Welche Missstände der katholischen Kirche prangert Luther besonders an?

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Hallo,

am 31. Oktober 1517 ist Martin Luther mit seinen Disputationsthesen über den Ablaßhandel mit seiner Kritik an Mißständen in der katholischen Kirche an die (gelehrte) Öffentlichkeit getreten. Die Thesen waren auf Latein verfaßt und solten Grundlage für eine Disputation unter Gelehrten sein. Luther argumentiert hier durchaus noch als katholischer Theologe, nicht als Reformator. Was ihn stört, ist die damals gängige Praxis der Sündenvergebung gegen eine Geldzahlung und ohne Buße und Reue. Er sagt, der Papst könne vielleicht Strafen erlassen, die er selbst Menschen auferlegt hat; keinesfalls aber solche, die Gott den Sündern auferlegte. Nur Gott kann Schuld ihm gegenüber vergeben, kein Mensch, selbst wenn dieser Mensch Papst ist. Luther wendet sich gegen eine leichtfertige Vergebungspraxis. Er ist der Meinung, daß das ganze Leben des Menschen eine Buße sein soll, von der man sich nicht einfach freikaufen kann.

In den 95 Thesen hält Luther noch an der Lehre vom Fegefeuer fest. Er sagt, daß kirchliche Strafen nicht in Fegefeuerstrafen umgewandelt werden können und daß auch niemand aus dem Fegefeuer freigekauft werden kann: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt, lautete eine Parole der Ablaßprediger.

Luther ist hier noch weit entfernt von dem späteren Reformator, der die Gnade Gottes und das alleinige Verdienst Christi ohne menschliches Zutun verkündigt (nicht zeitlich, aber inhaltlich weit entfernt). Erst im Frühjahr 1518 wird er zu den Erkenntnissen kommen, die seine spätere Lehre und sein Tun geprägt haben, vor allem die, daß wir durch Gnade, nicht durch Erfüllung irgendwelcher Gesetze oder durch irgendwelche frommen Handlungen vor Gott gerecht werden.

Dennoch äußert er schon starke Zweifel am Papstamt und an den Befugnissen des Papstes.

Hier hast Du einen Link zu einer deutschen Übersetzung von Luthers 95 Thesen:

http://www.luther.de/leben/anschlag/95thesen.html

Herzliche Grüße,

Willy