Was ist ein Pirat eigentlich genau und welche Piraten gibt es heute?

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Diese Frage gehört in meine Kategorie: Tolle Frage! Dafür jibbet erstma den Knopf! Viele, sehr wichtige Punkte hat stonedog bereits erwähnt, was mir die Freiheit lässt, ohne das gesamte Grundgerüst darstellen zu müssen, auf die mir wichtigen Punkte eingehen zu können. Das Wort selbst ist entlehnt aus dem Italienischen von pirata, welches wiederum eine Entlehnung aus dem Griechischen darstellt, peirates zu peiran wagen, unternehmen, das Substantiv hierzu lautet peria Versuch, Wagnis. ((Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von: Seebold, Elmar, Berlin/ New York, 1999, Seite 633.) Sprachlich ist also jeder moderne Unternehmer eigentlich ein Pirat...;-)

Es hat natürlich zu allen Zeiten der Seefahrt Überfälle auf Schiffe gegeben, die von anderen Schiffen aus geführt worden sind. Doch gibt es drei verschiedene Formen des Überfalls. Und diese Form ist ausschließlich rechtlich definiert und diese seerechtliche Einstufung gilt bis heute. Schon einmal darüber nachgedacht, warum es so wichtig ist "unter welcher Flagge" ein Schiff fährt? Und was es mit der Piratenflagge auf sich hat? Diese Seezeichen sind materieller Ausdruck des tiefer liegenden Rechts. Ganz grob: der Staat, der einem Schiff erlaubt unter seiner Flagge zu fahren erhält dafür nicht nur eine Abgabe, in welcher Form auch immer, sondern dieses Schiff wird in internationalen Gewässern (also außerhalb der 12-Meilen-Zone) zum Hoheitsgebiet dieses Staates, und damit durch dessen Recht geschützt. Ein Angriff auf ein Schiff, das zum Beispiel im 17 Jahrhundert unter spanischer Flagge fuhr, konnte durchaus eine Vergeltung durch die Armada auslösen.

Internationale Abkommen haben seit langer Zeit auch die Integrität dieses Rechtsgebietes auf Schiffen geschützt, sodass ein Angriff auf ein Schiff unter bestimmter Flagge mitunter als Angriff auf den Staat selbst gewertet werden konnte. Umgekehrt, wenn ein Schiff unter keiner Flagge fährt darf es in internationalen Gewässern ohne rechtliche Konsequenzen aufgebracht werden. Piraten im rechtlichen Sinne sind Besatzungen jener Schiffe, die ohne Beflaggung fahren und diese Besatzungen dürfen von einem beflaggten Schiff festgenommen und unter das Recht des Staates gestellt werden, der das aufbringende Schiff beflaggt hat.

Wie stellte sich dies also in Zeiten vor der Staatenexpansion dar? Grundsätzlich war jedes feindliche Schiff ein Piratenschiff, also stimmt die Aussage mit den Normannen zum Beispiel. Das waren Piraten. Ein Piratenhafen entsteht dadurch, dass auch Piraten irgendwo an Land gehen und für Nachschub sorgen müssen. Das ist, aufgrund der guten Beute der Piraten ein gutes Geschäft, und wenn wir es mit Brecht betrachten, dann kommt zuerst das Fressen und dann die Moral. Bis heute überall zu beobachten. Dort konnte also unbeflaggte Schiffe einlaufen, ohne rechtliche oder justizielle Konsequenzen fürchten zu müssen. Inwieweit diese demokratische Räume waren muss offen bleiben, eine autokratische Verwaltung scheint eher zutreffend.

Der dritte Punkt, der zu erwähnen bleibt sind die Freibeuter. Auch dies hat stonedog angedeutet. Freibeuter fahren zwar auch unbeflaggt, aber sie haben sich vertraglich gegenüber einem Staat verpflichtet, dessen Schiffe unangetastet zu lassen. Dafür, und für die Aushändigung eine gewissen Teils der Beute bekamen und bekommen sie Schutz im Hoheitsgebiet der den Kaperbrief ausstellenden Staaten. Das ist im Prinzip eine Form der geheimdienstlichen Sabotage. "Wenn Sie geschnappt werden, streiten wir ab, dass wir sie kennen...." Schonmal in einem Film gehört? Genau das machen Freibeuter, sie attackieren die Nachschublinien des Feindes, ohne direkt als Beteiligter des eigenen Staates erkannt werden zu können und damit einen internationalen Zwischenfall zu vermeiden. Das Risiko für diese Damen und Herren (meist wohl Herren, Damen waren auf solche Schiffen nicht unbedingt gern gesehen) war immens, aber auch der Ertrag war nicht unbedeutend. Und als Freibeuter bestand immerhin die Möglichkeit sich später in dem Staat niederzulassen, der den Kaperbrief ausgestellt hat.

Das ist natürlich alles sehr grob und normativ, es gab immer Ausnahmen und Regierungen oder Piraten die sich nicht an die Vereinbarungen gehalten haben.

Aber eins ist klar: Frauen wollen Piraten, keine Prinzen....;-)

LiloB  07.06.2011, 15:19

na ja, lieber Nietzsche,- Frauen wollen eigentlich weder Piraten noch Prinzen - sondern" richtige Männer". (Was immer man auch darunter verstehen mag) - Aber ein paar Eigenschaften von beiden wären von Zeit zu Zeit (je nach Gelegenheit) schon ganz nett. Aber Dein Bericht über Piraten ist mehr als einen Daumen wert. Hier ist einer von mir....

