Tipps um lauter zu sprechen?

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Die Lautstärke ist das größte Problem aller Laienschauspieler. Es fühlt sich einfach erst mal unnatürlich an, lauter zu sprechen - vor allem, wenn man weiß, dass das Gegenüber auf der Bühne einen ja prima versteht.

Meinen Schülern helfen folgende Methoden:

  • Alle im Raum setzen sich an das hintere Ende des Saales, und alle Schauspieler sollen bewusst so sprechen, dass diese sie gut verstehen.
  • Man flüstert einen Dialog und bemüht sich dabei, so deutlich zu artikulieren, dass das Publikum es trotzdem verstehen kann.
  • Man lässt Musik laufen und spricht den Dialog über diese Musik drüber. Das kann man als "Dauerübung" machen, sowohl zu Hause als auch im Theater. Nach 5-6 Durchgängen hat man sich meist ganz gut an die erhöhte Lautstärke gewöhnt und kann sie auch halten, wenn die Musik fehlt.
  • Für Zuhause noch folgende Übungen: Eine Kerze auf Entfernung auspusten, das traniert die Atmung. Einen Flaschenkorken in den Mund nehmen und sich bemühen, möglichst deutlich damit zu sprechen.

Das Flüstern, das Kerze pusten und der Korken tragen zu einer artikulierten Aussprache bei. Diese ist sehr hilfreich dafür, verstanden zu werden, auch wenn man nicht ganz so laut spricht.

Hier noch ein paar Tipps für die Artikulation:

http://www.kunstundso.com/2011/08/17/ubungen-fur-deutliches-sprechen-das-20-minuten-programm/

Wer meistens zu leise spricht, hat zunächst einmal ein "stimmliches" Problem, da die Stimme natürlich so niemals Kraft enfalten kann, allein schon deshalb nicht, weil sie immer weiter untrainiert bleibt und ihre natürliche Kraft gar nicht erlebt und wahrgenommen wird.

Hinter der leisen Stimme verbirgt sich aber zumeist noch ein ganz anderes Problem: Ein "kleines" Selbstbewusstsein, ein Widerwille, von allen grundsätzlich deutlich gehört zu werden. Denn wer laut und deutlich verstanden wurde, erhält auch lautes und deutliches Feedback von der Umgebung - und dies kann und wird durchaus auch Kritik, Einwand, Widerspruch enthalten. Wer das nicht mag bzw. Angst hat, dies händeln zu müssen, gewöhnt sich nicht selten eine zu leise Stimme an. Diese dringt dann nicht mehr zu allen durch. Das Ergebnis ist: wenig Aufmerksamkeit für die eigene Person, aber auch wenig Resonanz, wenig Kritik, wenig Verunsicherung. Man gewöhnt sich daran, für diese scheinbare Sicherheit und den Platz am äußesten Rand der Gruppe auf Aufmerksamkeit zu verzichten. Und man entwickelt Angst davor, im Mittelpunkt zu stehen und vermeidet dies immer mehr.

Plötzlich laut und deutlich sprechen zu sollen (z.B. beim Theater) kann dann sehr unter Druck setzen und auf psychischer Ebene immensen Streß bedeuten - vor allem dann, wenn das leise Sprechen ausgerechnet das bewirkt, was es vermeiden sollte: KRITIK an Deiner Person, an Deinem Verhalten.

Beim Theater bist Du nun gefordert! Das Erste, was Du Dir nun ganz intensiv und von Grund auf klar machen musst, ist dies: Was immer Du dort sagen musst: Dies bist NICHT Du persönlich, sondern ES IST EINE ROLLE. Sie ist nötig, um die Geschichte eures Stücks zu erzählen. Die Leute wollen Dich NICHT in erster Linie persönlich "bewerten", sondern sie wollen lediglich diese Geschichte erzählt bekommen, sie wollen sie verstehen und genießen, sich daran gut unterhalten! Sie sind gar nicht auf Dich fixiert, auch nicht, wenn Du sprichst, sondern sie verfolgen die Geschichte! Sie nehmen Deine ROLLE wahr, während Du aber das Gefühl hast, persönlich sichtbar zu sein und Dich in einer Art persönlicher Prüfung zu befinden.

Je selbsbewusster und selbstverständlicher Du Deine Rolle sprechen lässt, desto mehr vergessen die Leute, dass DU es bist, die dahinter steht. Du trittst zurück, die Rolle steht vor Dir, sie wird Deine Maske. Du kannst nicht lauter sprechen, Du bist ein "leiser" Mensch? Deine Rolle ist aber laut, sie kennt Deine Probleme nicht, sie hat ihre eigenen - und sie kann laut und deutlich hörbar sprechen. Sie tut es einfach, sie hat hier keine Hemmungen und Schwierigkeiten. Sie ist nicht "Du".

