Verdünnung einer Säure pH-Wert?

1 Antwort

Du hast 900 mg ≙ n=m/M=0.01 mol Milchsäure in 250 ml Wasser gelöst, die Stoff­mengenkonzentration beträgt also c=n/V=0.04 mol/l. Gefragt ist der pH-Wert, und wie der pH-Wert bei einer Verdünnung um den Faktor 100 aussieht. Der pKₐ-Wert von Milch­­säure ist übrigens nicht einfach ≈4, sondern pKₐ=3.86 (steht im Internet).

Kurz zusammengefaßt: wie groß ist der pH-Wert einer Milchsäurelösung mit der Kon­zentration (a) 0.04 mo/l und (b) 0.0004 mol/l?

Um den pH-Wert einer wäßrigen Säurelösung zu berechnen, gibt es eine ganze Spei­se­karte von Formeln, die ich Dir hier in einer übersichtlichen Aufstellung präsentiere:

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Kurz gesagt, muß man unterscheiden, ob die Säure stark, schwach oder dazwischen ist (das sind die Zeilen) und ob der pH-Wert allein von der Säure bestimmt wird oder auch das Wassergleichgewicht berücksichtigt werden muß (das sind die Spalten). Die Formeln in der letzten Zeile fasse die darüberliegeden zusammen, die Formeln in der zweiten Spalte beinhalten die erste — deshalb ist die Formel rechts unten immer anwendbar, ihre Ableitung habe ich kürzlich beschrieben.

Man kann sich das auch als Plot ansehen und den pH in Abhängigkeit von der Kon­zen­tration plotten. Das siehst Du jetzt hier unten; die Hintergrundfarben geben die relativen Mengen freier Milchsäure und Lactat an. Die schwarze Kurve ist der pH, und die weiße die erste Ableitung davon:

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Uns interessieren die Konzentrationen 0.04 und 0.0004 mol/l, das sind 10⁻¹·⁴ bzw. 10⁻³·⁴ mol/l, also finden wir das bei den x-Werten 1.4 bzw. 3.4.

  • Bei 0.04 mol/l liegt wirklich vorwiegend freie Milchsäure vor, die Säure kann also als schwach (= wenig dissoziiert) gelten. Mit der Formel pH=½(pKₐ−lg(c₀)) für schwa­che Säure bekommt man pH=2.63, und das ist so gut wie richtig (eine bes­sere Formel würde 2.63 liefern).
  • Aber bei 0.0004 mol/l siehst Du, daß die Säure bereits stark dissoziiert ist. Mit der­sel­ben Formel wie zuvor bekämst Du pH=3.63, und das läßt alle Alarmklingeln schril­len, denn diese Formel gilt nur wenn die Säure schwach dissoziiert ist, also wenn pH≪pKₐ. Das ist nicht wirklich der Fall, deshalb müssen wir auf eine bes­se­re Formel umsteigen, nämlich auf eine in der letzten Zeile (es reicht die lin­ke, weil pH≪7). Wir rechnen den pKₐ in die Säurekonstante um Kₐ=10⁻ᵖᴷᵃ und be­kom­men pH=−lg [ √(¼Kₐ² + Kₐ⋅c₀) − ½Kₐ ] = 3.76, und das ist schon ein merk­licher Unter­schied — immerhin liegen 44% der Säu­re als An­ion vor, und nur 56% als undis­so­zi­ierte Säure.

P.S.: Die folgende Graphik zeigt Dir, wie gut die Formel für schwache Säuren für Milchsäure funktioniert. Die Graphik ist dieselbe wie oben, aber zusätzlich habe ich noch die berechneten pH-Werte mit den Formeln für schwache Säuren eingezeichnet (die gepunktete ist die, die ich oben verwendet habe, und die strichlierte ist die, die noch zusätzlich das Wassergleichgewicht berücksichtigt; die beiden unterscheiiden sich nur bei extrem gerinngen Konzentrationen)

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Die Formel für schwache Säuren ist also bis etwa 10⁻² mol/l verläßlich, beginnt aber bei weiterer Verdünnung immer mehr abzuweichen. Bei 10⁻⁴ mol/l und darunter ist sie definitiv unbrauchbar. Unterhalb von 10⁻⁵ mol/l könnte man bereits die Formel für starke Säuren pH=−lg(c₀) verwenden, die paßt dann nämlich sehr gut, und das zeige ich auch noch mal (bei ≈10⁻⁷ mol/l und darunter braucht man dann aber wirklich das Was­ser­gleich­gewicht zusätzlich):

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Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
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Anonym205145 
Fragesteller
 20.06.2022, 22:48

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Es geht allerdings nur um eine Klausur im Pharmaziestudium, bei der ich zu allem Überfluss *keinen* Taschenrechner verwenden darf.

Deswegen rechne ich diese Rechnung wie folgt:

Ich rechne mir das Molekulargewicht der Milchsäure aus, welches bei 90g/mol liegt.

Dann dividiere ich die 900mg/90, allerdings rechne ich mit mmol weiter, damit es einfacher ist.

900/90=10. Dann noch mit 4 multiplizieren, da ich ja mit der von mir genannten Formel auf Liter rechnen möchte.

c würde dann 40 mmol/l ergeben. Um den Logarithmus ohne Taschenrechner zu rechnen, schlüssle ich das ganze auf auf lg(4*10^-2) und rechne mir lg(4) und lg(10^-2) einzeln aus.

Wenn ich dann rechne 0,5*(pks-log(c)), dann komme ich ebenfalls auf einen pH-Wert von 2,7.

