Stimmt es, dass Martin Luther ein Antisemit/Judenfeind war?

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Ob Luther ein Judenfeind war, können wir heute nicht mehr feststellen, auch wenn wir viele Schriften von ihm haben. Was er gedacht und gefühlt hat, kann keiner mit Sicherheit sagen. Er hatte in der Katholischen Kirche, schlimmste Entwicklungen erlebt, und wollte sich dagegen auflehnen. Er war aber, wie es in der damaligen Zeit nicht anders ging, ein Opfer des Christentums, aber auch fest in ihm verwoben. Es ist davon auszugehen, das Luther, wenn er heute lebte, ein tiefgreifender Religionskritiker gegen alle Religionen wäre.

Noch abenteuerlicher finde ich es, herausbekommen zu wollen, ob eigene Vorstellungen, sich mit Ansichten von Luthers decken könnten, oder ihn sogar posthum als Führer für die eigenen Ideologien benutzen zu wollen. Man sollte Luther, in seiner Zeit sehen, oder besser die Finger davon lassen.

Es ist doch heute überhaupt nicht mehr relevant (wichtig), ob Luther Antisemit/Judenfeind war oder nicht. Sowas zu behaupten, ist doch eine posthume Beleidigung. Luther, hatte seine Erlebnisse, mit Juden. Daraus bildete er seine Meinung. Dies ist das Recht eines jeden Menschen, auch heute noch. Diese Reaktion, auf Erlebnisse, jetzt aber werten zu wollen, oder gar in eine Schublade stecken zu wollen, ist unwürdig. Selbst wenn er zur damaligen Zeit, Urteile und Meinungen vertreten hat, die man als Antisemitismus oder Judenfeindlichkeit, hätte auslegen können, bezogen sich diese, auf die damaligen Juden, und können keinerlei Aussagen treffen, über Juden, aus späteren Jahrhunderten.

Ich bin auch nicht über alles begeistert, was heutige Juden machen. Und es gibt auch einige Dinge, die stoßen bei mir, auf heftigste Kritik. Aber, bin ich deshalb, gleich ein Antisemit oder Judenfeind? Eine solche Denkweise, ist doch einfach nur niveaulos. Und Juden oder Christen, die im 16. Jahrhundert gelebt haben, für Entwicklungen verantwortlich machen zu wollen, die später stattgefunden haben, ist genauso niveaulos.

Der ganze Ansatz, ist fragwürdig. Die Historie, ist sich immer sicherer, das fast die ganzen Texte der Bibel, reine Märchen sind. Nichts, aber auch so gut wie nichts, lässt sich historisch beweisen. Für mich ist es daher völlig unverständlich, wie man heute noch, solche Irrungen und Wirrungen, als Grundlage machen kann, für eine Diskussion, die sich mit dem Heute, oder der jüngeren Vergangenheit, beschäftigt.

Es ist völlig egal, was Luther, in seinen zeitlichen Zwängen, zu den Juden geschrieben hat. Wer sich heute ein Bild über Juden machen will, sollte sich um die heute lebenden Juden kümmern, und alles Alte, dort lassen, wo es hingehört, nämlich im Grab. Sich um Alte Schriften zu kümmern, um damit Rückschlüsse auf heute lebenden Menschen zu machen, ist einfach nur eine Diskriminierung.

Grüße, Rudi Gems

Ja, Luther war, besonders gegen Ende seines Lebens, sehr feindselig gegenüber dem Judentum.

Als "Antisemitismus" kann man das trotzdem nicht bezeichnen. Antisemitismus ist per Definition rassistisch begründet, Luthers Judenfeindschaft hingegen war religiös motiviert.

Inwieweit aber die Judenfeindschaft des Mittelalters, von der Luther beeinflusst war, zum modernen Antisemitismus geführt hat, ließe sich sicherlich diskutieren.

Was heißt hier Judenfeind.

Man muss allerdings sagen, dass die Leute früher, die Christen waren (egal ob katholisch oder evangelisch) die Juden schon skeptischer sahen aus der einfachen Logik heraus, dass die Juden nicht der christlichen Lehre gefolgt sind und deshalb schonmal welche waren, die Jesus Christus nicht als Messias anerkannten, und das fand man halt gar nicht so toll. Abgesehen davon haben sie sogar schwer gesündigt in christlichen Augen, indem sie gar die Kreuzigung Christi wollten oder duldeten.

