Warum glauben so viele an einen freien Willen, können aber nicht einmal erklären, was eine freier Wille sein soll?

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Nun, ich teile die Ansicht von Thomas Hobbes.

"Die Position, dass der Determinismus mit dem freien Willen verträglich sei, bezeichnet man als Kompatibilismus. Kompatibilisten wie Thomas Hobbes definieren Willensfreiheit so, dass eine Person dann frei handelt, wenn sie eine Handlung will und auch anders handeln könnte, wenn sie anders handeln wollte. Innerhalb kompatibilistischer Positionen gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Determinismus und Willensfreiheit lediglich miteinander verträglich seien oder ob der Determinismus sogar eine Voraussetzung für Willensfreiheit darstelle. Erstere bezeichnet man als weichen, letztere als harten Kompatibilismus."

Das ist übrigens die Position, welche die meisten Philosophen heute vertreten.

Natürlich gibt es deterministische Abläufe: wenn ich aus dem Fenster springe, falle ich runter. Und natürlich gibt es Prägungen des Menschen, das bestreitet auch Hobbes nicht. Man sollte Bedingtheit von Unfreiheit unterscheiden.

Ein freier Willen ist bedingt (hängt von Bedingungen ab), aber nicht unfrei.

Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:15

Das klingt nach jemanden, der schreckliche Angst davor hat, sich einzugestehen, dass es einen freien Willen nicht geben kann und darum verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht diesen irgendwie in das Offensichtliche (Determinismus) zu integrieren, obwohl man sich im Kern bewusst ist, dass das absurd und ein Zeichen von Angst ist.

Wenn man tiefer geht, stellt man sogar fest, dass es nicht einmal ein Ich (also einen festen Kern) geben kann. Kein Ding besitzt sowas. Wie sollte es dann einen freien Willen geben? Wovon sollte der ausgehen?

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OlliBjoern  07.08.2021, 13:23
@Irmin8

Ich sehe es umgekehrt: der freie Wille macht uns Angst.
Denn nur mit ihm sind wir auch für unsere Handlungen selber verantwortlich.
Wäre alles determiniert, dann wäre niemand mehr an irgendwas schuld.

In einem blanken Determinismus wären wir also fein raus.
Kein "schlechtes Gewissen" mehr. Sartre spricht von der "mauvaise foi" der Freiheit.

Er schreibt: wir sind zur Freiheit verurteilt.

Das stimmt auch heute noch. Und weil Freiheit unangenehm sein kann (so eine Verurteilung ist nicht angenehm), flüchten auch Menschen z.B. in Religionen (strenge Regeln), Drogen und allerlei Beschäftigungen, welche Freiheit einschränken.

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Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:41
@OlliBjoern

Ein freier Wille ist eine Wirkung ohne Ursache, also etwas das jedes Mal die Kette von Ursache-Wirkung sprengt. Selbst deine Gedanken sind nicht frei. Wenn du deine Gedanken beobachtest, wirst du erkennen, dass einer den anderen ablöst.

Das hat nichts mit Angst zu tun, sondern damit, zu beobachten, wie die Welt funktioniert. Ich sage, es gibt keinen freien Willen, weil ich ihn nirgends gefunden habe.

Für mich ist das auch keine 50/50 Situation. Der einzige Grund warum man sagt, es gibt einen freien Willen, ist weil die Vorstellung es könnte ihn nicht geben so furchtbar ist. Oder würdest du es sonst glauben? Ganz ehrlich?

Es gibt aber, wie gesagt, nicht einmal ein Ich. Auch das kannst du anhand von Beobachtungen feststellen. Alle sieben Jahre ist dein Körper einmal komplett erneuert (Zellen abgestorben, neue entstehen), Informationen werden gespeichert und gehen verloren.

Wo ist dieses Ich, dass ständig das Gesetz von Ursache-Wirkung außer Kraft setzt?

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OlliBjoern  07.08.2021, 14:23
@Irmin8

Ja ok, das sind dann 2 verschiedene Definitionen des freien Willens (einmal die von Hobbes, siehe oben, und dann "Wille ohne Ursache"). Dann wäre der freie Wille rein zufällig.

Ich fände es auch nicht furchtbar, wenn es keinen FW gäbe. Das wäre doch insofern gut, als dass man dann im Grunde nichts mehr falsch machen könnte - schließlich musste dann ja alles genau so kommen, wie man es auch gemacht hatte. Im Grunde könnte man sich dann auch die Justiz sparen.

