Was ist der Unterschied zwischen der Mathematik und Angewandter Mathematik?

9 Antworten

Mathematik ist eine reine Geisteswissenschaft oder auch eine "freie Kunst". Alle Gegenstände der Mathematik sind rein ideelle Größen. Die Kunst der Mathematik besteht darin, Zusammenhänge zwischen diesen ideellen Größen als Modelle zu beschreiben und auf der Grundlage einiger weniger Grundaussagen (Axiome) zu beweisen. Eines der wichtigsten Teilgebiete der Mathematik ist die Algebra.

Die Angewandte Mathematik ist - wie der Name sagt - eine Anwendungswissen-schaft. Beweise spielen darin eine durchaus untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es darum, etwas kompliziertere Probleme des Lebens und anderer Wissenschaften zu lösen. Eines der wichtigsten Teilgebiete der Angewandten Mathematik ist die Statistik.

Mathelehrer studieren Mathematik und nur am Rande Angewandte Mathematik; deren Anteil ist vielleicht 10%. In den Schulen dagegen hat ein Paradigmenwechsel von der Mathematik zu Angewandten Mathematik stattgefunden. In den schriftlichen Abiturprüfungen gibt es fast nur noch Anwendungsaufgaben. Die meisten Probleme der Geprüften dabei sind nicht innermathematisch, sondern bestehen darin, den Anwendungszusammenhang zu verstehen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
DerRoll  21.12.2019, 10:24
Beweise spielen darin eine durchaus untergeordnete Rolle.

Diese Aussage ist schlicht falsch. In Stochastik und Numerik werden an Beweise die gleichen Anforderungen gestellt wie in reiner Mathematik. Auch deine Aufgliederung ist so nicht richtig. Beide Teilgebiete, reine und angewandte Mathematik sind Teil des Mathematikstudiums und werden auch etwa gleich gewichtet. Lediglich in der Spezialisierung kann dies dann anders aussehen.

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Ottavio  21.12.2019, 11:53
@DerRoll

Statistik ist zwar auch Stochastik, aber nicht alle Stochastik ist Statistik. Mir wurde W.-Theorie zwar als "Angewandte Mathematik" angerechnet, das ist sie aber noch nicht wirklich. Von insgesamt etwas zwanzig Vorlesungen und Seminaren waren in meinem Studium gerade zwei in Angewandter Mathematik vorgeschrieben, und mehr wurden anteilig in Göttingen auch gar nicht angeboten.

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DerRoll  21.12.2019, 12:04
@Ottavio

Ich habe in Karlsruhe studiert, unser Prüfungsplan für die Diplomprüfung war (wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe) 16 SWS reine Mathematik, 14 SWS angewandte Mathematik, 12 SWS mathematisches Spezialgebiet, 12 SWS Nebenfach. Mein Spezialgebiet war Numerik von gewöhnlichen Differentialgleichungen, in diesem Gebiet habe ich auch meine Diplomarbeit geschrieben.

An Themen für die angewandte Mathematik herrschte kein Mangel, weder in Numerik noch in Stochastik. Das Statistik ein Teilgebiet der Stochastik ist und nicht umgekehrt habe ich schon geschrieben.

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Hi,

Ich beziehe mich hier auf die Antwort von Ottavio, der im Ganzen richtig argumentiert.

Man kann es allerdings einfacher formulieren:

Nur der Teil der Mathematik, der im realen Universum zu nachprüfbaren Ergebnissen führt, ist anwendtbar.

Als einfaches Beispiel:

Die Kantenlänge eines Quadrates sei mit 1 angegeben. Bestimmen Sie die Länge der Diagonale.

Die Ergebnisse in der reinen Mathematik wäre +Wurzel(2) oder -Wurzel(2)

Im Realen ergibt die 2. Lösung keinen Sinn, da negative Längen nicht existieren.

In der angewandten Mathematik geht es also um den Teil der Mathematik, der in unserer Realität brauchbare Lösungen liefert.

Manchmal stellt sich Dies allerdings erst nach hunderten von Jahren heraus (BSP Boolsche Algebra).

Philosophich gesehen, ist die Mathematik ein Hilfsmittel um die Abläufe in unserem Universum zu erklären.

Ein extrem hilfreiches Werkzeug, ohne Frage, aber nicht alle ihrer Lösungen haben einen Bezug zur Realität.

MFG automathias

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Elektrotechnik, Physik, Informatik - RWTH Aachen
DerRoll  21.12.2019, 11:44
In der angewandten Mathematik geht es also um den Teil der Mathematik, der in unserer Realität brauchbare Lösungen liefert.