Meine Frage lautet jetzt, ob ich diese Verdünnung von 1:100 (Entnahme von 1ml und auf 100ml verdünnen) so berechnen kann (näherungsweise), dass ich statt der Konzentration 4*10^-2 einfach mit 4*10^-4 rechne.

Mit anderen Formeln kann ich aufgrund des Zeitmangels und des nicht vorhandenen Taschenrechners & das Nicht-Erlernen anderer Formeln nicht arbeiten.

Bei einem anderen Beispiel, wo eine Base mit pKb von 6 und in einer Konzentration von 0,1 M vorgelegen ist, wurde 1ml entnommen und auf 1000ml verdünnt. Die Lösung der Rechnung war wie folgt ->

c / 1000 = 0,0001M

Einsetzen in die Formel = pOH= 0,5* (6 - log (0,0001)) und am Ende für den pH-Wert natürlich noch 14-pOH.

Ich möchte nur wissen, ob ich das im oben genannten Fall mit der Milchsäure ebenfalls so rechnen kann.

Vielen Dank für die Hilfe.

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indiachinacook  20.06.2022, 23:14
@Anonym205145
Meine Frage lautet jetzt, ob ich diese Verdünnung von 1:100 (Entnahme von 1ml und auf 100ml verdünnen) so berechnen kann (näherungsweise), dass ich statt der Konzentration 4*10^-2 einfach mit 4*10^-4 rechne.

Natürlich. Nur brauchst Du dann, falls Du eine realistische Zahl haben willst, eine andere For­mel. Mit pKₐ=4 und c₀=0.04 kriegst Du pH=2.70, und das ist gut genug (genau 2.71). Bei c₀=0.0004 mol/l würdest Du 3.70 herausbekommen, und mit einer an­stän­di­gen Formel 3.81.

(Wie rechnest Du den Logarithmus ohne Taschenrechner aus? Logarithmentafel?)

Bei einem anderen Beispiel, wo eine Base mit pKb von 6 und in einer Konzentra­tion von 0,1 M vorgelegen ist, wurde 1ml entnommen und auf 1000ml verdünnt.

Da gehst Du im Prinzip gleich vor, pH=14−½[pKb−lg(c₀)]=10.50 für die Stamm­lösung und pH=9.00 für die Verdünnung. In diesem Fall sind beide Werte brauch­bar; der pKb ist 6 und der pKₐ daher 14−pKb=8, da bist Du noch im sicheren Be­reich (eine bes­se­re For­mel würde pH=8.98 er­geben, das ist vernachlässigbar).

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Anonym205145 
Fragesteller
 20.06.2022, 23:37
@indiachinacook

Vielen, vielen Dank, das rettet meinen Tag. Ich war schon vollkommen frustriert, weil ich nur widersprüchliches dazu bekommen habe. Eine Frage hätte ich noch: Wenn ich den pOH-Wert einer (starken) Base berechne, wie z.B von Ba(OH)2 und ich das in die Formel -log[OH-] einsetze, muss ich ja den log mit 2 multiplizieren, weil ein mol Bariumhyrdoxid in zwei OH- Ionen dissoziiert. Ist das bei Basen wie H2SO4, H3PO4 etc. eigentlich auch so? Dass ich log[H3O+] dann mit 2 bzw. 3 multiplizieren muss?

Unser Vortragender erklärt leider nur sehr wenig und wirft uns bei der Prüfung dann alles hin. :/

Ein Problem habe ich auch mit folgendem Thema: https://www.gutefrage.net/frage/in-wie-viele-teilchen-zerfaellt-schwefelsaeure-aluminiumchlorid-bariumhydroxid-essigsaeure-wenn-man-genuegend-wasser-hinzufuegt

Dazu hat leider noch niemand geantwortet, vielleicht können Sie mir da auch weiterhelfen?

Logarithmieren mit Tafel, ja.

Danke :)

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indiachinacook  20.06.2022, 23:43
@Anonym205145
Ist das bei Basen wie H2SO4, H3PO4 etc. eigentlich auch so? Dass ich log[H3O+] dann mit 2 bzw. 3 multiplizieren muss?

Ba(OH)₂ ist stark, daher geht das. Die von Dir aufgezählten Säuren (nicht Basen!) sind aber leider komplizierter.

Bei der H₂SO₄ ist nur die erste Dissoziationsstufe stark, die zweite wird erst bei pH⪆2 aktiv; da braucht man also wieder spezielle Formeln. Wenn Du danach fragst, dann kann ich Dir noch eine Antwort schreiben.

Bei H₃PO₄ ist selbst die erste Dissoziationsstufe nur mittelstark. Die Formel für beliebige Säure fuktioniert fast über den ganzen Konzentratonsbereich, weil die zweite Dissoziationsstufe nur in extremer Verdünnung, wenn der pH schon fast 7 ist, zum Tragen kommt.

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willi55  21.06.2022, 21:00
@Anonym205145

"Logarithmieren mit Tafel, ja."

Das ist ja reine Schikane. So hat man vor 50 Jahren gerechnet ...

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TomRichter  21.06.2022, 22:11
@willi55

Schikane wäre, wenn man das im Kopf rechnen müsste.

In der hier sinnvollen Genauigkeit wäre das aber auch kein Problem, wenn man die ungefähren Logarithmen für 2 und 3 im Kopf hat.

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willi55  21.06.2022, 22:18
@TomRichter

oder an geeigneter Stelle auf der Zunge des Rechenschiebers ...

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