Was passiert im Kommunismus?

3 Antworten

Der Staat ist nicht gleichbedeutend mit der Gesellschaft oder Gemeinschaftswesen, sondern er ist ein Werkzeug der Herrschaft, und zwar in erster Linie der Klassenherrschaft, d.h. der Staat dient der Unterdrückung der beherrschten Klassen und sichert die Position der herrschenden Klasse sowohl durch Zwang (Polizei, Militär, Justiz) als auch durch Ideologiebildung (Schule, Staatsmedien, Kirche).

In einer klassenlosen Gesellschaft gibt es dementsprechend keine Notwendigkeit, keine Grundlage und keinen Platz für den Staat. Engels grenzt sich mit dem "Absterben" des Staates vor allem von den Anarchisten ab, die den Staat von einem Tag auf den anderen abschaffen wollen, ohne vorher seine Grundlage, die Klassengesellschaft zu beseitigen.

Dass es keinen Staat mehr gibt, heißt gerade nicht, dass es keine gesellschaftlichen Einrichtungen mehr gibt, im Gegenteil übernehmen diese die Verwaltung und Planung, die vorher im Monopol des Staates waren.

Würde es nicht zum freien Markt kommen?

Nein, denn die Produktionsmittel sind in der klassenlosen Gesellschaft Gemeineigentum und die Produktion und Verteilung werden zentral und demokratisch gesteuert. Ein Markt würde hingegen Privateigentum und Tausch voraussetzen.

Jooseppi 
Fragesteller
 17.09.2023, 08:25

Danke für die Definition von Staat. Glaube, die Anarchokapitalisten haben eine ähnliche Definition davon. Da könnte aber der Knackpunkt sein.

Trotzdem hört sich das sehr paradox an. Man lässt den Staat absterben und "ersetzt" ihn mit einem Gebilde, was die gleichen Aufgaben und Funktionen hat wie der Staat zuvor hat. Bloß nennt man das dann nicht mehr Staat.

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DiegoderAeltere  17.09.2023, 13:48
@Jooseppi
Glaube, die Anarchokapitalisten haben eine ähnliche Definition davon.

Ganz im Gegenteil. Anarchokapitalisten verstehen nicht, dass der Staat kein Gegensatz zum freien Markt ist, sondern für sein Bestehen gerade notwendig ist. Engels bezeichnete den bürgerlichen Staat als "ideellen Gesamtkapitalisten" bezeichnet, d.h. es ist seine Aufgabe, günstige Bedingungen für kapitalistisches Wirtschaften zu schaffen. Das schließt auch ein, dass das kapitalistische Gesamtinteresse im Gegensatz zu kapitalistischen Einzelinteressen stehen kann, z.B. bei der Steuerpolitik oder Mindeststandards beim Arbeitsschutz.

Nur dagegen richtet sich die Ideologie der Anarchokapitalisten. Dabei übersehen sie, dass zum Erhalt der Klassengegensätze in ihrer Utopie weiterhin ein Staat notwendig sein wird, nur dass dieser sich dann wohl aus privaten Sicherheitsfirmen formen wird.

Trotzdem hört sich das sehr paradox an. Man lässt den Staat absterben und "ersetzt" ihn mit einem Gebilde, was die gleichen Aufgaben und Funktionen hat wie der Staat zuvor hat. Bloß nennt man das dann nicht mehr Staat.

Verwaltung und Planung gehören zwar auch zu den Aufgaben des modernen Staats, sie machen aber nicht seinen wesentlichen Kern aus. Der Kern des Staates besteht im Gewaltmonopol, und da der Staat inmitten von Klassenkämpfen entstanden ist, liegt dieses Gewaltmonopol bei Vertretern der mächtigeren Klasse, d.h. bei den Kapitalisten.

Mit der Auflösung der Klassen soll auch das Gewaltmonopol und damit der Staat verschwinden. Verwaltung und Planung wird es weiterhin geben, aber diese Aufgaben werden dann von der Gesellschaft ohne Beteiligung eines Staates erledigt.

Der wesentliche Unterschied der marxistischen Auffassung zum Anarchismus ist der, dass die Revolution nicht unmittelbar in die klassenlose Gesellschaft übergehen kann. Stattdessen wird für die Zeit des Übergangs zur klassenloser Gesellschaft wird ein revolutionärer Arbeiterstaat als Halbstaat nötig bleiben, der Versuche einer kapitalistischen Konterrevolution abwehrt. "Halbstaat" deswegen, weil dieser Staat im Gegensatz zu allen historisch bestehenden Staaten der Staat einer Mehrheit (eben der Arbeiterklasse) statt einer Minderheit sein wird.

Für diesen Übergang war auch die Bezeichnung "Diktatur des Proletariats" gebräuchlich, die heute missverständlich ist, da die "Diktatur" hier Demokratie keinesfalls ausschließen soll, sondern im Gegenteil hier erstmals echte Demokratie in Form der Rätedemokratie (statt Parlamentarismus) bestehen soll. In der Sowjetunion führte die Entmachtung der Räte zur Bildung einer abgehobenen bürokratischen Elite, die den Sozialismus verzerrte und ihren eigenen Interessen unterordnete.

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Nein, der Staat ist nicht mehr notwendig, weil sich die Leute selbst verwalten in einer freien Assoziation freier Produzenten. Das Verhältnis des Einzelnen zu allen anderen und umgekehrt ist aufgrund des fehlenden Eigennutzes immer positiv bzw. besteht der Eigennutz noch darin, allen anderen nutzen zu wollen. Der freie Markt gleitet zuvor in die sozialistisch /kommunistische Produktionsweise und ist als Absatzmarkt, wo mit Geld und Waren gefeilscht wird, irgendwann nicht mehr notwendig, weil die Verteilung nach den Bedürfnissen möglich wird aufgrund der hohen Produktivität, die zugleich zielgerichtet u. individuell sein wird.