Die Zuschauer wollen, dass ihr die Geschichte erzählt. Dazu leistest auch Du Deinen Teil, denn über Dich spricht einer der Charaktere der Geschichte - und es macht überhaupt keinen Sinn, dies zu tun, wenn das Publikum dabei aber die Worte nicht verstehen kann, die der von Dir dargestellte Charakter spricht.

WILLST Du gehört werden? Willst Du das wirklich?

Prüfe Dich hier einmal in Deinem Innern! Was sagen Deine Unsicherheiten dazu? Bist Du unsicher beim Spielen, weil Du Dir nichtzutraust, dabei eine Stimme zu entwickeln, die ausreichend laut wäre? Oder ist Deine Stimme nicht ausreichend laut, weil Du Deiner selbst so unsicher bist? Dies einmal kurz wirken lassen, Du musst es für Dich nicht abschließend beantworten - Du weißt in Deinem Innern sowieso, was die Wahrheit ist.

Es gibt beim Schauspieltraining Übungen, die dieses Handicap überwinden helfen, das genau zwischen stimmtechnischer Problematik und dem persönlichen "Sich-nicht-trauen" störend aktiv ist. Die Frage ist im Grunde nicht: "Wie schaffe ich es, laut zu sprechen?" - sondern diese:

"Wie schaffe ich es, mich selbst (und damit auch meine persönlichen Ängste und Unsicherheiten) so weit in den Hintergrund zu bekommen, dass die Rolle nach vorne kommen und sich Gehör verschaffen kann - ohne dass ich ihr dabei im Weg bin?"

Hier helfen Dir nun nicht reine Trainingseinheiten und Übungen, die der Stimme zu mehr Kraft und Hörbarkeit verhelfen können, denn unterhalb dieses vor allem stimm - und sprechtechnischen Problems sitzt das eigentliche, das mehr mit Dir persönlich zu tun hat und das, wenn nicht zuerst, dann doch gleichzeitig gelöst werden muss.

Im Schauspieltraining gibt es Übungen, die Dir unmittelbar über das Erleben Deiner eigenen Stimme und ihrer Kraft mehr Selbstvertrauen geben können. Dabei bewirken sie aus technischer Sicht eine bessere "Erdung" der Stimme, indem Du zu einem besseren Stimmsitz findest - aber sie nehmen zugleich auch Einfluss auf das Dilemma mit dem Selbstbewusstsein und dem unterschwellig mitlaufenden inneren "Widerstand", der sagt: "Wenn es nach mir ginge, würde ich gern weiterhin leise bleiben."

Weiter siehe Teil 2!

MissMarplesGown  27.05.2015, 12:21

Teil 2:

Beim Sprechen auf der Bühne gibt es keine Kompromisse. Die Stimme, die Worte, ihr Inhalt MÜSSEN an die Leute gebracht werden. Es geht nicht anders. Wer mitspielen will, muss das bringen, muss seine Unsicherheit und die stimmtechnischen Probleme überwinden. Für Rollen, die zu leise gesprochen sind, gibt es keinen Ruhm, kein Lob, keine positive Aufmerksamkeit aus dem Publikum. Aber dies ist es, was wir wollen, wenn wir Theater spielen: Positiv bewertet werden, mit der Rolle gut "rüberkommen". Dazu müssen wir sie sprechen lassen, laut und deutlich, Richtung Publikum (was eine weitere Schwierigkeit bedeutet??) - und noch ein wenig lauter, wenn wir nicht Richtung Publikum sprechen.

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Eine Übung für Dich, für die Du aber eine durchsetzungsfähige Freundin oder Theaterkollegin (oder Deine Lehrerin) brauchst:

1) Stelle Dich stabil und locker hin, Füße schulterbreit auseinander, mit dem Rücken zu Deiner Helferin. Kniee locker, Arme und Nacken, Unterkiefer und Gesichtsmuskulatur locker. Ganz wichtig: Die Hände offen und bewegungslos hängen lassen. Lass Die Hände nicht Deine Nervosität o. innere Anspannung ausdrücken, sie sind nicht beteiligt.

2) Deine Helferin sagt hinter Dir mit lauter Stimme einen Satz, der Dich direkt auffordert, laut zu sprechen: z.B. "Du sollst laut und deutlich sprechen, damit Dich alle hören können." Du wiederholst das, indem Du es zu einem Ich-Satz umformst:

"Ich soll laut und deutlich sprechen, damit mich alle hören können."

