Verliebt in Psychotherapeuten?

4 Antworten

Puh, das ist jetzt eine Frage, die mir persönlich auch sehr nahe geht.

Also - vieles hast du selbst schon erkannt. Es ist nicht unüblich, dass sich zumindest phasenweise Klient*innen in ihre Therapeut*innen verlieben. Daran ist nichts verwerflich, es ist menschlich. Am Ende bedeutet das ja nichts anderes als dass da eine sehr gute, sehr vertrauensvolle Bindung ist. ABER es ist natürlich etwas, das idealerweise in der Therapie besprochen und bearbeitet werden muss. Und was natürlich nicht ausgelebt werden darf, denn das wäre höchst unethisch seitens Therapeut*in, da das ein Ausnutzen des Machtverhältnisses bedeuten würde.

Was dein Therapeut da getan hat, wenn er tatsächlich solche Komplimente formulierte, finde ich gerade so an der Grenze. Es gehört zur Therapie dazu seitens des Therapeuten, sich auf den Klienten einzulassen. Dazu gehören dann auch authentische Validierungen (oder, auf deutsch: positives Feedback, Komplimente). Diese sollten nie gelogen sein, denn das kriegen Patienten eh spitz. ABER sie dürfen natürlich ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Wenn es hier zu Grenzüberschreitungen kommt, ist das ein Fall für den https://ethikverein.de/ . In deinem Falle finde ich das, was er zu dir scheinbar gesagt hat, wirklich arg an der Grenze von konstruktiven Validierungen.

Nun ist es natürlich aber so, dass auch Therapeut*innen Menschen sind - das heißt, es kommt auch vor, dass Therapeut*innen sich in Klient*innen verlieben. Möglicherweise war das hier der Fall, da können wir nur spekulieren. Aber in jedem Falle sollten Therapeut*innen dies außerhalb der Therapie klären!!! (Zum Beispiel mit einem Supervisor.)

Warum geht mir die Frage persönlich nahe? Weil ich ähnliches erlebt habe wie du. Auch ich hatte in meiner Jugend einen Therapeuten, auch gut 25 Jahre älter. Es ist sehr nahe dran an dem, was du erzählst. Wir haben auch am Ende eigentlich kaum noch Therapie gemacht, sondern uns auf persönlicher Ebene ausgetauscht und zum Beispiel über ethische Fragen debattiert. Er war der erste Mensch, der mich damals verstanden hat (ich war ziemlich früh sehr reif), und er war oft positiv angetan von meinen reifen Überlegungen. Er sagte auch offenbar mal zu meiner Mutter, ich hätte ihn "um den Finger gewickelt".

Diese Erfahrung beeinträchtigt mich bis heute, fünfzehn Jahre später, negativ. Sein Verlust damals hat mich sehr geschmerzt. Für meine Gefühle damals hatte ich keine Worte, ich habe nicht verstanden, was "falsch" mit mir ist, warum ich so anders fühle als andere Leute, die in die Psychotherapie gehen. Vor allem hat mich verletzt, dass niemand mir geglaubt hat. Er hat ja nichts offensichtlich "Böses" getan - und das macht es so schwer, es in Worte zu fassen und für Außenstehende begreifbar zu machen. Ich habe mehrmals über die Jahre versucht, ihn nochmal zu kontaktieren, um das alles zu entwirren und Antworten auf meine Fragen zu bekommen - er hat nie geantwortet und mich so immer kaltgestellt. Ich konnte meine komplexen Empfindungen für ihn niemals mit ihm klären. Inzwischen habe ich selbst Psychologie studiert und arbeite als Psychotherapeutin. Ich kenne nun auch die andere Seite. Bis heute bin ich mir sicher (eben anhand seiner Formulierungen, die genau in diesem Grenzbereich waren, wie du es beschreibst), dass er, nun ja, vielleicht nicht in mich verliebt war, aber doch anders für mich empfunden hat als für die meisten anderen Klient*innen. Denn die Dinge, die er zuweilen zu mir sagte, würde ich niemals einem Klienten so sagen, weil das viel zu nah ist.

Im Prinzip gibt es nur folgende Wege:

  • Du versucht es zu klären mit ihm. Wenn er das denn zulässt. Am besten weiterhin in einem psychotherapeutischen Rahmen und keinesfalls privat! Sollten solche Angebote von ihm kommen, lasse dich nicht auf ihn ein! (Wobei ich hoffe, dass er die Professionalität hat, dich nicht zu umwerben.) Du wirst am Ende diejenige sein, die mit den Schäden daraus hervorgeht!
  • Was ich dir eher ans Herz legen würde: Versuche es in einer anderen Psychotherapie aufzuarbeiten. Das habe ich getan. Es hat die Wunden etwas geheilt, aber wie gesagt, ich knabbere bis heute daran. Bis heute habe ich auf jedem fachlichen Kongress einen Gefühlscocktail aus Angst und Hoffnung, ihn wiederzusehen.
  • Möglich ist auch, wenn er die Eier dazu hat, in einem Sechs-Augen-Gespräch diese Gefühle aufzuarbeiten. Also, mit ihm und einer weiteren Fachperson.
  • Wenn du meinst, dass es zu ernsten Grenzüberschreitungen kam: Melde dies dem Ethikverein! (Link oben)

Kurzum: Versuche, Abstand zu gewinnen und dich loszulösen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das unfassbar schwierig ist. Genau deswegen sind solche Grenzüberschreitungen ethisch verwerflich seitens Therapeut*innen - es kann jahrelangen Schaden verursachen bei Klient*innen!