Wir unterstellen Tieren keinen FW, daher stellen wir keine Tiere vor Gericht.
(Früher hatte man das mal gemacht!)

Wo das "Ich" herkommt, weiß ich auch nicht genau. Irgendwie muss das etwas mit dem Gehirn zu tun haben.

Im normalen Sprachgebrauch entscheiden wir uns ja frei für eine Partei (z.B. bei der Bundestagswahl). Natürlich hat die Entscheidung eine Ursache (z.B. das Parteiprogramm), dennoch sagen wir, dass sie frei war (solange niemand hinter einem steht und einem zu einem bestimmten Kreuzchen zwingt).

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Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 14:29
@OlliBjoern

Man könnte sich dann nicht die Justiz sparen. Wie sollte das gehen? Man würde aber weg von der Vorstellung Strafe kommen und stärker hin zum Resozialisieren. Und man würde Verbrecher nicht mehr (so) verachten, dennoch wäre der Mensch für unser Miteinander so nicht tragbar und müsste aus der Gesellschaft genommen werden, bis er wieder eingefügt werden kann. Aber es stimmt. Wir würden andere Menschen weniger bis gar nicht hassen, würden wir verstehen, dass es keinen freien Willen gibt.

Aber das schreit zuerst mal unser Ego ganz ordentlich, weil wir nicht mehr stolz sein können - ein Ego das in Wahrheit eine Illusion ist.

Du meinst wo die Ich-Illusion herkommt? Weiß ich jetzt auch nicht. Aber wie gesagt, ohne ich kein freier Wille und du kannst erkennen, dass es kein Ich gibt.

Das mit dem Parteiprogramm und der Wahl ist wieder die Handlungsfreiheit und nicht die Willensfreiheit. Da muss man, wie gesagt, unterscheiden.

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OlliBjoern  07.08.2021, 14:50
@Irmin8

Ich unterscheide schon Handlungs- von Willensfreiheit.
Aber bevor ich Partei X wähle, will ich sie ja auch wählen.
Eine Wille steckt also schon dahinter.

Dieser Wille hat eine Ursache (ist also gemäß deiner Definition unfrei), ist aber gemäß der Hobbes-Definition frei (ich hätte ja auch was anderes wollen können). Ich wurde ja nicht gezwungen.

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Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 14:59
@OlliBjoern

Nein, du vertust dich. Sonst würdest du nicht schreiben: "ich hätte ja auch was anderes wollen können." Du müsstest schreiben: "ich hätte ja auch etwas anderes tun können." Sprich es hätte dich niemand aufgehalten jemand anderen zu wählen. Aber natürlich konntest du nur das eine wollen und somit stellt sich die Frage mit dem etwas anderes tun nicht. Ich meine das ganze im Bezug auf Willens- und Handlungsfreiheit.

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OlliBjoern  07.08.2021, 15:10
@Irmin8

Naja, aber ich hätte ja auch eine andere Partei wählen wollen können.
Ich will ja auch nicht jedes Jahr dieselbe Partei wählen. Das ist ja auch flexibel.

Aber ok, ich weiß: nach Schopenhauer geht das nicht.
Schopenhauer definiert die Sache mit dem FW auch etwas anders als Hobbes, scheint mir.

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Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 15:40
@OlliBjoern

Genau, du kommst gleich auf den Punkt. Ich sehs wie Schopenhauer. Ja aber bis zum nächsten Mal Wählen bist du ja wieder von den Medien usw. extrem beeinflusst worden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass du eine andere Partei hättest wählen wollen können. Der Wille ist wie ein Fluß. Die Frage ist wohin er fließt. Ich glaub, jedes Wesen agiert aus dem Wunsch heraus glücklich zu sein und tut dies fußend auf seinem Erlebten.

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OlliBjoern  07.08.2021, 18:13
@Irmin8

Ja, ich denke auch, dass Schopenhauer da einen validen Punkt hat. Ich habe nur den Eindruck gewonnen, dass er eine andere Definition anlegt als Hobbes.

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Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 18:16
@OlliBjoern

Na wenn Hobbes einen weichen Determinismus lehrt, hat Schopenhauer sicher einen anderen Standpunkt, denn er lehrt ja einen harten: "Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will."

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Stier1240  07.08.2021, 20:10

Du kannst "freien Willen" einsetzen wie du willst und über Determimismus palavern, so viel du willst, aber mit einem "freien Willen" wird es nie einer schaffen, ohne Hilfsmittel nach oben zu fliegen, wenn er aus dem Fenster springst.

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Nach christlichem Dogma kommt alles "Gute" von Gott, aber alles "Böse" entspringt dem "freien Willen" des Menschen.

