Warum ist Patriotismus nicht so stark in Deutschland?

9 Antworten

1) Nationalstolz ist Unsinn und erbärmlich: Warum sollte man stolz auf etwas sein, wofür man rein gar nichts geleistet hat? Ich mag Menschen für das, was sie sind und tun, und nicht dafür, dass sie innerhalb eines bestimmten Staatsgebiets geboren wurden.

2) Ich kann deine Erfahrung, Deutschland habe keinen Nationalstolz, nicht teilen, im Gegenteil: Ich kenne nur wenige Länder, die mehr Nationalstolz haben als Deutschland. Deutsche sind meiner Erfahrung nach enorm patriotisch und überschätzen sich in diesem Zusammenhang nur allzu oft: "Wir bauen die besten Autos, sind die besten Fußball-Spieler, brauen das beste Bier, sind die effizientesten und diszipliniertesten Arbeiter, entwickeln die fortschrittlichsten Technologien, haben die höchsten (Aus-)Bildungsanforderungen, halten uns immer an geltende Vorschriften etc." Alles Behauptungen, die man von vielen Deutschen hört und allesamt übertrieben positive Attribute enthalten, die sie sich gerne selbst zuschreiben, dabei jedoch absolut nicht von der Faktenlage gestützt, sondern i. d. R. eher widerlegt werden.

3) In keinem Land außer Deutschland wird so ein Aufstand darüber gemacht, wenn man nicht patriotisch ist. In einer Handvoll Länder wie den USA gibt es vielleicht insgesamt mehr Patriotismus als in den meisten europäischen Ländern (inkl. Deutschland, wobei ich Deutschland definitiv zu den patriotischeren Ländern Europas zählen würde), aber dafür wird dort im Gegensatz zu Deutschland kein Aufstand gemacht, wenn man nicht patriotisch und beispielsweise kein Fan seines jeweiligen Landes aufgrund dessen Geschichte ist. Es wird dort einfach akzeptiert, ohne wie in Deutschland von solch einem Unfug wie einem "Schuldkult", "Selbsthass" oder "Indoktrination in der Schule" zu sprechen, die den Deutschen vermeintlich von den Alliierten unter dem Deckmantel der Entnazifizierung aufgezwungen wurde. Dieses Narrativ ist antiamerikanistische Propaganda.

Kurz: Während es in anderen Ländern völlig normal ist, nicht patriotisch zu sein, muss man sich scheinbar nur in Deutschland fast schon dafür rechtfertigen und wird dafür nicht selten direkt als linksgrünversiffter Gutmensch betitelt.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass Deutschland weniger patriotisch wäre und seine Vergangenheit ordentlich aufarbeiten würde, statt immer nur die anderen (Alliierten) zu beschuldigen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Von Experte Geraldianer bestätigt

Ich denke, es liegt an den Pseudo-Patrioten, deren "Patriotismus" darin besteht, die AfD zu feiern, gegen Islam / Linke / Grüne / sonst alle anderen zu sein, Deutschlandflaggen zu schwingen und regelmäßig zu betonen, was für ein krasser Patriot man ist. Solche Leute leisten dem Konzept "Patriotismus" einen waschechten Bärendienst, auch wenn sie es nicht merken.

Echte Patrioten leisten tatsächlich etwas für das Land, auf das sie stolz sind und sind etwa in ehrenamtlichen Vereinen organisiert. Die haben aber (im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Pseudo-Patrioten) wenig Zeit, um zu erzählen, dass sie tolle Deutsche sind. Ich finde übrigens auch, dass Patrioten die deutsche Sprache fehlerfrei beherrschen sollten.

1TxFabulous 
Fragesteller
 20.04.2023, 15:55

thumbs up

2

Wegen der Vergangenheit des WW2.

Merke, der Schritt vom Patrioten zum rechten Nationalisten ist nicht weit! Sowohl Patriotismus als auch Nationalismus grenzt andere aus, gibt vor, wer dazu gehört und wer nicht.

Beide Begriffe sind aber unbedingt eng verbunden mit dem Begriff "Stolz" und da sollte man sich eigentlich im klaren sein, das stolz einzig und allein in einer selbst erbrachten Leistung zu suchen ist, denn auf diese kann man zurecht stolz oder auch nicht stolz sein. Ich für mein Teil bin froh das es der liebe Gott mit mir so gut gemeint hat und mich hat Leben lassen in einem Land fern von Hunger, Verfolgung usw., aber kann ich wirklich behaupten das ich stolz darauf bin?

Nein, stolz ist der völlig falsche Begriff! 

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus

"Als Patriotismus wird eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Heimat oder dem Vaterland bezeichnet, häufig bezieht er sich auf die Nation. Im Deutschen wird anstelle des Lehnwortes auch der Begriff Vaterlandsliebe als Synonym verwendet."

Ok, ich sehe durchaus ein, dass dies nicht per se schlecht sein muss. Allerdings erschließt sich mir nach wie vor nicht, worin eine Notwendigkeit dafür gesehen wird.

Eine emotionale Verbundenheit ist nichts, was man "einfordern" könnte.
Diese ist da oder eben nicht.

Ich denke, wir sollten weiterhin offen für beide Sorten Mensch sein: ob ein Mensch nun Patriotismus empfindet oder nicht, bleibt ihm überlassen. Es würde ja auch gar nicht funktionieren, jemandem, der diese emotionale Verbundenheit nicht hat, diese "vorzuschreiben".

Fehlender Patriotismus sollte nicht als "Manko" einer Person angesehen werden.