Sie: "Sprich lauter!" Du: "Ja, ich spreche lauter."

Sie: "Du sprichst laut und selbstbewusst." Du: "Ich spreche laut und selbstbewusst."

Sie: "Sprich noch lauter, damit wir Dich hören können!" Du: "Ich spreche noch lauter, damit ihr mich hören könnt!"

Sie: "Du hast keine Angst!" Du: "Nein, ich habe keine Angst!"

Sie: "Das reicht noch nicht! Sprich noch lauter!" Du: "Nein, das reicht noch nicht! Ich spreche noch lauter!"

Diese Sätze sind nur Beispiele und es ist auch nicht so wichtig, ob Du im Einzelnen ihre Inhalte exakt so wiederholst oder ihre Sätze für Dich hier und da ein wenig umformst: Es geht allein darum, dass Du jedes Mal auf sie reagierst und dabei ihren immer lauter werdenden Ton aufnimmst, so gut es Dir gelingt.

3) Du hast Dir vorher einen Deiner Texte (überschaubar in der Länge, z.B.: "Warum beschuldigt ihr mich? Ich habe das Buch nicht gestohlen!" herausgesucht, Deiner Helferin ist er bekannt. Sie improvisiert nun (je nach Sinn und Inhalt Deines Textes.

Sie: "Du hast das Buch gestohlen!" Du: "Warum beschuldigt ihr mich? Ich habe das Buch nicht gestohlen!"

Sie: "Doch, Du hast es gestohlen!" Du: "Warum beschuldigt ihr mich? Ich habe das Buch nicht gestohlen!"

Sie: "Niemand hört Dich! Hast Du etwas gesagt?" Du: "Warum beschuldigt ihr mich? Ich habe das Buch nicht gestohlen!"

4) Während Du sprichst, beginnt sie nun mit der Hand und dem ausgestreckten Arm gegen Deinen Rücken zu drücken. Sie nimmt die Hand nun nicht mehr weg, während ihr weiter im Wechsel sprecht, sie hält den Druck aufrecht und verstärkt ihn von Wortwechsel zu Wortwechsel immer mehr, so dass Du Dich immer kräftiger dagegen stemmen musst, um auf der Stelle stehen bleiben zu können. Sie schiebt Dich kräftig an, Du stemmst Dich rückwärts dagegen und sprichst dabei weiter.

Sie: "Das ist zu leise, so versteht Dich niemand!" (übt noch mehr Druck aus) Du: "Ich sagte: Warum beschuldigt ihr mich? Ich habe das Buch nicht gestohlen!"

Du wirst dabei immer lauter, die Stimme wird durch den Gegendruck an Kraft gewinnen und findet in eine gute Lage hinein. Achte darauf, dass Deine Stimme nie nach oben wegrutscht und dünner wird, dann verlässt sie den gesunden Stimmsitz und wird zu sehr strapaziert. Halte sie möglichst locker unten, ohne sie künstlich zu drücken, verstelle sie nicht, lass sie ganz natürlich kommen und lauter werden, aber überfordere sie nicht.

Lass Dich von Deiner Helferin provozieren und ärgern, geh darauf ein, was sie hinter Dir sagt, werde langsam wütend, finde in eine energische Stimmung hinein!

Das funktioniert mit buchstäblich jedem Satz, selbst wenn Du sagen musst: "Ich habe dich schon damals geliebt, ich habe dich seitdem nicht vergessen." oder "Mein Herr, der Bote ist draussen. Möchten Sie ihn empfangen?"

Es ist völlig egal, welchen Satz ihr wählt, sie muss Dir widersprechen, muss Dir sagen, dass sie Dich nicht verstehen kann, dass Du nicht laut genug sprichst. Du lässt Dich auf diese Provokationen ein, darfst zum Schluß auch wütend rufen: "Ja! Das Bad ist fertig geputzt! Ich habe auch neues Klopapier hingehängt!" ;-) Auch wenn ein solcher Satz in der Szene später dann eher dezent, schüchtern und zurückhaltend gesagt werden soll: Hier darf er nun einmal geschimpft werden, laut und sogar aggressiv, auch, wenn die Rolle an der Stelle anderes vorsieht. 

Weiter Teil 3!

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MissMarplesGown  27.05.2015, 12:26
@MissMarplesGown

Teil 3:

Diese Übung wirkt bizarr, sie ist aber ein wunderbares Mittel, Dir Deine Stimme in Bestform zu zeigen und Dir ein körperliches Gefühl dafür zu vermitteln, aus welcher "Mitte" heraus Deine Stimme im körperlichen Sinn kommen muss und wird, wenn sie Hilfe im Aufbau erhält und Du gleichzeitig Deine Hemmungen verlieren darfst.

