Warum schreien Babys aus EVOLUTIONÄRER Sicht?

12 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es kamen ja schon ein Duzend Antworten wie aus der Kanone geschossen, aber keine kann stimmen. Aus 2 Gründen: 1. Zeigt der Vergleich mit den Schimpansen, dass dort genau das Gegenteil der Fall ist. Das Baby versucht möglichst ruhig und unauffällig zu bleiben. Die Mutter vernachlässigt das Baby trotzdem nicht, hat aber die Möglichkeit dieses sehr behutsam in die Gruppe einzuführen und so die Chance zu erhöhen, dass es von dieser angenommen wird. Ein Geschrei wäre kontraproduktiv. 2. Auch beim Menschen erhöht das Geschrei nicht die Aufmerksamkeit der Mutter, sondern das Baby erhöht durch Geschrei die Wahrscheinlichkeit, dass es den Unmut der unmittelbaren Umgebung hervorruft und von den genervten Eltern erschlagen oder erstickt wird.

Hieraus folgt, dass der Mensch in einer entscheidenden Phase völlig anderen Umweltbedingungen ausgesetzt war. Die Babys wurden in einer von Raubtieren gesicherten Insel aufgezogen und ständig betreut, auch dann, wenn die Mutter und der Vater abwesend (z.B. auf Nahrungssuche) waren. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Baby-Geschrei ein evolutionärer Vorteil, wie der Vergleich mit Brutkolonien von Vögel (und auch Säugetieren) zeigt, die geballt auf einer Insel brüten. Es gibt noch einen Aspekt der Brutkolonien und des Schreiens: Wie Experimente mit Krallenäffchen zeigen (siehe z.B. http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/familie/stieffamilien/evolution_und_familie.jsp ) ist die Entwicklung der Empathie-Fähigkeit korreliert mit einer gemeinsamen Jungenaufzucht. Hieraus erwächst ein weiterer Nutzen des Geschreis, aber natürlich nur, wenn die Abwesenheit von Raubtieren oder feindlichen Gruppen garantiert ist, was nur auf einer schwer erreichbaren Insel der Fall ist.

Wie man also sieht, kann man aus der Frage interessante Schlussfolgerungen über das Habitat des frühen Menschen ziehen, die von der Wissenschaft nicht durch Funde bestätigt sind.

HerrDeWorde 
Fragesteller
 14.08.2012, 21:55

Ich zeichne diese Antwort mit einem Stern aus, weil sie neue Gesichtspunkte ins Spiel bringt und Aufmerksamkeit verdient - unabhängig davon, ob das das Gelbe vom Ei und der letzte Schlüssel zur Lösung ist.

Ich nehme dies aber nur ernst, wenn der Begriff "Insel" weit gefasst ist. Ein mit Palisaden gesichertes Dorf auf einer Waldlichtung ist für mich eine Insel. Man müsste jetzt wirklich überprüfen, ob in Afrikas Lehmhüttendörfern, die oftmals schlecht geschützt sind, ebenso viel geplärrt wird.

Paviane leben auf Felseninseln an Land. Wie sieht es dort aus? So weit ich mich entsinne, toben zwar die Kinder und Halbstarken herum, die Babys sind aber tatsächlich stumme Traglinge.

Wie auch immer: Das Geschrei müsste nach dieser Theorie eine recht neuzeitliche Erfindung sein, die sich überall auf der Erde durchgesetzt hat. (Oder gibt es Stämme, wo die Kinder leise sind?) Der Vorteil muss also enorm sein, wo man sich doch mit Schimpansenähnlichen einst das gleiche Territorium geteilt hatte und die noch immer schweigsam sind.

Zumindest muss man nicht die Vernunft und die Zivilisiertheit bemühen, die es noch viel weniger lang gibt.

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Rowal  15.08.2012, 01:29
@HerrDeWorde