Allerdings darf ein Christ nicht vergessen, dass die Juden das auserwählte Volk Gottes sind und aus diesen ihr Heiland hervorging.

Seit dem WW2 und dem Vaticanum 2 hat sich in dieser Frage einiges geändert. Gab es doch vorher gar noch die Freitagsfürbitten, wo man bei Gott um Verzeihung für die Juden bat, dass sie Christus nicht gefolgt sind.

Luther war also höchstens ein Kind seiner Zeit.

frank1968  19.03.2012, 19:02

So wie halt A.H. ein Kind seiner Zeit war.......gehts noch? Und wenn er sich da schon so dermaßen verfahren hat, was bedeutet das dann wohl für den Rest seiner Behauptungen?

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aimbot  19.03.2012, 19:08
@frank1968

Dazu sage ich kein Kommentar. Das Eisen ist mir zu heiß.

Und denk bloß nicht ich wär n Fascho oder sowas, alles klar?

Schönen Tag noch ;-)

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Luther war zuerst der Meinung das die Juden, wie Jesus (der ja auch Jude war) an den gleichen Gott glauben und sich deshalb nur taufen lassen müssen. Dies sahen die Juden aber anders und weigerten sich der ev. Kirche beizutreten, was dazu führte das Luther selbst für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich scharf gegen die Juden hetzte.

Luther hat in seiner Frühzeit (1523) eine sehr schöne Schrift verfasst: "Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei". In dieser Schrift verteidigt er die Juden, beklagt ihr Los, setzt sich für sie ein. (Sollte jeder lesen, der zu Luther und dem Judentum etwas sagen will.)

Als Haupt der Reformation hat er sich darum bemüht, den Protestantismus als gereinigten Katholizismus so "attraktiv" zu machen, dass die Juden in diese "protestantische" Kirche kommen. Hintergrund dieses Bemühens war Luthers Denken als Apokalyptiker: Luther sehnte den "lieben letzten Tag" herbei, rechnete mit der baldigen Wiederkunft Christi, und in dieser kurzen Zeitspanne sollten die Juden für Christus gerettet werden.

Die Juden sind auf das Werben Luthers nicht eingegangen. Es ist sogar ein ev. Theologe zum Judentum konvertiert. Dies hat bei Luther zu einem Umschwung in seiner Wahrnehmung geführt. Seine Ausfälle gegen die Juden sind auf Enttäuschung zurückzuführen. Zudem war er krank, was bei seinem "vulkanischen" Temperament mit Zornausbrüchen nicht gerade mäßigend hinzukam.

Dieses späte Pamphlet Luthers (mit anderen Aussagen) über die Juden soll man nicht entschuldigen, aber man muss auch den Zusammenhang wahren. Es ist nie von den Lutheranern, anders als die obengenannte Schrift des "jungen" Luther, zu den erwähnenswerten Werken des Reformators gerechnet worden. Es wurde von Antisemiten benutzt, und der Nationalsozialismus hat es für seine Zwecke benutzt, und diese Spur bleibt leider.

Das Pamphlet selbst hat auch ein paar positive Seiten, die immer übersehen werden: Luther setzt sich dafür ein, dass die Juden sich von ihrer Hände Arbeit selbst ernährtern sollen. Genau dieses Recht, den Ackerbau, hatte man ihnen genommen und sie in Gettos gesteckt.

Im übrigen ist der damalige kirchliche Antisemitismus, zu dem die Spätphase Luthers gezählt werden muss, nicht rassistisch. Er ist nicht auf Vernichtung aus, sondern auf Bekehrung.

Dass der gesamte Antisemitismus, auch und ´gerade der kirchliche, eine böse Phase in der Geschichte der Kirche ist, braucht nicht betont zu werden. Man kann als Chrtist nur dankbar sein, dass es eine neue Besinnung für das Wesen des Judentums gibt, und dass von jüdischer Seite uns manche Hand entgegen gestreckt wird.

riara  20.03.2012, 01:01

Sehr schön, es hat hier wohl kaum einer wirklich in den Werken Luthers gelesen, die Zitate kommen von schlauen Webseiten, die den Reformator wie alles religiöse oder kirchliche in einem schlechten Licht erscheinen lassen sollen, wenige haben wohl nur die hervorragende Dokumentation "Martin Luther – Ein Leben zwischen Gott und Teufel" gesehen, die Verdienste Luthers erstrecken sich ja auch nicht nur auf die Reformation, er gilt als Schöpfer der deutschen Sprache dem Hochdeutsch...