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Nietzsche81  07.06.2011, 15:40
@LiloB

Na das hätte Dir nicht früher einfallen können?! Jetzt habe ich mir extra ein Holzbein und einen Haken als Hand verpassen lassen und nun erzählst Du mir, dass ihr Frauen doch keine Piraten wollt???? Wo soll ich denn jetzt eine neue Hand und einen neuen Unterschenkel herbekommen.....???!!!! Man(n) kann es Euch auch nicht recht machen....;-)

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Es sind so viel für dieses Form ungewohnt kompetente Antworten gegen worden (keine Ironie), dass mir nur noch ein ganz vereinfachender Beitrag verbleibt. Überlegen Sie einmal, welchen materiellen Wert ein großes Containerschiff, beladen mit Computern aus China oder Autos aus Südkorea bedeutet, ja selbst Rohöl bringt es gut und gerne in den siebenstelligen Bereich. Bewacht werden diese Werte durch eine Hand voll unbewaffneter Seeleute, oft noch schlecht bezahlte Anlernkräfte aus den Philippinen, Malaysia oder den FiJi-Inseln (das ist keineswegs diskriminierend gemeint). Um Sozialkosten und Steuern zu sparen, lassen die meisten Reeder ihre Schiffe unter Billigflaggenländern fahren (Zypern, Liberia, Panama), die nichts zu deren Schutz unternehmen können und auch nicht wollen. Wenn die Wasserstraßen auch noch entlang von Küsten liegen, die zu Staaten gehören, die nicht einmal ein Minimum an staatlicher Autoriät im Sinne von Ansprechbarkeit bieten, wie es leider im Falle von Somalia ist. Dann ist das fast so, als würden sie eine Rolex-Uhr auf einem Bahnhofsklo liegen lassen und sich wundern, wenn sie weg ist.

Nietzsche81  07.06.2011, 16:27

Dieser Beitrag des Herrn Lange ist die perfekte Ergänzung zu meinem und stonedogs Betrag, da hier die sozioökonomischen Dimensionen der modernen Seeräuberei überblicksweise sehr präzise dargestellt werden. Vielen Dank für diese wichtige Ergänzung!

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Hat sich in den Jahrtausenden tatsächlich ziemlich verändert:

  • in der Antike waren "Piraten" in erster Linie Sklavenjäger

  • dann waren es es Wikinger

  • später waren es Freibeuter, d.h. eine Art privat und freiwillig betriebene Seekriegstruppe ( Sir Francis Drake und Co. )

  • heute sind Piraten typischerweise die Küstenschutzkräfte von nicht-anerkannten Staaten oder Regierungen ( wenn ein Schiff in der Nordsee Abfall verklappen will und daran gehindert wird, dann ist das "Küstenschutz" - wenn dasselbe am Horn von Afrika passiert, nennt man es "Piraterie" )

Das interessante an den Piraten ist, dass sie eine Frühform der Demokratie repräsentieren - Piraten-Schiffe und -Häfen (z.B. Salé) waren schon demokratisch als der Rest der Welt noch strikt autokratisch war.

Piraten sind, wie du ja selber schreibst, Räuber zur See, also Leute, die mit ihren Schiffen andere Schiffe (oder auch Häfen) überfallen, um sie auszurauben.

Piraterie gibt es schon so lange, wie es Schiffe gibt. Schon lange vor den Römern haben Piraten die Meere unsicher gemacht, und sie tun es heute noch, sogar mehr als z.B. im 19. Jahrhundert. Die Beute hat sich im Lauf der Zeit geändert, aber das Prinzip dabei ist immer das selbe, nämlich das zu nehmen, was Geld bringt. Früher waren es wertvolle Gegenstände oder auch Sklaven, heute ist es vor allem das Lösegeld, das man für Personen und Schiffe erpressen kann.

Eine Sonderform der Piraterie ist die, die von einem Staat legalisiert wird. Das hat es auch zu vielen Zeiten gegeben, auch noch z.B. im Ersten Weltkrieg. Diese Piraten bekommen dann eine Genehmigung, einen Kaperbrief, müssen einen Teil ihrer Beute abgeben, und werden davon von ihrer eigenen Regierung nicht verfolgt (von den anderen natürlich schon).

Das sogenannte "Goldene Zeitalter" der Piratie war im 17. Jahrhundert und Anfang des 18. Jahrhunderts, vor allem in der Karibik. Aber natürlich hat es auch chinesische, indische, arabische etc. Piraten gegeben.

Gefährliche Piratenregionen sind heute die Küsten Westafrikas, Brasiliens und die Straße von Malakka. Heute tun Piraten oft so, als ob sie eigentlich Freiheitskämpfer oder Widerstandkämpfer mit ehrenhaften Motiven wären, aber sie sind und bleiben Kriminelle, deren Opfer nichts Ehrenhaftes an ihrem Tun finden können.

Und auch wenn es gewisse basisdemokratische Tendenzen bei den Piraten gab, waren es doch immer Verbrecher.

Eine umfassende Antwort hast Du schon; laß mich ein wenig ergänzen und präzisieren. Der letzte deutsche Kapitän, der einen KAPERBRIEF von Kaiser Wilhelm hatte, war Felix Graf Luckner, der mit seiner SEEADLER im Zuge des WK1 die Engländer gewaltig ärgerte.Die "Seeadler war ein Dreimast- Segler, aber mit zwei starken Maschinen unter Deck und einer getarnten modernen Kanone auf dem Deck. Der Auftrag war, englische oder französische Handelsschiffe zu kapern und die Ladung zu erbeuten.- Die Seeadler war als Hilfskreuzer eingestuft und auf allen Meeren unterwegs, bis sie am 23.August 1917 con einem Orkan in der Südsee zerstört wurde.Literatur: Graf Luckner: "Seeteufel", Abenteuer aus meinem Leben. Es ist seine Autobiografie im Stil jener Zeit, aber Material aus 1.Hand.