Das ist eben nicht richtig. Um bei deinem Beispiel zu bleiben, die reine Mathematik stellt fest die Länge der Diagonale eines Einheitsquadrates ist sqrt(2) (übrigens sind auch in der reinen Mathematik Längen geschrieben als Norm immer postitiv!). Die angewandte Mathematik liefert ein Verfahren, sqrt(2) mit beliebiger Genauigkeit zu berechnen, beweist das dieses Verfahren konvergiert und mit welcher Geschwindigkeit es konvergiert.

Aber auch in der angewandten Mathematik wird meistens nicht mit der für reale Berechnungen iegentlich notwendigen diskreten Gleitkommaarethmetik gerechnet, sondern immer noch davon ausgegangen dass man Rechnungen mit beliebiger Genauigkeit durchführen kann und auch unendlich viel Zeit zur Verfügung hat.

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automathias  21.12.2019, 18:10
@DerRoll

Hallo DerRoll,

Ich muß Dir leider wiedersprechen !

In der 'reinen' Mathematik gibt es im eigentlichrn Sinne keine 'Längen' den dies ist ein physikalischer Begriff !

Es geht nur um die Logig innerhalb von abstrakten Konstrukten.

Die Genauigkeit oder Geschwindigkeit mit der man in der angewandten Mathematik irgendetwas berechnen kann, spielt dabei keine Rolle.

MFG automathias

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DerRoll  21.12.2019, 18:18
@automathias

Du hast schon das "geschrieben als Norm" gelesen? Und selbstverständlich spielen in der Numerik Konvergenzgeschwindigkeit und Genauigkeit eine Rolle. Wie kommst du auf die Idee das nicht?

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automathias  21.12.2019, 18:56
@DerRoll

Hallo DerRoll,

Ich habe keine Ahnung was Du mir damit sagen willst. Oder was das an meinem Kommentar ändern sollte.

Bin vieleicht einfach zu dumm.

MFG automathias

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automathias  21.12.2019, 18:59
@automathias

Hallo DerRoll,

Ich glaube ich habe Dich missverstanden.

Es geht Dir offensichtlich nicht um eine reale Geschwindigkeit, sondern um den mathematischen Fachbegriff.

In diesem Fall spielen Konvergenzgeschwindigkeit und Genauigkeit natürlich eine maßgebende Rolle.

Das ändert jedoch nichts an meiner ursprüglichen Antwort !

MFG automathias

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DerRoll  21.12.2019, 19:02
@automathias

Ich meine damit dass die Mathematik keine Länge ausrechnet, sondern eine Norm. Die Mathematik kennt aber auch kein gezeichnetes Quadrat, sondern nur die Vektoren, die die Seiten des Quadrates bilden. Das die Übersetzung der Vektoren ein Quadrat bildet und sich die Norm als Modell der Länge erweist ist schön für die Anwendung der Mathematik (NICHT für die angewandte Mathematik, das ist wie beschrieben etwas anderes) in den Natur- und Ingenieurswissenschaften.

Und ich hatte um Erläuterung wie du deinen letzten Satz meinst gebeten.

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automathias  22.12.2019, 10:42
@DerRoll

Hallo DerRoll,

Diese Diskusion entwickelt sich zu einer Haarspalterei um mathematische Fachbegriffe an der ich nicht interessiert bin.

Sicher kann man die klassische Geometrie mit ihren gezeichneten (aber idealisiert angenommenen) Zeichnungen als nicht im eigentlichen Sinne mathemetisch auffaßen und die analytische Geometrie bevorzugen.

Aber !

Mir ging es eigentlich nur darum, aufzuzeigen, daß es einen Teil der Mathematik gibt der auf unsere reale Welt angewenndet werden kann weil er brauchbare Ergebnisse liefert.

Für Physiker, Ingenieure, Statistiker, Astronomen etc.

Diesen Teilbereich bezeichne ich als 'angewandte Mathematik'.

Viele mathematische Bereiche, wie zum Beispiel 'Finite Elemente' sind in der 'reinen' Mathematik relativ uninteressant in der 'angewandten' jedoch sehr wichtig.

Auf der anderen Seite gibt es mathematische Konstrukte die keinen Bezug zur physikalischen Wirklichkeit haben und nur eine Art logischer Spielerei sind.

Das kann sich allerdings ändern.

Die Zahlentheorie (als 'Königin der Mathematik' bezeichnet und lange Zeit nur intellektuelles Spuielzeug) erwies sich als Grundlage unserer heutigen Kryptographie (siehe RSA).

Nun noch zu Deiner Frage.: Welchen letzten Satz meintest Du ?

MFG automathias

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DerRoll  22.12.2019, 10:50
@automathias
Welchen letzten Satz meintest Du ?

Den mit der Konvergenzgeschwindigkeit, hast du inzwischen beantwortet.