Ich drücke dir die Daumen auf deinem Weg!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – M. Sc. Psychologie
Janni662 
Fragesteller
 07.09.2023, 22:05

Danke dir für deine Worte! Es tut gut verstanden zu werden. Glaubst du denn, dass das private Kontakt aufnehmen in keinem Szenario gut wäre? Vielleicht kann das, entgegen der meisten Behauptungen und Erfahrungen, doch auch funktionieren?

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ZionsDaughter  07.09.2023, 22:08
@Janni662

Ja, ich glaube, dass das in keinem Szenario gut wäre. Und zwar aus folgendem Grund: WENN er fachlich korrekt agiert, wird er das ohnehin abblocken und in einem fachlich-therapeutischen Rahmen klären wollen. Das wäre der ethisch richtige Weg. Allein wenn er das nicht tut, ist das für mich ein WARNZEICHEN dafür, dass er dazu tendiert, seine Macht auszunutzen.
Ich verstehe die Sehnsucht, die aus dir spricht. Ich verstehe es zu gut. Und es gibt die Möglichkeit, dass Therapeut*innen und ehemalige Klient*innen auch Beziehungen eingehen (auch wenn das von manchen - zu Recht, wie ich finde - kritisch gesehen wird). Dies darf aber erst nach einer LATENZZEIT passieren, die idealerweise mehrere Jahre andauern sollte. Bei dir fände ich aber selbst das aufgrund des hohen Altersunterschiedes fraglich - mal abgesehen davon, dass er ja verheiratet zu sein scheint, was dann nochmal eine andere Ebene aufmacht... Es gäbe zwei Machtgefälle zwischen euch: das zwischen Therapeut und Klientin und das des hohen Altersunterschiedes.
Also: JA, ich glaube, dass du dir damit mehr schaden als helfen würdest, wenn es auf privater Ebene stattfindet. Wenn er das zulässt, fangen meine Alarmglocken an zu schrillen.

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Janni662 
Fragesteller
 07.09.2023, 22:19
@ZionsDaughter

das tut irgendwo echt weh… die Vorstellung nochmal mit ihm zu reden und unseren deeptalk zu machen ist einfach so schön. Ich habe Sehnsucht danach nochmal mit ihm zu sein. Einfach wegen seiner Art, wegen seines Humors. Wir haben über die selben Sachen gelacht uns blind verstanden…

Ich bin auch fest davon überzeugt, dass er mehr für mich empfunden hat als für seine üblichen Klienten. Ich finde das ist einfach eine Sache die man spürt, von Blicken, der Art zu lächeln…, der Art zu sprechen… es war alles so stimmig. Und wir waren im Gespräch gefühlt eins.
Das abschweifen zu anderen, alltäglichen Themen geschah sehr oft und es kam oft vor, dass wir einfach nur innegehalten haben, geschwiegen haben und uns in der Art und Weise angelächelt haben dass wir beide gespürt haben wie schön es ist. Das weiß ich.

hast du einen Tipp für mich, wie ich meine Gedanken von ihm ablenke? Wie ich es schaffe nach und nach abzuschließen?

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ZionsDaughter  07.09.2023, 22:33
@Janni662

Ich kann sehr gut nachempfinden, was du fühlst. Mir ging es ähnlich. Wir haben uns viel geneckt damals, viel gemeinsam gelacht, aber auch über ernste Themen debattiert, auf eine Art und Weise, dass wir uns, metaphorisch gesprochen, voreinander verneigt haben. Es gab Situationen, in denen wir uns ohne Worte verstanden haben. Ich war sehr begeistert von der Psychologie (auch ganz unabhängig von seiner Person - immerhin bin ich jetzt ja auch Psychologin :) und er hat es genossen, mir psychologische Sachverhalte zu erklären.
Ich habe lange versucht, mich von diesen Gefühlen abzulenken und sie von mir abzuspalten - bei mir hat es damals nicht funktioniert. Was da ist an Emotionen, möchte auch bearbeitet werden. Du kannst Glück haben und vielleicht lässt es mit der Zeit bei dir nach. Vielleicht findest du irgendwann auch einen Mann, in dem du diese Gefühle wiederfindest, sodass du das erfüllend leben kannst. Die Gefahr ist aber sicherlich gegeben, dass diese Gefühle für deinen Therapeuten es verhindern, dass du dich auf andere Männer einlassen und somit eine erfüllte Beziehung führen kannst.
Ich kann dir nur raten: Versuche es aufzuarbeiten. Am sichersten ist es sicherlich in einer zweiten Therapie oder auch in einer Beratung. Und vielleicht hat er ja auch - im Gegensatz zu meinem damaligen Therapeuten - die Eier in der Hose, sich der Situation zu stellen. Das wäre wohl ideal, wenn ihr das in einem fachlichen Rahmen, gern mit jemand Drittem zu euer BEIDER Schutz, klären könnt.