Erstmal danke für den Stern. Es gibt meiner Meinung nach noch andere Besonderheiten beim Menschen, die mit dem „Baby-Geschrei“ zusammenhängen. Da ist zunächst einmal zu nennen, dass eine menschliche Frau ohne weiteres jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen kann, während ein weiblicher Schimpanse nur etwa alle 4 Jahre Nachwuchs bekommt. Ein menschliches Kind durchzubringen ist aber sicherlich schwieriger als ein Schimpansen-Kind. Außerdem ist die Geburt beim Menschen komplikationsreicher. Ein jährlicher Nachwuchs in guten Zeiten ist bei einer so aufwendigen Brutpflege wie beim Menschen ist nur dann vorteilhaft und nicht nachteilig, wenn die Aufzucht eine Gemeinschaftsaufgabe ist und in einem geschützten Bereich stattfinden kann, wenn es also quasi einen „Kindergarten“ gibt. Ein weiterer Punkt ist die Fähigkeit zum Nahrungserwerb beim frühen Menschen oder den Vormenschen wie den Australopithecinen. Zum Jagen waren sie jedenfalls noch nicht fähig, aber sie ernährten sich auch nicht überwiegend aus Früchten sondern hatten einen gemischten Speiseplan, wie z.B. die Entwicklung des Gebisses beweist. Dies war nur in Gewässergebieten möglich, wo man z.B. an Muscheln herankommt. Auf diese Weise können dann auch die Kinder relativ bequem ernährt werden, die man aber natürlich nicht bei der Nahrungssuche mitnehmen kann. Der nächste Punkt ist der Verlust des Felles. Das ist nur bei ganz speziellen Umständen vorteilhabt, nämlich bei langen Wasseraufenthalten (wie bei den Flusspferden oder den Elefanten, deren Vorfahren sich sehr wahrscheinlich überwiegend im Wasser aufhielten). Bei den Babys ist ein Fell unvorteilhaft, wenn sich viele auf engem Raum befinden, da sie dann vom Ungeziefer geplagt sind. Der aufrechte Gang ist ebenfalls zunächst nur vorteilhaft, wenn man sich viel in flachem Gewässer aufhält, denn die späteren Vorteile – wie eine energiesparende Fortbewegung – waren zunächst gar nicht vorhanden wie die Anatomie die frühen Menschen beweist, sondern haben sich erst später durch Optimierung ergeben. Auch die Fähigkeit zu Schwitzen macht nur in einer wasserreichen Gegend Sinn, ansonsten ist dies wegen des Wasserverlustes nachteilig. Noch ein Punkt ist die Neigung der Pickelbildung beim Menschen am Ende der Kindheit. Das ist doch komisch in einer Lebensphase, wo es auf die Attraktivität für das andere Geschlecht ankommt. Dies kann ich mir nur so erklären, dass die Kinder am Ende ihrer Kindheit ihre geschützte Insel zwecks Nahrungssuche verlassen mussten und sich nun viel im nassen Element aufhielten. Dann nämlich ist die Fettabsonderung in dieser Lebensphase sehr nützlich und schützt die Haut. Eine Pickelbildung gibt es da nicht. Ein weiteres Relikt aus dieser Zeit ist die Fähigkeit des Menschen zu weinen, denn die anderen Affenarten können dies nicht, wohl aber Elefanten, die sich in der Vergangenheit ebenfalls mehr im Wasser aufhielten. Die besondere Fähigkeit des Menschen zu tauchen ist ganz offensichtlich, bei Schimpanse und Co. würde über die Nase Wasser in die Lunge laufen. Was weniger auffällig ist, aber wahrscheinlich viel wichtiger, ist die mit dem Tauchen verbundene Fähigkeit der Atemkontrolle, eine Voraussetzung für das Sprechen.

Wenn die eben beschriebene Überlegung stimmt, so ist klar, dass die Neugeborenen und Kleinkinder (evt. auch ältere Kinder) der frühen Menschheit separat untergebracht werden mussten, ganz im Gegensatz z.B. zu den Schimpansen. Eine Insel würde jedenfalls den bestmöglichen Schutz bieten, denn gezielte Schutz- und Verteidigungseinrichtungen konnten noch nicht gebaut werden. Das „Schreien“ macht unter diesen Umständen jedenfalls Sinn, denn die Mutter kann nicht ständig da sein. Und auch die Betreuer müssen aufmerksam gemacht werden, da diese mehrere oder viele Kinder gleichzeitig zu betreuen haben.

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HerrDeWorde 
Fragesteller
 26.08.2012, 13:49
@Rowal

Wird diese Inseltheorie noch irgendwo aufgeführt oder ist das eine private Theorie? Mir fällt auf, dass dies eine sehr revolutionäre Sicht ist, die viele Details enthält, die ich mir auch so vorgestellt habe, nur offizielle Lehrmeinung ist das ja nicht.

