Warum sprechen so viele Menschen, die Dialekt sprechen, kein Hochdeutsch?

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So richtig Hochdeutsch spricht kaum jemand. Ich bin in Braunschweig geboren, wo man ja eigentlich Hochdeutsch redet, aber selbst dort gibt es eine Art Dialekt. Manches wird etwas anders ausgesprochen, es gibt Wörter die in anderen Bundesländern nicht gebräuchlich sind oder die man nicht mal kennt. Ich gehe z.B. umme Ecke und kaufe Bolchen.

Dialekte und/oder Akzente finde ich nicht schlimm. Schlimmer finde ich die Leute, die in der Schule, als die Grammatik durchgenommen wurde, anscheinend immer auf der Toilette waren.

Ich habe zwei Kollegen, die regen sich z.B. immer über die Verkäufers aus die Wohnzimmerabteilung auf. Ich habe aufgehört sie zu verbessern, auch wenn ich das Gefühl habe, dass meine Ohren anfangen zu bluten oder sich mein Gehirn zu verflüssigen scheint. Komischerweise reden andere Kollegen, die aus der gleichen Region kommen, nicht so. Selbst die ausländischen Kollegen sprechen besser Deutsch als die beiden.

LG

OlliBjoern  05.05.2018, 10:42

Manche grammatischen Abweichungen können aber auch dialektal bedingt sein. In Schwaben sagen auch studierte Leute oft "größer wie" (statt "größer als") oder "verzählen" (statt "erzählen") (letzteres ist eher eine lexikalische Abweichung).

Ich habe früher sehr oft "ich habe kalt" gesagt. Korrekt wäre "mir ist kalt". Auch das ist dialektal bedingt: Franzosen sagen "j'ai froid", daher sagt man im Saarland "ich hann kalt" - das ist eine grammatisch analoge Bildung, nur mit anderen Worten.

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Es kommt immer auf den Kontext an. Ich denke, dass die allermeisten Leute durchaus Hochdeutsch können. Ob sie es aber anwenden oder nicht, hängt von der Situation ab. Natürlich schreibe ich z.B. Mails an Kunden in Hochdeutsch. In meiner Freizeit kommt es auch drauf an, wo ich mich befinde. In meiner Heimatregion (Saarland) spreche ich schon Dialekt, aber dort, wo ich nun wohne, wäre das eher unpassend (da man hier einen ganz anderen Dialekt spricht).

Man muss halt abschätzen, was der Gesprächspartner versteht oder auch nicht versteht. Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn jemand z.B. Schwäbisch oder Schweizerdeutsch anwendet. Das ist halt die heimatliche Sprache der Leute, da ist nichts verkehrt dran. Erfahrungsgemäß können aber auch Schwaben Hochdeutsch (wenn sie wollen/müssen) - aber wenn es im privaten Umfeld ist, genügt Schwäbisch ja vollkommen.

Ich bin gewissermaßen mit zwei Dialekten aufgewachsen, da meine Eltern (und Großeltern) aus zwei unterschiedlichen Regionen Deutschlands kamen. Hinzu kamen etliche Umzüge in Deutschland (und mein generelles Interesse an Sprachen/Dialekten). Sicher gibt es auch Dialekte, die ich nicht gut verstehe (ich habe z.B. nie in Ostdeutschland gewohnt).

livelove1996  19.11.2018, 11:44

Mein papa redet immer Dialekt und ich habe ihn mal gefragt, ob er auf Dialekt oder hochdeutsch denkt. Er meinte auf Hochdeutsch. Das hat mich sehr verwundert, da er ja zwar immer mit Hochdeutsch konfrontiert ist, es ja auch einwandfrei versteht, aber selbst nie spricht und wenn muss er sich Mühe geben. Kommt das dann daher, dass er immer auf hochdeutsch denkt, weil er rund um die Uhr von den Medien etc mit Hochdeutsch konfrontiert wird? Aber warum spricht er es dann nicht perfekt, wenn er es ja so denken kann? Vlt ist es dann im Kopf auch nicht perfekt? Finde es einfach sehr spannend, weil ich von einigen Leuten, die Dialekt sprechen gehört habe, dass sie immer auf hochdeutsch denken. Meine Mutter hingegen denkt auf Dialekt.

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Hi,

naja, der Dialekt ist ja in frühester Kindheit angelernt und auch oft von den Eltern so vorgelebt, also gehört der Dialekt zu dir, wie dein Geburtsort.

Wenn es also keinen Grund gibt diesen abzulegen und nur noch Hochdeutsch zu sprechen, wird das auch keiner tun, logisch und plausibel, oder?

Im bayrischen Kindergärten wird nun Bayrisch unterrichtet (habe ich in einer Reportage gesehen): "Oa Oa, oa zwoa Oa?" das heißt übersetzt "Ein Ei oder zwei Eier?"

In vielen ländlichen Gebieten läuft ein Großteil der täglichen Kommunikation unter Menschen, die eben Dialekt sprechen. Da besteht keine Veranlassung, Hochdeutsch zu sprechen, im Gegenteil. Der Dialekt schafft da Nähe, Zusammengehörigkeitsgefühl und Vertrautheit.

Diesselben Menschen sind aber fast immer in der Lage, gegenüber Hochdeutschsprechenden ins Hochdeutsche (mit Akzent) zu wechseln.

Der Akzent ist nicht identisch mit dem Dialekt. Den Akzent können nur wenige vollständig ablegen. Leute wie Schäuble, Seehofer, Löw etc. wollen das wahrscheinlich auch gar nicht: Der leichte Akzent ist ein kleines "Markenzeichen" nach dem Motto: "Schaut her, ich bin so bedeutend, ich habe es nicht nötig, mich zu verbiegen. Wir können alles, außer ..." Gerade Schäuble mit seinem "Des ischt" scheint das Spiel geradezu lustvoll und provozierend zu betreiben.

Torrnado 
Fragesteller
 05.05.2018, 08:06

Danke für Deine aufschlussreiche Antwort ! :-)

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