Tja, das ist so mit mathematischen Fachbegriffen. Und um es klar zu sagen, das ist keine Haarspalterei. Exaktheit in den Begriffen ist eine der wichtigsten Grundlagen überhaupt Mathematik betreiben zu können. Deswegen sei dir noch mal der bereits hier velinkte Artikel zu angewandter Mathematik in der Wikipedia

https://de.wikipedia.org/wiki/Angewandte_Mathematik

ans Herz gelegt, insbesondere dieser Absatz

Angewandte Mathematik, die sich mit mathematischen Methoden beschäftigt (und damit ein Teilgebiet der Mathematik ist), ist von den Anwendungen der Mathematik in der Naturwissenschaft, den Ingenieurwissenschaften und anderen Bereichen zu unterscheiden. So wird man nicht sagen, dass ein Biologe, der mathematische Methoden der Populationsdynamik benutzt und bekannte Mathematik anwendet, selbst angewandte Mathematik betreibt – er verwendet sie lediglich. Häufig ziehen Nichtmathematiker diese Grenze nicht, und sie ist nicht immer klar.

Um es vielleicht ein wenig konkret zu machen: Die Formulierung von physikalischen Problemen mit Hilfe von Differentialgleichungen verwendet die Konzepte der reinen Mathematik und stellt eine Anwendung von diesen in der Realität dar. Mit Hilfe der angewandten Mathematik, nämlich mit numerischen Methoden, können solche Differentialgleichungen nun näherungsweise konkret gelöst werden, damit wird die Überprüfung von Modell zu Realität möglich. Dies ist dann eine Anwendung der angewandten Mathematik :-).

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automathias  22.12.2019, 12:14
@DerRoll

Hallo DerRoll,

Natürlich hast Du grundzätzlich Recht.

Aber diese Auslegung ist in meinen Augen trotzdem Haarspalterei, da es ursprünglich nicht um mathematische Fachbergriffe ging, sondern um den Unterschied zwischen 'reiner' und 'angewandter' Mathematik.

Ich zitiere aus Deinem Link:

'Häufig ziehen Nichtmathematiker diese Grenze nicht, und sie ist nicht immer klar.'

Meine Intention war, dem Nichtmathematiker einen Begriff davon zu vermitteln, was der Unterschied ist !

Ich habe deshalb meine Begriffsbestimmung auf ein einfaches Niveau reduziert.

Ob Differenzialgleichungen nun zur 'reinen' Mathematik gehöhren oder zur 'angewandten' ist selbst keine Frage der Mathematik und unterliegt damit nicht ihren Kriterien, sondern sind reine Auslegungssache.

Vielen Dank für diese spannende Diskussion !

MFG automathias

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Mathematik kann als eine eigene Sprache begriffen werden, mit der zunächst die Natur in einer ganz bestimmten Art und Weise beschrieben werden kann. Sie besitzt einen großen Schatz an Vokabeln und eine ganz bestimmte Grammatik, Semantik und Rechtschreibung.

Im Mathematikstudium, also der "reinen Mathematik" beschäftigt man sich ähnlich wie im Studium einer echten Sprache vor allem mit diesen Vokabeln, grammatikalischen Regeln, der Rechtschreibung und wie und wann die korrekt anzuwenden sind.

Die angewandte Mathematik ist damit vergleichbar, eine Sprache nicht analytisch zu betrachten, sondern sie tatsächlich zur Kommunikation zu verwenden. So kann man z.B. wenn man im Ausland lebt, durchaus lernen, eine Sprache fließend zu sprechen und wunderbar zu kommunizieren. Dann ist das eine angewandte Sprache und das ist sehr gut möglich, ohne zu wissen, dass man z.B. gerade ein Präsens Konjunktiv 3. Person Singular verwendet hat.

Mathematik ist abstrakt und innermathematisch.

Angewandte Mathematik wendet die Erkenntnisse auf reale Situation an, also z. B. werden dort Rechenverfahren erstellt.

z. B. Optimierungsverfahren oder ähnliches.

Von Experte Halbrecht bestätigt

Mathematik untergliedert sich in reine Mathematik und angewandte Mathematik. Beide werden im Studium etwa gleich gewichtet.

Angewandte Mathematik ist im Studium untergliedert in Stochastik (wovon wieder Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechung und andere Teilgebiete sind) und Numerik. Numerik beschäftigt sich damit Verfahren zu finden, die mathematische Probleme näherungsweise mit sich immer wieder wiederholenden Rechnungen näherungsweise lösen können. Solche Verfahren sind dann mehr oder weniger einfach auf Computern zu implementieren.

Die Anforderungen sowohl in Stochastik wie auch Numerik sind mathematisch. D.h. auch dort müssen Behauptungen bewiesen werden, auch dort wird auf rigerose Anwendung der mathematischen Methoden Wert gelegt. Es reicht nun mal nicht zu behaupten ein bestimmtes Verfahren konvergiert gegen die wahre Lösung eines Problems. Die Behauptung muß bewiesen werden und es müssen auch Abschätzungen für den Fehler in jedem Schritt gefunden werden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl.Math.