Was kritisiert Karl Popper am Staatskonzept Platons?

2 Antworten

Moin,

ich halte die Antwort von User321412849 im Kern für verständlich aus heutiger Sicht. Reaktionär ist sie allerdings sicher nicht(reaktionär = Fortschritt bekämpfen, repressive Reaktion auf Neues zur Wiederherstellung des Alten) , da für Platon psychologische Sachverhalte einer pathologischen Selbstbezüglichkeit, Selbsttäuschung und Selbstgewissheit kein Thema waren, sondern primär die Frage der Möglichkeit nach dem Erreichen von Wahrheitsstandards von Aussagen und Verhalten durch die Erkenntnis universal gültiger Ideen. Insofern war Platon progressiv im Verhältnis zur Willkür der politischen Gepflogenheiten seiner Zeit. Die charakterliche Auswirkung von Wahrheitserkenntnis mag er überschätzt haben. - Das wissen wir aber erst heute. Es ist eben auch nicht alles empiristisch pragmatisch begründet (Antipode Platon: Aristoteles), was uns im Leben lenkt und leitet. (Siehe Universallogik der Menschenrechte). Nicht ein Zeitgeist oder die Wirkung von Propaganda und medial produzierte Überzeugungen entscheiden über "Richtig" und "Falsch", sondern in großen Teilen die Logik von Ideen (Menschenrechte, Demokratie, Gerechtigkeit etc. etc.) - genauso wie die Logik eines Pythagoras zu den Gesetzmäßigkeiten eines Dreiecks - die Mathematik der Ethik eben als Grundlage für die Formulierung von Alltagsmoral. (Prinzipienethik versus Utilitarismus).

Karl Popper ist Begründer des >Kritischen Rationalismus<. Aus meiner Sicht kann man seine Position unter den zeitgenössischen Philosophen nicht hoch genug einordnen, denn er hat auf sehr plausibel stringente Weise die Kernaussage der Aufklärung (als "Befreiung des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit") auf ein logisch einfaches und für jeden leicht verstehbares Prinzip reduziert und damit den Ansatz von Platon sinnvoll erweitert. Es geht um die Unterscheidung von Rationalität und Rationalitätsprinzip und damit um die Definition der Entwicklungskette >Rationalität - Vernunft - Weisheit<.

Popper sinngemäß: "Die ausschließliche Anwendung von Rationalität (als Methode) ermöglicht, dass wir sehr irrationale Ziele sehr rational verfolgen können." Die Geschichte kennt zahllose Beispiele dafür (Rassenwahn mit Universitätsexpertise, Sklavenhandel mit ökonomischer Rationalität, rational geplante und ausgeführte Verbrechen bei psychopathologischem Hintergrund etc.)

Poppers entscheidendes Argument zur Formung von Entscheidungsprozessen - egal auf welcher Ebene - ist der Irrtumsvorbehalt (>Falsifikationsprinzip<).

Insofern gilt: Entscheidungen können nur dann als gesellschaftlich ethisch und wissenschaftlich als prognostisch wahrscheinlich richtig angenommen werden, wenn Rationalität sich selbst rational auf Rationalität überprüft. Rationalität "glaubt" also nicht perse "richtig" zu sein, weil sie sich als rational "empfindet", sondern sich selbst auf ihren eigenen Anspruch mit Mitteln rationalen Denkens hin überprüft. Das wäre dann Vernunft.

Demokratie wäre ein solches Prinzip, dass sich als Kalkül gesellschaftlicher Entscheidungsfindung aus diesem Verfahren ergibt. - Irrtumsvorbehalt des Menschen durch psychologische Einflussfaktoren bei seiner Informationsverarbeitung sowie der grundsätzlichen Begrenztheit menschlichen Wissens als Grenze verfügbarer Informationen und Verarbeitungswissens ergeben in logischer Konsequenz Entscheidung durch Mehrheitsprinzip auf der Basis gleichberechtigter Zugänge zu Information, Bildung und Teilhabe an Entscheidungsverfahren. - So herum wird ein Schuh aus Platon + Popper. Und so herum ergibt sich eine rationale Grundlage, auf der wir überprüfen können, ob in unserer Gesellschaft Rationalität nur eine Methode ( einzelner Personen und Gruppen) oder ein gesamtgesellschaftliches Prinzip im Sinne von z. B. Gerechtigkeit ist.

Gruß

Dass es reaktionär ist. Platon setzt auf Diktatur.