Warum werden ausgefallene Religionen und Glaubensrichtungen oft belächelt, auch von religiösen Menschen?

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Was ist eine "ausgefallene" Religion?

Eine Religion, in der behauptet wird, Gott habe einen Sohn gezeugt, der dann von einer Jungfrau geboren wurde und der nach seinem Tod in den Himmel aufstieg, wo er als Teil einer Dreifaltigkeit residiert und von wo er später auf die Erde zurückkehren werde?

Oder eine Religion, die behauptet, ihr Gott habe einen Erzengel beauftragt, sein Wort einem arabischen Analphabeten zu verkünden, dem es anschließend gelang, das Übermittelte Wort für Wort festzuhalten, auf dass es auf Ewigkeit unveränderlich so Bestand habe?

Ich denke, es sollte sehr vorsichtig mit dem Begriff "ausgefallene" Religion umgegangen werden.

Vor allem sollte niemand verächtlich auf eine angeblich minderwertige Religion herabschauen, nur weil diese anders ist als eine der etablierten Religionen.

Gruß, earnest

rztpll  10.03.2017, 15:22

Vor allem sollte niemand verächtlich auf eine angeblich minderwertige Religion herabschauen, nur weil diese anders ist als eine der etablierten Religionen.

Zumindest nicht so lange er selbst religiös ist.

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earnest  10.03.2017, 15:29
@rztpll

Nein, das habe ich durchaus universell gemeint.

Selbst wenn ich meine, dass ein lieber Mitmensch eine Macke hat: Warum soll ich sie nicht freundlich akzeptieren - sofern es sich um eine "friedliche Macke" handelt und solange dieser Mitmensch nicht übergriffig wird.

Auch das gehört in meinen Augen zur Toleranz.

Vom hohen Ross ist abzuraten.

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earnest  08.06.2017, 13:04

Danke für den Stern, der mich ganz besonders freut!

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scoredelia  04.11.2018, 08:48

Nun, Earnest, ich denke das Wort ausgefallen steht hier nicht abwertend, sondern einfach als Bezeichnung für, sagen wir "exotisch". Allerdings hast Du mit deinen Schlussfolgerungen natürlich recht. Der christliche Mythos ist, wie einige andere, alles andere als wissenschaftlich untermauert und könnte ebenso in weiten Teilen als Quatsch abgetan werden, wie die nordischen Götter.
Religionen haben ihren Ursprung meistens in vorwissenschaftlichen Zeiten und möglicherweise war die Geschichte dahinter sogar einmal logisch nachvollziehbar.
Es ließe sich zum Beispiel die Jungfrauengeburt Jesu als Hinweis darauf deuten, dass er quasi der "erstgeborene" Sohn Gottes, und damit sein legitimer Nachfolger war. Der Anspruch den die zeitgenössischen Religionsgründer hatten, war ein für die damalige Kultur handfester irdischer Grund. Es ging darum, Jesus als legitimen Erben des altjüdischen Gottes zu etablieren. Dass dann eine wundersüchtige spätrömische oder frühkatholische Zeit eben eine Jungfrauengeburt daraus machte (Parthogenese heißt das, soviel ich weiß), ist nun eher dem Eifer die "heiligen Schriften" möglichst originell und überhöhend zu deuten. Kein Wunder, dass jede Religion einem wissenschaftlich gebildeten Menschen erst einmal eine gehörige Portion Skepsis abnötigt. Da aber Christentum und Islam "etablierte Großreligionen" sind, hat man sich daran gewöhnt und wundert sich auch nicht über die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut Jesu Christi während der sogenannten Wandlung, dem Teil des katholischen Gottesdienstes, der dem Verteilen dieses Brotes (meist in Form einer Oblate) und des Weines, den der Priester stellvertretend für die ganze Gemeinde trinkt. Diese Geschichte hat im alten Rom für viel Blut gesorgt, da man die Mär erfand, die Christen würden in ihren damals noch geheimen Zusammenkünften kleine Kinder essen. Letztlich sind all die vielen Worte in all den Büchern Menschenwerk, das manchmal brillant und manchmal daneben ist. Und da Glaube oder glauben eine freiwillige Sache ist, die ernst genommen, Konsequenzen für das eigene Leben hat, sollte man sich schon ganz sicher sein, bevor man sich eine solche Lebensweise zulegt. Und wenn der Bekannte von halloihrda3 sich dafür entschieden hat, dann gibt es da nichts zu belächeln. Es gibt Menschen die haben gar kein Lebenskonzept, brauchen aber dringend eines. Und es gibt Menschen die können auch ohne ein recht gutes Leben führen. Und ich nehme an dass Religion ursprünglich als Lebenskonzept herausgebildet wurde. Unsere heutige Zeit hat übrigens etwas vom Ende unseres Lebenskonzepts, der Wissenschaftlichkeit. Wenn man mittels Drittmittelforschung Forschungsaufträge an seriöse Wissenschaftler vergibt, in denen das gewünschte Ergebnis bereits Vertragsbestandteil ist und die Wissenschaftler einzig die Aufgabe haben die womöglich völlig unsinnigen Zielvorgaben "wissenschaftlich" zu untemauern = die Fakten solange umzudeuten, bis Müll zur Delikatesse und ein stinkendes Auto zum Ökowunder wird, dann ist Wissenschaft nicht mehr weit davon, Religion zu werden. "Eine fragwürdige Art die Welt zu erklären."