Nur mit den Inseln im Wasser kann ich mich nicht ganz so anfreunden. Wenn der Mensch einst von den Bäumen gestiegen ist, dann doch, weil ihn Trockenheit dazu gezwungen hat. Und die australischen Ureinwohner leben in den trockensten Gebieten. Da gibt es keine Inseln. Wie das bei den Buschleuten aussieht, weiß ich nicht mit Sicherheit. Vielleicht schreien deren Kinder nicht? Die Insel, die erwachsene Nomaden Tag für Tag zum Nahrungserwerb verlassen können - ohne Boot - und die Raubtiere trotzdem nicht erreichen können, muss erst noch entdeckt werden. Wenn man heutige Urvölker studiert (die gern an Flüssen siedeln), so werden Inseln nicht bevorzugt besiedelt.

Auch die Elefanten als Wasserwesen ... In der Eiszeit ist dem Afrikanischen ganz schnell ein Fell gewachsen, so dass die Mammuts mit dem nackten Afrikanischen näher verwandt sind als mit dem Indischen Elefanten. Da waren sie schon längt Landbewohner. Und auch in der trockenen Namib gibt es Elefanten und denen ist kein Fell nachgewachsen. Die nackte Haut ist anscheinend besser und es erübrigt sich, eine Wasservergangenheit zu konstruieren. Es mag ja irgendwo wasserliebende Vorfahren geben, aber die sehen ganz anders aus und bei all diesen Veränderungen soll die Haut die gleiche geblieben sein?

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Das ist so, weil ein Menschenbaby ohne andere Menschen absolut hilflos ist. Ein Baby was alleingelassen wird schreit. Man könnte sagen, dass ist Todesangst. Ein Rehkitz kann schon laufen nach der Geburt also brauch es dafür die Mutter nicht. Es kann auch selber zur Milchquelle und muß sich auch dafür nicht bemerkbar machen. Rein biologisch bedingt schwebt ein Baby das allein gelassen wird in Lebensgefahr! Es ist völlig hilflos. In der Evolution hatten Babys die geschrien haben, wenn man sie allein ließ bessere chancen, da jeder Mensch auf Babyschreie unbewußt reagiert und der Beschützerinstinkt geweckt wird.

HerrDeWorde 
Fragesteller
 13.08.2012, 14:09

Das leuchtet ein. Dann ist das ein relativ neuzeitlicher Reflex. Affen, die nicht ganz solche unbeholfenen Frühgeburten sind, müssten demnach leiser sein. Also:

Je größer das Gehirn, desto dicker der Kopf, desto früher die Geburt, desto hilfloser das Wesen, desto größer das Todesangstgeschrei.

Das müsste jetzt ein Tierpfleger oder so bestätigen :-)

Nun zur Gegenprobe: Babys, die einen Elternteil in der Nähe wissen, schreien nie? Muss Sichtkontakt bestehen? Babys sehen doch ziemlich schlecht.

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Mamika  13.08.2012, 21:51
@HerrDeWorde

Wie du selber schreibst, Babies sehen schlecht. Daher ist Körperkontakt das Mittel der Wahl. Bis zu ungefähr einem Jahr (wo die Kinder auch meist schon "Mama" oder "Äh" rufen können), gilt "Aus den Augen, aus dem Sinn". Wenn dein Kind dich nciht sieht, bist du für es verschwunden, denn ihm fehlt die geistige Reife um zu verstehen, dass du in der Nähe bist und wiederkommst, außerdem hat es noch kein Zeitverständnis wie wir.

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HerrDeWorde 
Fragesteller
 14.08.2012, 22:04
@Mamika

Ist ja noch kein Grund, so ein Theater zu machen. Die Evolution hätte für diesen Fall ein Schläfchen vorsehen können. Auch Füchse und andere Raubtiere lassen ihren Nachwuchs unbeaufsichtigt, um jagen zu gehen. - Wenn die da gleich schreien, sind sie Futter für eine andere Spezies.

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Hallo,

Menschenbabys kommen im prinzip 12 Monate zu früh auf die Welt. Nach 9 Monaten im Bauch ist ein Menschenbaby noch nicht ausgereift. Es kann sich weder allein fortbewegen (von leichten Kriechbewegungen mal abgesehen) noch allein ernähren. Es hat aber einen sehr ausgeprägten Greifreflex, mit dem er sich in Urzeiten am Fell der Mutter festklammern konnte. Ansonsten ist es total hilflos. Das Schreien sichert sein Überleben in sofern, dass es nicht abgelegt und vergessen werden kann. Keine Mutter kann das Schreien ihres Babys lange tatenlos ertragen. Sie wird immer den Reflex haben, es aufzunehmen (egal was die Schwiegermutter dazu sagt) und zu trösten, zu tragen und zu schaukeln. Das ist die sichere Umgebung die das Baby beruhigt weil es sich dann sicher fühlt. Außerdem wissen Babys noch nicht, dass sie eigene Personen sind. Sie halten sich für einen Teil der Mutter und verstehen es nicht, wenn diese weg ist. Es versetzt sie in Panik, zumal sie auch nicht wissen, wie endgültig die Trennung ist - sie haben das Konzept von Zeit noch nicht kennen gelernt, es zählt nur der aktuelle Moment und der scheint ohne Mutter bedrohlich.

