Themenspecial 31. Januar 2023
Depression (mit der Deutschen Depressionsliga)
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Warum wird die These vom chemischen Ungleichgewicht im Gehirn noch regelmäßig bemüht, obwohl sie längt widerlegt ist?

3 Antworten

Weil Antidepressiva wirken. Warum? Gute Frage. Aber die Wirksamkeit ist durch Studien und Erfahrungswerte belegt und das ist ausreichend für die Praxis. Welchen pharmakologischen und medizinischen Hintergrund das ganze hat, ist natürlich interessant und wichtiger Gegenstand für die Forschung an neuer Methodik zur Behandlung depressiver Erkrankungen, aber für die aktuelle Praxis weniger relevant als aussagekräftige Studien.

Allein die (methodisch ausgezeichnete) Metaanalyse von Cipriani et al. zeigt, dass alle verglichenen Antidepressiva in Bezug auf die Response-Rate einem Placebo signifikant überlegen waren, allen voran Amitriptylin:

Bild zum Beitrag

Quelle: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)32802-7/fulltext

Das belegt recht eindrucksvoll die Wirksamkeit von Antidepressiva, völlig unabhängig von der dahinterliegenden Wirkungstheorie.

(Caveat: Die Studie gibt natürlich keinen Aufschluss auf die Wirksamkeit beim Einzelnen. Es kann natürlich sein - und das ist auch nicht selten so -, dass bestimmte Antidepressiva bei bestimmten Patienten nicht oder nicht ausreichend wirken. Die Cipriani-Studie zeigt nur, dass Antidepressiva systematisch wirken.)

Warum sollte eine Änderung des medizinischen Hintergrundes nun etwas an der Verschreibungspraxis ändern? Fakt ist, dass Medikamente, die die intrasynaptische Monoaminkonzentration erhöhen, häufig zu einer Linderung depressiver Symptome führen. Dass das keine direkte Implikation ist, zeigt die im verlinkten Artikel besprochene Moncrieff-Studie deutlich, aber offenbar gibt es eine Implikationskette, die häufig in einer mindestens partiellen Remission mündet.

Warum die Serotonin-Hypothese noch regelmäßig bemüht wird, lässt sich auch einfach erklären: Weil sie simpel ist. Die meisten Patienten interessieren sich nicht wirklich für den medizinischen Hintergrund ihrer Erkrankung, sondern erwarten eine einfache Erklärung, warum das Medikament, was sie verschrieben bekommen, wirkt: Antibiotika töten Bakterien ab, Antihypertensiva senken den Blutdruck, Analgetika lindern die Schmerzen. Und SSRI erhöhen eben die Serotonin-Konzentration und verbessern dadurch - auf Umwegen - die Stimmung. Erklärungen von Arzt zu Patient leben von Vereinfachungen, auch wenn diese fachlich nicht immer zu 100% korrekt sind.

Dass die Erhöhung der Serotonin-Konzentration zwar ursächlich für den Wirkerfolg ist, den Rückschluss, im Voraus hätte ein Serotonin-Mangel bestanden, allerdings nicht zulässt, könnte man als Psychiater oder Psychiaterin aber in der Tat ansprechen, um mit der vom englischen Psychiater Alec Coppen schon 1967 aufgestellten Theorie des Serotonin-Mangels, die sich unter Laien hartnäckig hält, endlich zu brechen. Möglicherweise braucht es dafür aber eine Generation an Psychiatern.

 - (Depression, Medikamente, Antidepressiva)

Es gibt immer Leute die leuchten wollen und durch solches Geschwätz aufmerksamkeit erregen wollen!

Dabei handelt es sich um einen wissenschaftlichen Diskurs. Als Betroffene, also Nicht-Mediziner, können wir diese Frage leider nicht beantworten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Betroffenenorganisation & Patientenvertretung