Luther gilt als einer der wichtigsten Köpfe der deutschen Geschichte, die Reformation aber veränderte die Welt, sie brach altes auf und ermöglichte einen Umdenkprozess, die "Freiheit des Christenmenschen" war ein wichtiger Beitrag zur später folgenden Aufklärung, seine Leistung für das Christentum lässt sich für uns gar nicht hoch genug einschätzen, denn auch den Katholiken verordnete er ein Umdenken, ohne das Europa sich sicher anders entwickelt hätte...

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Sonnenschnauz  20.03.2012, 10:02
@riara

Eigentlich verleitet ja dieses System GF wie andere Foren zu Klischees, sowohl bei Fragen als auch Antworten. Wirklich fundierte Kenntnisse sind kaum gefragt. Das Klischee, dass Luther Antisemit war, zieht sich seit Nazizeiten durch die deutschen Lande. Gegner der Kirche geben schnelle Punkte, und die Vielzahl der Punkte entscheidet über Richtigkeit. Man muss sich nur eine "Antwort" wie die hier von "osmonjd" und "frank" anschauen, hochprämiert, aber hohl wie eine trockene Kalebasse.

Die Leute stellen in der Regel fastfood-Fragen, und sind hochzufrieden mit fastfood-Antworten. Am schlimmsten sind die Schularbeiten-Fragen. Da wird am liebsten vorgekautes fastfood direkt übernommen.

Eigentlich schade, dass das Internet mit den Foren eher zu einer Vervielfältigung der Klischees beiträgt als zu wirklich profunder Information.

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riara  20.03.2012, 11:41
@Sonnenschnauz

Genau. Es ist z.T. erschreckend welche Binsenweisheiten hier über die Nutzer ausgeschüttet werden, wenn Du dann dagegen angehst wirst Du auch noch beschimpft, da kannst Du 100x Recht haben und sogar Quellen verlinken, am Ende ist sogar Wiki von den Kirchen/Religiösen unterwandert oder man kommt mit irgendwelchen Verschwörungen...:-)

Der eigentliche Grund dieser Vehemenz hier liegt doch eindeutig in dem Bestreben, alle sollen doch bitte so ticken wie ich, denkt doch mal nach, dann kommt Ihr selber drauf, es ist unglaublich, immerhin kann mir keiner mehr erzählen der Atheismus wäre keine Ideologie, wenn er das tatsächlich nicht ist, dann sind die Anhänger hier irgendetwas anderes, sie missionieren so offensichtlich, dass man denke könnte sie bekommen Geld dafür...

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frank1968  20.03.2012, 10:10

Gute, differenzierte, und sicherlich beste Antwort hier, Sonnenschnauz!

Eine Anmerkung hätte ich dennoch: egal ob aus Enttäuschung oder nicht, die Ausfälle sind weit jenseits des Akzeptablen. Und es ist ein dunkler Fleck, und bleibt es auch.

und damit zu @riara:

Wie die Welt ohne Reformation aussehen würde, wissen wir nicht und können wir nicht wissen. Ich könnte jetzt genauso gut behaupten, dass Luther die Geschichte wider Willen absolut negativ beeinflusst hat. Ohne ihn kein 2ter Weltkrieg, z.B. aber das wäre genauso falsch, wie ihm Verdienste für die Aufklärung zuzuschustern. Nur weil du dir etwas wünschst, ist das noch nicht Realität.

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Sonnenschnauz  20.03.2012, 10:19
@frank1968

Die Geschichte ist nun mal so verlaufen, wie riara das beschrieben hat. Die Geschichte hat immer mindestens einen doppelten Ausgang, positiv oder negativ, aber nur, wenn wir sie vor uns haben. Und hier haben wir die Reformation hinter uns.

Die Reformation und Luther zu den möglichen Ursachen des 2. WK zu zählen, geht nicht, weil die Ursachen des 2. WK objektiv andere sind. Das wissen wir im Nachhinein.

Wie die heutige Finanzkrise dagegen Z. B. ausgehen wird, wissen wir nicht, weil wir den Ausgang noch vor uns haben. Und der kann mindestens doppelt sein.

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riara  20.03.2012, 11:57
@frank1968

Wollen wir uns eigentlich über das Thema unterhalten, oder unsere tiefe Abneigung pflegen, bist Du überhaupt in der Lage irgendein Wort von einem geistig zurückgebliebenen, ewig Gestrigen und fundamentalistischen Theisten überhaupt zu akzeptieren?