HerrDeWorde 
Fragesteller
 13.08.2012, 19:15

Alles richtig, DH! Es erklärt das Schreien bei Abwesenheit. Aber nicht das bei Anwesenheit. Gibt es da ein Zuwendungs-Universalrezept, das sofort das Schreien beendet? Ich glaube, das würden viele gern wissen. (Vorausgesetzt, die Grundbedürfnisse sind bereits gestillt)

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Mamika  13.08.2012, 21:25
@HerrDeWorde

Da gibts kein Universalrezept, da du nie genau wissen kannst, was das Kind quält. Klar kannst du versuchen es zu Stillen (wie der Name schon sagt, hilft das meistens) um Hunger und Durst zu löschen, du kannst es herumtragen um seine Bauchschmerzen zu lindern oder ihm Nähe zugeben, usw. Aber wenn dein Kind Überreizung quält oder es etwas drückt, kann es dir das ja nicht sagen. Also kannst du es probieren und Glück haben, oder auch nicht. ;)

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Auch Tierbabies machen auf sich Aufmerksam. Vogelküken zB piepsen wie wahnsinnig wenn sie Hunger haben oder aus dem Nest gefallen sind. Es ist schlicht der erste und einzige Weg als Baby auf sich aufmerksam zu machen.

Menschliche Babies werden vermutlich vor allem deswegen häufiger schreien, weil sie keine Gefahren zu befürchten haben und sich dieses Wissen über die Jahrhunderte evolutionär eingeprägt hat, während Tiere noch stärker mit ihren Instinkten verwurzelt sind.

HerrDeWorde 
Fragesteller
 13.08.2012, 13:56

auf die Vogelküken war ich gefasst :-) Unsere Verwandschaft mit ihnen ist aber schon recht gering. Wie sieht das bei Schimpansen aus?

So groß der Radau bei den Vögeln ist: Ihre Boden-Feinde können nicht an sie heran. Ihre Luftfeinde sind zu weg weg, um sie zu hören. Wenn der Raubvogel sehr nah ist und schon sucht, dann ist das der letzte Pieps gewesen, denn er BRINGT nicht das Futter.

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Auch Tierbabys schreien/rufen, wenn die Mutter länger fort bleibt. Schon bei Katzen und Hunden siehst Du das Verhalten. Da es aber in den seltensten Fällen passiert, dass die Tierbabys länger allein gelassen werden, schreien sie nicht, machen sie nicht auf sich aufmerksam. Das "Ablegen" der Jungen ist etwas Anderes. Meist sind sie satt, verhalten sich ruhig, haben "Aufpasser" aus dem Rudel. Geparden, die "alleinerziehend" sind verlieren oft ihre Jungen, weil sie auf sich Aufmerksam machen, während die Mutter nach Beute jagd. Babys schreien nur dann, wenn ihnen etwas fehlt. Sei es eine saubere Windel, Essen, trinken. Oder ihnen tut etwas weh: Bäuerchen sitzt quer, Luft im Bauch, Hunger, Durst kann derbe weh tun. Falsche Lage.

HerrDeWorde 
Fragesteller
 13.08.2012, 14:03

Babys schreien nur dann, wenn ihnen etwas fehlt

DAS ist die große Frage hinter der Frage. Dann wären alle Mütter, die ihr Kind schreien lassen, Rabenmütter. - Leider sind die Kleinen ganz schlecht darin, sich mitzuteilen. Wenn man wirklich ALLES kontrolliert hat, möchte man über den Ausschalter stolpern oder über eine entsprechende Laufschrift "Error No. 102: Dein grimmiges Gesicht macht mir Angst."

Jetzt fehlt eben noch die Antwort eines Genies, welche sagt, ob es nicht doch ein Schreien ohne Grund gibt, z.B. um Hitze abzugeben, weil Babys ja nicht schwitzen können - also rein instinktives Überlebensverhalten Das wäre so ein Grund wie ich suche. Die Mutter könnte man sicher auch anders rufen. Mit kurzen Piepsern oder so statt Dauerbeschallung.

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