Was meint Immanuel Kant mit interesselosem Wohlgefallen?

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Ein interesseloses Wohlgefallen hat ein Mensch, wenn ihm etwas gut gefällt und also eine Empfindung der Lust auftritt, dieses Wohlgefallen aber durch kein Interessse (für seine Sinne oder seine Vernunft) bedingt ist, sondern unabhängig von einem persönlichen Nutzen auftritt.

In dem markierten Textabschnitt geht es nicht darum, sondern um ein verwandtes Thema, nämlich inwiefern (in Kants Theorie der Ästhetik) beim Schönen das Geschmacksurteil allgemein sein kann (subjektive Allgemeingültigkeit).

Kant meint, im Geschmacksurteil, etwas sei schön, stecke ein subjektiver allgemeiner Anspruch, ein anderer Mensch müsse unter denselben Bedingungen dieses auch als schön empfinden können. Zwar empfinden nicht tatsächlich alle Menschen dasselbe schön. Subjektiv meinen sie aber, in dem, was sie als schön beurteilen, sei etwas enthalten, alllgemein als schön beurteilt zu werden („was unserer Meinung nach genügend Recht und Verdienst in sich selbst trägt, um von allen als schön angesehen zu werden.“).

eine wichtige Textgrundlage:  

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft. Erster Abschnitt. Analytik der ästhetischen Urteilskraft. Erstes Buch. Analytik des Schönen

Kant unterscheidet die Art des Wohlgefallens beim Angenehmen, beim Schönen und beim Guten. Das Angenehme (angenehm ist, was den Sinnen gefällt) vergnügt (es gibt ein Interesse an der Existenz dessen, was gefällt, nämlich im Genuß), das Schöne gefällt einfach bloß, beim Guten wird ein objektiver Wert gesetzt.

Kants Theorie der Ästhetik

Ästhetik ist der Bereich der Sinneswahrnehmung einschließlich der dabei auftretenden Urteile. Die ästhetische Urteilskraft ist das Vermögen (die Fähigkeit), die subjektive Zweckmäßigkeit der Anschauung eines Objekts durch das Gefühl der Lust und Unlust zu beurteilen. Das ästhetische Urteil, ein Geschmacksurteil, beruht auf subjektiven Gründen. Es ist auf ein Subjekt und dessen Gefühl bei der Wahrnehmung eines Objekts bezogen. Das Geschmacksurteil ist nicht durch feste Begriffe bestimmt und kein Erkenntnisurteil. Etwas kann gefallen und mißfallen. Bei dem, was gefällt, gibt es zwei unterschiedliche Empfindungen, ein Gefühl des Schönen und ein Gefühl des Erhabenen.

Beim Schönen gibt es eine Beziehung zwischen Objekt und Subjekt, in der ein freies Spiel der Erkenntniskräfte einen harmonischen Zustand schafft (die Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand werden durch eine gegebene ästhetische Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung/Einhelligkeit versetzt). Schön ist, was ein interesseloses allgemeines Wohlgefallen erweckt/hervorruft. Das Schöne hat als Merkmale: 1. gefällt spontan, 2. gefällt aus sich heraus (Form eines zweckmäßigen Gegenstandes, aber ohne Vorstellung eines Zwecks), 3. das Urteil ist allgemein (subjektive Allgemeingültigkeit), 4. das Gefühl ist notwendig.

subjektive Allgemeingültigkeit in Kants Ästhetik

Da Kant das Schöne nicht als eine Beschaffenheit der Dinge versteht, sondern als eine bestimmte Art von Gefallen in einem Geschmacksurteil, kommt eine objektive Allgemeingültigkeit nicht gut in Frage.

Eine subjektive Allgemeingültigkeit hält Kant für möglich, indem das Urteil nicht eine auf die eigene Person beschränkte Privatmeinung ist, sondern allgemeine Zustimmung beansprucht/fordert. Immanuel Kant meinte, die vom Schönen hervorgebrachten Begriffe seien unbestimmt oder leer und hätten daher keine Objektivität. Es gibt nach seiner Auffassung eine Beziehung zwischen Objekt (Bestimmungsmerkmal des Gegenstandes) und Subjekt (Wirkung auf das betrachtende Subjekt), wobei ein freies Spiel der Erkenntniskräfte einen harmonischen Zustand schaffe (die Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand werden durch eine gegebene ästhetische Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung versetzt) und als schön gefalle.

Es gibt eine allgemeine Mitteilbarkeit eines Geschmacksurteils. Die Möglichkeit zu einer ästhetischen Einstellung ist bei jedem Menschen vorhanden. Daher kann versucht werden, Zustimmung zu erhalten, und ein anderer Mensch könnte unter denselben Bedingungen Wohlgefallen verspüren. Die Fähigkeit zu einem harmonischen Spiel von Einbildungskraft und Verstand besteht bei allen Menschen.

Die Lust beim Wohlgefallen am Schönen beruht auf subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt, den beteiligten Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand, insofern gibt es eine Möglichkeit, daß ein Geschmacksurteil von anderen Menschen geteilt wird.

N´Abend.

Kant benutzt im Prinzip eine kategorielle (ideelle) Konstruktion Platons. Dieser hatte am Beispiel des Begriffs "das Größte" versucht zu zeigen, dass, obwohl dieser Begriff in seiner absoluten Form empirisch nicht existiert sondern nur in jeweils individueller Näherung, dennoch den erkenntnisleitenden oder -strukturierenden Charakter ein Art Grund- oder Urform der Wahrnehmung als quasi "steuerungsrelevanter" Begriff unserer Erkenntnisprozesse und -fähigkeit hat, also eben ein "kategorieller Begriff" ist (siehe: Kant, Kategorien und Urteilsformen).

DAS "Schöne" ist also dieser Begriffsqualität zuzuordnen obwohl es nur in seiner jeweils individuellen Ausprägung erkenntnistheoretisch (oder besser: als kommunikationstheoretischer Kalkül) "unterwegs ist".

Gruß