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Weil es die reine Anzahl der Anhänger ausmacht, ob etwas als "normal" gilt und etwas anderes als "verrückt".

Zwei Beispiele.

Nehmen wir an, es kommt jemand daher und erzählt mit völligem Ernst, Aliens würden mit ihm jeden Abend pünktlich zwischen 20:12 und 21:09 Uhr durch sein Dampfbügeleisen sprechen und ihm Rezepte zu Erlangung des Weltfriedens vermitteln.

Na klar, der hat deutlichst einen anner Waffel wird man sofort denken. In der Tat schrammt der haarscharf an einem Klapsmühlenaufenthalt und medikamentöser Ruhigstellung vorbei.

Und nun kommt jemand, der erzählt was von einem kosmischen unsichtbaren Phantom (das trotzdem so aussieht wie ein Mensch), zwei Menschen in einem Wunderland mit einem Wunderbaum und verbotenen Früchten, sprechenden Schlangen, Engel mit Flammenschwertern, gebährenden Jungfrauen, Höllenfeuern und auferstandenen Zimmermännern nebst einiger Hunderttausend Morde und Genozide brutalster Art - und alles wird gut, wenn man nur in regelmäßigen Abständen virtuell in Menschenfleisch umgewandelte Teigoblaten einwirft

Und plötzlich soll das was ganz anderes sein und statt Klappsmühle bekommt der unter Umständen von Steuergeldern finanziert die Gelegenheit, seine Story unters Volk zu bringen, ja wird sogar noch vom Staat bezahlt dafür und darf sich mit Talkshowauftritten noch was dazuverdienen  und wege wenn Du was sagst, dann bist Du intolerant und bekommst Prügel mittels der Nazikeule.

An was liegt das?

An der reinen Anzahl derer, die das jeweilige Märchen ernst nehmen. Das ist schon alles.

Wenn genug Leute die Geschichte mit den Aliens ernst nehmen, klappt das auch bei dem irgendwann. Nichts ist so infantil, dass es nicht doch noch wer ernst nimmt und findet man genug, wird es steuerlich gefördert.

Und selbstverständlich besteht hierbei ein Konkurrenzdenken zwischen den Vertretern der jeweiligen Märchenerzählergilde. Die wissen genau, nimmt jeweils meine Schäfchenanzahl ab, wirds eng. Drum wird natürlich auf der Konkurrenz herumgetrampelt, die wollen einem das Wasser abgraben. Also, wehret den Anfängen, Konkurrenz gleich im Keim ersticken.

earnest  10.03.2017, 22:23

Ich hab da immer den "Papua-Neuguinea-Test" im Kopf.