Den "freien Willen" kann man aber nicht dazu benutzen zu erklären, warum sich nicht alle Menschen zu diesem Gott bekennen und dessen Ge- und Verbote einhaltennundcstattdessen fröhlich "sündigen".

Denn die meisten Menschen bekennen sich zu dem Gott, der ihnen als Kind eingetrichtert wurde. Da es vom Zufall abhängig ist (seine Eltern kann man sich nicht aussuchen) entscheidet in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch der Zufall darüber, ob man Christ, Moslem, Hindu, Shintoist, Buddhist, Jainist oder Atheist (usw. usf.) wird.

Und wir reden hier nachweislich von mehr als 95% aller Fälle, und da den "freien Willen" ins Spiel zu bringen, ist augenscheinlich völlig unsinnig!

Einen "freien Willen" würde nur entdecken, wenn sich ein signifikanter Anteil der Menschen von der Religion der Eltern abwenden würde.

Wer wollte ein Kind hinduistischer Eltern in Indien dafür verantwortlich machen, dass es sich nicht dem christlichen Gott zuwendet?

Gott als "Schöpfer des freien Willens" ist nicht von den dadurch verursachten Übeln freizusprechen. Denn die Konsequenzen müssen Gott bekannt gewesen sein. Und ein so hohes Gut, dass man damit alles Leid rechtfertigen könnte, ist der "freie Wille" nun auch wieder nicht.

Es wäre noch verständlich, wenn alles Leid tatsächlich direkt aus dem "freien Willen" entstünde, aber es ist nicht einzusehen, warum Naturkatastrophen und Krankheiten etc. (die es schon vor dem Menschen und vor der Existenz des freien Willens gab) nun dem Menschen in die Schuhe geschoben werden.

"Gott ist der Verursacher von allem, aber nicht an allem schuld."

Eine merkwürdige Auffassung von Schuld und Verantwortung.

 

Irmin8 
Fragesteller
 07.08.2021, 20:33

Eine schöne Kritik an einem Weltbild, dass sowieso von vorne bis hinten absurd ist.

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OlliBjoern  07.08.2021, 20:53

Die Frage nach Gott hat zunächst mal gar nichts damit zu tun.
Auch hat das mit dem "nach oben fliegen" nichts damit zu tun.
Vielleicht erst mal den Unterschied zwischen Handlungsfreiheit und Willensfreiheit verstehen, bevor man hier seine Unkenntnis kundtut.

Irmin8 hat diesen Unterschied übrigens verstanden.

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Stier1240  08.08.2021, 08:00
@OlliBjoern

Die übliche primitive Masche: trifft man auf echte Argumente, dann "versteht" das der Argumentierer nicht.

Ihr seid mit euerm "freuen Willen" dermaßen lächerlich, es lohnt nicht, darauf Kraft zu verschwenden.

Einmal Dogma - immer Dogma!

  • Die Frage nach Gott hat zunächst mal gar nichts damit zu tun.

Lächerlich, wenn das erste "schlagende" Argument der "Theos" und ihrer Sympathisanten mehrheitlich immer ist: ""Gott hat dir den freien Willen gegeben. Du kannst dich auch gegen ihn entscheiden".

"Irmin8" hat richtig geschrieben:

  • "Zuerst kommt das Wollen, dann das Tun."

Aber weder er/sie noch du habt verstanden, dass es eine Freiheit des Wollens nicht gibt, und somit tatsächlich auch keine Handlungsfreiheit!. Und DAS ist der Unterschied, nicht der, den du konstruierst!

  • bevor man hier seine Unkenntnis kundtut.

Richtig! Heute schon in den Spiegel geschaut??

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Ich weiß z. B. noch nicht, was ich gleich bzw. nachher essen werde. Natürlich wird die Antwort auf diese Frage vom Inhalt meines Kühlschranks, meines Vorratsraums und eines etwaigen Einkaufs vorher limitiert, aber innerhalb dieser Grenzen wird es meine völlig freie Entscheidung sein. Ich muss noch einen Salat essen, der bis heute haltbar ist. Auch das könnte meine Entscheidung beeinflussen. Vielleicht esse ich den Salat aber auch später und dafür lieber Müsli mit Haferflocken, Weizenkeimen und Hanfsamen. Mal schauen... Ich weiß es jetzt noch nicht, aber es wird meine völlig freie Entscheidung sein (innerhalb der aufgeführten Grenzen).