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fragmich851  08.09.2023, 02:40
@Janni662

du erlebst eine sogenannte "übnertragungsphase"-das heißt du überträgst alle positiven (teileweise erotischen/sexuellen empfindungen-muß nicht sein/kann aber) auf diese person weil du mit ihr reden kannst und sie dir hilft ="gut tut"-das hat nichts mit liebe zu tun, lass die finger von dem mann-der darf sich schon aus beruflichen gründen, sich nicht mit dir abgeben=Abhängigkeitsverhältnis=PATIENT-Psychiologen und therapeuten-, auch andere Ärzte erleben das häufig bei patienten

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ZionsDaughter  08.09.2023, 11:03
@fragmich851

Ich glaube nicht, dass dein Kommentar ihr hilft. Selbst wenn es eine Übertragung ist und der Therapeut keine Grenzüberschreitung vorgenommen hat, muss diese Übertragung in der Therapie gemeinsam besprochen und bearbeitet werden. Das ist hier (bisher) nicht passiert und die Therapie wurde beendet. Zu sagen: "Das ist eine Übertragung, lass ihn" sorgt meist für Schuld- und Hilflosigkeitsgefühle auf Patientenseite und löst die Emotionen nicht auf. Übertragungen sollen IN der Therapie auftreten, nicht hinterher, wenn der Pat alleine ist. Dieser Prozess ist unfertig und Patienten damit allein zu lassen, ist höchst unprofessionell und schädlich. Insofern kann ich sie nur dazu ermutigen, das nachzubesprechen und die eigenen Empfindungen nicht mit kognitivierten Begriffen wie "Übertragung" zu relativieren.

Wobei ich, wie gesagt, seine Validierungen fragwürdig finde. Auch wenn das nicht klar gesagt werden kann in diesem Fall, würde ich nicht ausschließen, dass sein Handeln zumindest an der Grenze des ethisch Fragwürdigen stattfand.

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Ok, lass dir gesagt sein, das du nicht die erste und auch nicht die letzte Person sein wirst, die sich in einen Therapeuten "verliebt". Psychologisch ist das mehr als verständlich.

Schließlich ist eine Therapie, was sehr persönliches und intimes. Es heißt nicht umsonst "Seelenstripteas". Aber das was du nun fühlst ist nicht mal echte Liebe, das nennt man "Übertragung" du projizierst Gefühle, wie ein Projektor Bilder an eine Leinwand.

Ich empfehle dir in der nächsten Sitzung auch über diese Gefühle zu reden, und damit aufzuräumen, den eines ist klar, auf dieser Ebene kann eine Therapie nicht funktionieren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Janni662 
Fragesteller
 07.09.2023, 21:45

Die Therapie ist bereits abgeschlossen.

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Mach Dir klar, das der Therapeut das beruflich macht, und viele Patienten und Patientinnen betreut, alle so ähnlich wie Dich (sehr wahrscheinlich).

Es ist gut und wünschenswert, dass er einen starken Einfluss auf Dich bekommen hat. Aber er muss und soll die Therapie auch abschliessen und beenden, als Profi.

Freu Dich, dass Dein Problem aufgearbeitet ist, und Du keine Therapie mehr benötigt - und sie ist definitiv zu Ende damit.

Versuche privat jemanden zu finden, der ähnlich auf Dich eingehen kann im privaten.

Mit 13 saß ich vor dem Psychologen, der damals noch schlank, jung, mit tollen dunklen Haaren mir gegenüber saß. Klinik in einer anderen Stadt. Fragebogen vor mir. Da stand dann die Frage, ob ich schon mal Sex mit jemandem gehabt hätte?! Nein! Aber - ob ich so keck denken wollte, oder woher das damals kam, keine Ahnung! - in mir tauchte der Gedanke auf:"Mit DIR? Wieso nicht..." So was in der Art..Nun ist er in Rente, sein Sohn führt die Praxis weiter, er hat natürlich nie von meinen Ideen erfahren, ( ich wette, er hätte nie wieder ein Gespräch mit mir gewollt?!) die mir mit 13 kamen..Und zu seinem Sohn mag ich nicht gehen, hat aber nix mit dem Vater zu tun! Man kann das lustig oder albern finden, aber Therapeuten, die nur toll genug aussehen (?!) erwecken nun mal diese Ideen, ob sie wollen oder nicht, keiner kann seine Gedanken so beeinflussen, dass man abstreitet, die tauchen eben einfach nur so auf und ich denke: mein großes Interesse an all dem, was mit der Psyche zu tun hat, beruht auf meiner Verehrung, die ich dem Psychologen entgegenbrachte, ich beschränke es mal auf das Wort Verehrung!

"Man, was für ein toll aussehender Therapeut/Therapeutin!" Eine gemeinsame Zukunft muss man sich deshalb ja nicht gleich vorstellen..