Deine Helferin sollte Dich Deine Sätze auch zwischendurch wiederholen lassen, indem Sie ruft: "Hey, das geht noch lauter! Los, ich will das noch einmal hören!" Sie soll Dich anfeuern, sie darf und sollte Dir gegenüber dominant sein und Dir helfen, Dich in der Lautstärke und Emotion immer mehr zu steigern.

Ein Schauspieltrainer würde Dir dabei auch sagen: "Komm, nimm die Stimme runter, zeig mehr Kraft! Aus dem Bauch heraus, das wird was!" oder "Nutze mehr Facetten, da steckt mehr drin!" - Dazu müsste Deine Helferin aber mehr über Stimme und Sitz wissen und heraushören können, wie Deine Stimme gerade liegt, wie Du sie nutzt und ob korrigiert werden müsste - und Du müsstest wissen, was sie meint. Im Schauspielunterricht würde hier auch technische Anleitung mit einfließen.

Aber auch ohne mehr Wissen über stimmtechnische Dinge funktioniert diese Übung ganz gut, um Dich aus Deiner stimmlichen Reserve zu locken. Du solltest aber darauf achten, dass Deine Stimme sich nicht überschlägt, dass sie nicht alle Grenzen ausreizt, dass sie nicht schrill und wesentlich höher wird, sondern in einen kräftigen, vollen und offenen Klang findet.

Deine Helferin ist hinter Dir, aber Du stellst Dir vor, dass Du die gegenüber liegende Wand ansprichst, um auf sie zu reagieren.

Unmittelbar danach solltet ihr eine Szene proben, in der Du viel Text hast.

Die Kraft, über die Du gelernt hast, dass sie in Dir steckt und Dir zur Verfügung steht, wenn Du sie den Text übernehmen lässt, nimmst Du mit in die Probe.

Zuhause und für Dich allein kannst Du Dein Training fortsetzen, indem Du Dich sehr dicht vor eine Fensterscheibe oder Wand stellst und Deine Texte Satz für Satz auf dieselbe Weise steigerst und wiederholst: Deine Stimme wird wesentlich voller und lauter klingen, da der Schall unmittelbar in Dein Gesicht zurück geworfen wird. Der gute Klang wird etwas, das Dir gefällt, an das Du Dich gewöhnst. Steigere auch hier die Kraft und Lautstärke, bis es wie lautes "Schimpfen" klingt. Werde dabei nicht schneller im Text, zumeist wird auf der Schulbühne viel zu schnell gesprochen.

Dann drehe Dich schnell in den Raum um und rufe den Satz mit derselben Kraft und Überzeugung noch ein - oder zweimal - ohne den "Wand-Verstärker".

Eine weitere Übung für zuhause: Nimm Dir jeden Satz einzeln vor. Sage ihn wie sonst auch (also eher zu leise) - dann wiederhole, leg los, gib ordentlich Kraft und Emotion und sprich ihn wesentlich kräftiger, lauter, deutlicher, ausdrucksstärker.

Fühle den Unterschied, präge Dir den Schritt ein, der zur Steigerung nötig war, um das hervor zu bringen. Gleichzeitig verinnerlichst Du so Deine Texte noch mehr, dies gibt Dir auf der Bühne und bei den Proben dann zusätzliche Sicherheit, die Du brauchst, um Dich auch noch auf Kraft und Lautstärke konzentrieren zu können.

Die beiden Übungen für zuhause machen aber erst Sinn, wenn Du Deinen Stimmsitz und Deine stimmliche Kraft mit Hilfe gefunden hast, denn diese Erfahrung ist es, mit der Du dann zuhause weitere Übungen machen kannst. Allein und für sich bringen sie zumeist das Problem nicht vom Tisch, da Du mit der ersten Übung vor allem auch persönliche Unsicherheiten bezüglich Deiner Stimme abbaust.

Sorry für den langen Text, diese Dinge sind mehr etwas für die praktische Demonstration, nicht, um schriftlich anzuleiten. Ich hoffe, Du kannst etwas für Dich daraus entnehmen. Dies könnte Dir auch für den Schulunterricht, für Referate etc. nützlich sein.

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Stell dir vor ein schwerhöriger Opa steht auf der anderen Straßenseite und du willst ihn nach dem Weg fragen. 

coolio909 
Fragesteller
 26.05.2015, 13:29

der tipp is gut! :D

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