Wie der geht?

Ich stelle mir vor, wie ich einem Ureinwohner von Papua-Neuguinea die Dreifaltigkeit erkläre.

Und er erklärt mir anschließend - in aller Freundschaft natürlich - die religiösen Kopfjäger-Rituale.

Das wird sicher ein interessanter interkultureller Austausch.

;-)

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earnest  11.03.2017, 06:54
@earnest

In einer zweiten Runde erkläre ich ihm das Abendmahl.

Bei den Worten: "Dies ist mein Blut...., dies ist mein Fleisch..." sehe ich ein Leuchten in seinen Augen. Er klopft mir auf die Schulter und sagt: "Ich habe dich verstanden, Bruder."

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Wenn die Betonung auf "oft, aber nicht immer" liegt, dann sehe ich die Ursache dafür als diejenige Notlösung, mit der der Fokus auf andere gelenkt wird, damit die eigenen Anteile an Unsinnsglauben möglichst nicht ins Licht der Betrachtung geraten.

Treffende Beispiele dafür gibt es reichlich, weil es wohl nur sehr wenige Erwachsene in Deutschland gibt, die noch nie von Sektierern angesprochen wurden. In solchen Fällen geht es dann darum, daß die Angesprochenen alle "ihre eigenen Irrtümer" erkennen sollen (oft sehr geschickt dadurch dargestellt, daß dann über bestimmte andere Glaubensrichtungen hergezogen wird), um sie gegen die sog. "Wahrheiten" des Sektieres auszutauschen.

Das Nichtrespektieren des Glaubens anderer hat keineswegs immer nur einen negativen Geschmack, weil sich auch religiöser Glaube recht massiv auf jede Menge andere Bereiche mit auswirken kann.

Auch zu meinen, daß über den Weg laufende schwarze Katzen Unglück bringen, ist eine Form von Glauben.

Wie willkommen ist wohl einem Arbeitgeber ein solcher Glaube, wenn ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, weil ihm mal wieder eine schwarze Katze über den Weg gelaufen ist?

Und wie gedeihlich wird das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein, wenn sich aus der Sicht des Arbeitnehmers sein Chef "total vernunftresistent" zeigt und einfach nicht einsehen will, daß schwarze Katzen Unglück bringen?

Glauben und Wissen ist selten zusammen anzutreffen. Wissen ist immer begrenzt, Glauben auch.

Es gibt zu viele Menschen, die zu wenig wissen. Auch über ihre eigene Religion. 

Es gibt zu wenig Menschen, die genügend Glauben und genügend Liebe oder Hoffnung haben.

Dieser Umstand schafft "Glaubenskriege", denn die meisten Menschen haben nie verstanden, das wir alle in einem Boot sitzen und nur die unbedingte Solidarität uns als Menschen noch retten kann.  

Warum werden ausgefallene Religionen und Glaubensrichtungen oft belächelt

Weil Religion vor allem menschliche Kultur ist. Die Mythologie und Dogmatik einer Religion ist noch mal ein eigener Bereich, der für viele nur eine Nebenrolle spielt.

Hängt jetzt jemand exotischen Religionen an, dann fällt dieser kulturelle, gesellschaftliche Aspekt eher weg und der mythologisch dogmatische Inhalt tritt in den Vordergrund.

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Was mich vor allem wundert ist das dies auch oft von Menschen christlichen oder muslimischem Glaubens ausgeht, denn diese Menschen sind doch selbst Gläubig

Mich wundert es, dass dich das wundert. Wenn ich nicht gläubig bin, dann stehe ich der Sache meist eher neutral gegenüber. Wenn ich jedoch gläubig bin, vertrete ich eine spezifische Sicht. Es ist also nur logisch, dass gerade Christen oder Muslime hier eine kritische Haltung einnehmen.