So ist es - nach der Bibel - auch beim Glauben: Gott bietet uns an, an Ihn zu glauben und Ihm zu vertrauen. Diese Entscheidung können wir nur selbst mit einer völlig freien, persönlichen Entscheidung treffen, weshalb Glaube nicht vererbt werden kann (weshalb Gott in der Bibel nur Kinder und keine Enkel hat; vgl. Johannes 1,12).

Stier1240  07.08.2021, 20:15

Mannomann!

Du bist hier gewöhnlich einer der aktivsten Verfechter des Märchens vom "freien Willen" und bringst das hier auch wieder deutlich zum Ausdruck!

Aber mit deiner feigen Eingrenzung

  • innerhalb dieser Grenzen wird es meine völlig freie Entscheidung sei

führst du alle deine bisherigen Auslassungen dazu ins Absurde!

Wenn deinem "freien Willen" Grenzen gesetzt werden können, ist er alles, nur eben nicht "frei"!

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chrisbyrd  07.08.2021, 20:47
@Stier1240

Dann lies meine Antwort noch einmal genau: Es ging um ein Essen, dass natürlich durch die vorhandenen Lebensmittel in seiner Entscheidung limitiert wird.

In der Frage, ob wir an Gott glauben oder nicht, werden wir vielleicht auch durch einige Rahmenbedingungen limitiert. Eine davon wäre für mich z. B., dass ich davon überzeugt bin, dass die Bibel Gottes wahres Wort ist. Weitere könnte man aufführen.

Trotzdem haben wir - innerhalb der jeweiligen Rahmenbedingungen - die völlig freie Entscheidung...

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Stier1240  08.08.2021, 07:49
@chrisbyrd

Ich sagte bereits, dass wenn du Grenzen nennst, hinter denen der der "freie Wille" nicht mehr funktioniert, du das nicht mehr als "frei" bezeichnen kannst.

Ein Sklave, dem sein Besitzer sagt, er habe volle Freiheit, aber nur in den Grenzen seines Anwesens, ist nicht "frei".

Und selbst wenn man das als "Freiheit" bezeichnen würde, dann betrifft das bestenfalls ein wenig "Handlungsfreiheit", keinesfalls aber eine "Willensfreiheit".

Dass du das nicht verstehen kannst, glaube ich nicht.

Du willst das nicht verstehen, weil du das nach deiner Religionsdogmatik nicht verstehen darfst!

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chrisbyrd  08.08.2021, 09:25
@Stier1240

Es geht doch nicht um Religionsdogmatik. Ich bin nicht einmal in einer Kirche (da bin ich ausgetreten)...

Für mich ist es - schon vom logischen Denken her - Willensfreiheit, wenn ich mich zwischen mehreren Optionen (auch innerhalb bestimmter Grenzen) entscheiden kann.

Selbst, wenn es nur 2 Möglichkeiten gibt, kann ich mich mit meinem freien Willen für eine dieser beiden Optionen entscheiden. Bin ich an einer Kreuzung und es geht nur nach links oder rechts, entscheidet mein freier Wille, welchen dieser beiden Wege ich nehme (oder ob ich wieder zurückfahre)...

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Weil sie sich wohl kaum oder keine Gedanken über diesen Begriff, oder diese Eigenschaft des Menschen, gemacht haben.

Darum können sie darüber wenig bis nichts erklären und scheitern schon an der ersten Zwischenfrage.

Die Menschen leben ihren Freien Willen, andere glauben daran, und sie haben mit ihrem Glauben Probleme, weil sie vom Größten zum Kleinsten kommen und doch nichts Gscheits dazu beitragen können.

Daran glauben? Hättest Du gerne einen Vortrag über den Freien Willen, oder eine Diskussion?

Würde Determinismus herrschen, und es wäre gewiss, dann müßte ich mir heute die Kugel geben, ich tu es aber nicht, ätsch!

Hacker48  07.08.2021, 13:42
Hättest Du gerne einen Vortrag über den Freien Willen, oder eine Diskussion?

Nein, er hätte gerne eine Bestätigung seiner Überlegenheit.

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Nur weil man etwas nicht erklären kann, heißt es nicht, dass es nicht existiert. Entsprechend darf man dies auch als plausibel für wahr halten.

So kann man viele Beobachten in der Physik noch nicht umfassend erklären, etwa die angenommene Baryonenasymmetrie, die Quantengravitation etc. Dennoch werden viele Annahmen als These und Hypothese postuliert.

Umgekehrt gibt es Dinge, die man erklären könnte wie Tachyonen und weiße Löcher, deren Existenz aber nicht allgemein angenommen wird.