Kommunismus ist nicht nur Marx und Engels. Und ehrlicherweise ist deren Vorstellung davon auch ein bisschen, nun ja, realitätsfern.

Engels spielt aber natürlich klar auf Anarchie, also Herrschaftslosigkeit an. In der Theorie würde das heissen, dass die Menschen sich wohl in kleineren Gruppen ganz selber verwalten würden. Das allerdings bedeutet nicht Gesetzlosigkeit, somit könnte der Markt nach wie vor eingeschränkt werden.

Allerdings muss man beachten, das Herrschaftslosigkeit und eine klassenlose Gesellschaft eigentlich nichts anderes sind als Demokratie. Zumindest basiert es auf den gleichen Grundannahmen und Prinzipien. Und dementsprechend wäre ein staatlicher Kommunismus viel wahrscheinlicher. Schon nur, weil Staatenlosigkeit praktisch zwingend wieder zu Staaten oder staatsähnlichen Gebilden führen würde.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe mich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt...
Jooseppi 
Fragesteller
 16.09.2023, 12:04

Da ist bei mir noch was unklar:

Wer setzt die Gesetze durch, wenn alles in kleineren Gruppen, also dezentral ist?

Herrschaftslosigkeit mitunter ist Demokratie? Demokratie bedeutet Volksherrschaft und klassenlose ist in der Definition auch kein Bestandteil davon. Auch die Grundannahmen und Prinzipien sind meiner Ansicht nach kein Teil von Demokratie.

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Norjakeista  16.09.2023, 12:37
@Jooseppi
Wer setzt die Gesetze durch, wenn alles in kleineren Gruppen, also dezentral ist?

Wohl die Gruppen. Ich stelle mir das ein bisschen so vor vom Prinzip:

Wir haben ein Dorf, und dann kommen dei Leute da zu Versammlungen zusammen und bestimmen nach demokratischen Prinzipien Regeln, an die sich alle zu halten haben. Diese Versammlungen dürften dann auch als "Gericht" wirken, es würden also auch Regelverstösse wohl so verurteilt.

Demokratie bedeutet Volksherrschaft

Genau, allerdings, so zumindest die Theorie, über jeder einzelne Mensch exakt gleich viel Macht über das gesamte Kollektiv aus. Damit heben sich jegliche Machtverhältnisse auf, und ein Mensch kann über einen anderen Menschen nur so viel Macht ausüben, wie dieser Mensch auch über ihn ausüben kann. Und ich bin der Überzeugung, dass diese absolute Gleichheit in der Herrschafts/Machtausübung mit einem Zustand der Herrschaftslosigkeit gleichsetzen lässt.

klassenlose ist in der Definition auch kein Bestandteil davon.

Doch, durchaus. In politischen Belangen sollte eine Demokratie klassenlos sein, d.h. jeder Mensch hat dieselbe Anzahl von Stimmen und niemand hat aufgrund seiner Geburt spezielle politische Rechte oder Pflichten. Aber selbstverständlich, neben dem politischen Geschäft schliesst Demokratie Klassen natürlich nicht aus.

Auch die Grundannahmen und Prinzipien sind meiner Ansicht nach kein Teil von Demokratie.

Das sehe ich anders: Wie gesagt, politische Klassenlosigkeit und politische Gleichheit sind die absoluten Grundlagen der Demokratie. Wenn wir eine Grundannahme hätten, das manche Menschen, z.B. aufgrund adliger Abstammung mehr Wert haben und dementsprechend das dreifache Stimmrecht haben oder sogar alleiniges Recht auf ein öffentliches Amt o.ä., dann wäre das nicht mehr so eine intakte Demokratie.

Aber ich glaube, ich kann auch deinen Standpunkt verstehen.

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WalterMatern  16.09.2023, 12:54
@Norjakeista
. Diese Versammlungen dürften dann auch als "Gericht" wirken, es würden also auch Regelverstösse wohl so verurteilt.

Diese Versammlung beschliesst "Erschliessungsgebühren" und " prüft" diese auch gleich?

Danke für das Gespräch.

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Norjakeista  16.09.2023, 12:59
@WalterMatern

Ich weiss nicht, was du mir damit sagen willst. Das ist meine Interpretation der Idee einer staatenlosen Gesellschaft, die ich jedoch, vielleicht habe ich das nicht klar genug ausgedrückt, nicht vertrete, sondern lediglich als Antwort auf die Nachfrage von Jooseppi geschildert habe.

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WalterMatern  16.09.2023, 13:21
@Norjakeista

. . . und ich wache jeden Morgen mit der Erwartung in einer Welt zu leben in der sich alle lieb haben.

Nein ernsthaft, Macht braucht mindestens Kontrolle und am besten Transparenz.

Es wird nicht funktionieren sein Leben irgendeiner Institution auf "Gedeih und Verderb" zu unterstellen.

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Norjakeista  16.09.2023, 13:23
@WalterMatern

Sehe ich genauso.

Wie gesagt, ich habe hier lediglich auf eine Nachfrage des Fragestellers gesagt, was ich unter einer staatenlosen Gesellschaft verstehen würde, das ist aber nichts, was ich für erstrebenswert halte oder das ich auf irgendeine Wiese vertreten würde.

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