöpfungserzählungen bieten den Spielraum, in ihnen nicht allein eine exklusive Begründung der Partnerschaft zwischen Mann und Frau zu lesen.
  • Die Intention der Schöpfungserzählungen und der mit ihnen verbundenen Passagen kann nicht allein darin gesehen werden, die Geschlechterdichotomie darzustellen
  • Die Bibel (insbes. Paulus) kannte keine gleichberechtigte homosexuelle Beziehung in Verbindlichkeit, Treue und Partnerschaftlichkeit, aber sie kannte im Umfeld eine zum Teil in der Kulturpraxis zum Teil im gesellschaftlichen Establishment verankerte sexuelle Freizügigkeit, gegen die sie sich abgrenzte
  • Die Bibel stellt die Liebe in den Mittelpunkt - und Gott ist die Liebe

Und: Wenn jetzt, wie das Verfassungsgericht gefordert hat, ein drittes Geschlecht eingeführt wird, wird das ganze ja noch mal komplizierter. Dann kann nämlich ein Mann mit einer Frau, einem Mann oder einer Intersexuellen Person ohne Geschlechtszuordnung zusammen sein. Und wer darf dann wen heiraten und woher will man wissen, dass die Person, die da vor einem sitzt und wie ein Mann aussieht, wirklich ein Mann ist und nicht eine intersexuelle Person. Inwieweit hat die Kirche dann die Kompetenz, zu entscheiden, ob und wen diese Person heiraten darf?

Mehr Infos findest du auch auf www.huk.org, das ist die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V., die haben sehr viele Texte und Veröffentlichungen zu dem Thema. Gut finde ich auch diesen Artikel hier, aus dem ich auch ein paar meiner Argumente entnommen habe: http://www.evangelisch.de/inhalte/91368/02-02-2011/bibelauslegung-homosexualitae...

Oh man, das war jetzt ein langer Beitrag :D

Liebe Grüße :)

hei36179 
Fragesteller
 03.07.2018, 04:23

Was für eine toll Antwort. Danke!💫

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will er sich denn outen ? wenn er nicht sagt, dass er das machen will würde ich ihn auf garkeinen fall dazu drängeln ... aber offen gestanden habe ich wenig ahnung von outings

Es gab vor kurz eine instagram für Aramäische lgbt leute @arameanlgbti guck dort mal

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Am besten gar nicht. Er sollte sich am besten ein Arzt suchen und versuchen gesund zu werden. Unter uns Aramäer geht es nicht, wenn Männer Schwul sind.

Alexander349  19.05.2020, 17:33

Solche Therapien sind in Deutschland verboten worden. Und, dass ist auch gut so. Viele die gedacht haben sie könnten geheilt werden hatten nach einer Therapie schlimme Psychische Schäden dagegen.
Homosexuelle Menschen können nichts für ihre Neigung zum selben Geschlecht, und man kann es auch nicht ändern.

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AramaerBerlin  04.04.2023, 02:48

Das ist ein Tabu Thema, aber einen Arzt suchen und versuchen gesund zu werden? Dann hast du die homosexualität nicht verstanden. Man kommt so auf die Welt. Nach meiner Erfahrung gibt es aber einige Pfarrer bei uns die man sich anvertrauen kann. Es ist nicht so dass wir komplett verschlossen sind aber in der Community wird sowas nicht besprochen. Wenn er sich outen möchte dann auch nur im Familienkreis engen Familienkreis. Und es ist schon traurig dass unsere Kultur zu diesem Thema keine Lösung hat. Für alle Homosexuelle in solch ähnlichen Kulturen, mein Mitgefühl.

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