Ich bin 2-3x die Woche an der Uni und wälze mich durch diverse Bücher, es gibt nicht wenige die den Einfluss Luther und seiner Reformation sogar noch höher einschätzen, die Germanisten können Dir davon ein Liedchen trällern, denn wie Beschrieb es der olle Jacob Grimm in seiner Einleitung zur "Deutschen Grammatik" (1822) so schön:

Man darf das neuhochdeutsche in der that als den protestantischen dialekt bezeichnen, dessen freiheitathmende natur längst schon, ihnen unbewußt, dichter und schriftsteller des katholischen glaubens überwältigte.

Wenn man sich die damalige Zeit aus der Historik erarbeiten kann, wirkt dieser Satz wie ein Angriff, nicht umsonst brannten erst die Herzen und später (1848) die Barrikaden, auch das ist eine Folge dieses renitenten Mönches...

Ich kann den Einfluss der Reformation nicht wegdiskutieren, auch die Diskreditierung des Initiator's verringert nicht seine Bedeutung, wer glaubt, dass die Aufklärung wie ein Blitz in die Köpfe der Menschen gefahren ist, der ist gläubiger als ein Mönch des 16. Jh...

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frank1968  20.03.2012, 13:44
@riara

Der Einstieg ist ungünstig, riara. Wer du bist, ober was du sonst machst ist mir wurscht! Allein das Argument zählt.

Deswegen ist es auch egal, ob du an der Uni bist oder nicht. Ein gutes Argument bliebe auch ein gutes Argument, wenn du Gärtner wärst, und nie eine Uni gesehen hättest. Ich bin unter anderem Germanist, das nur so nebenbei, riara. Hättest du aber längst merken können.

Zu deinen Argumenten: 1848 war kein Erfolg, und dient bis heute lediglich als Beleg, dass es in "Deutschland" irgendwann mal so etwas wie einen Revolutionsversuch gegeben hat. Die Gläubigen standen aber auch da sicher nicht an vorderster Front.

Und es ist keine Diskreditierung, wenn man darauf hinweist, dass Luther einen scharfen Antisemitismus entwickelt hat. Über die Gründe sollte man diskutieren, aber die Tasache bitte nicht leugnen, was Sonnenschnauz ja auch nicht getan hat.

Wir können immer diskutieren, anber nur, wenn du auf der argumentativen Ebene bleibst. Bei jeder persönlichen Beleidigung steige ich in Zukunft immer sofort aus.

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riara  20.03.2012, 14:18
@frank1968

Ach und Du denkst wohl auch noch, mein Zitat ist ein purer Zufall...:-)

Ich sage was ich denke und im Hinblick auf die stetige Diskreditierung meiner Person werde ich immer wieder auf meinen akademischen Hintergrund hinweisen, von mir aus kann auch ein Gärtner oder Germanist seinen Senf dazugeben, nur sollte man trotz ideologischer Zwänge einfach mal ehrlich sein...

1848 war also kein Erfolg, da würde mein Prof sofort hinzufügen, FÜR WEN DENN?

Und wer da an der Front stand, lässt sich prima erlesen, es kommt nur darauf an, unter welcher Prämisse man die Revolution von 1848/49 betrachtet, die Folgen waren für die Unterschichten sicher nicht so optimal, nur wurde Ihr Aufbegehren ja nicht vergessen, die eigentliche Schmach war das Scheitern der bürgerlichen Bewegung, hätte das republikanische Gedankengut von 1832 sich durchgesetzt, wäre uns vielleicht das Kaiserreich erspart geblieben. Ach und weil wir gerade beim Thema sind, ergoogle Dir doch einfach mal den Einfluss des Pietismus vor allem im Königreich Preußen, bezüglich Armenversorgung, Hospitäler und sozialer Gerechtigkeit fällt Dir dann vielleicht doch noch die eine oder andere Tomate runter, die sich in Deinem Gehörgang verhakt haben könnte...

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frank1968  21.03.2012, 15:45
@riara

Ok, dann nochmal deutlicher: den Beleg, Akademiker zu sein, bringt man durch die Qualität der Argumentation und die Sorgfalt beim Sprachgebrauch.

Das penetrante darauf Hinweisen, dass man schon mal ein Historikerseminar von innen gesehen hat, löst lediglich Skepsis aus.

Und ich brauche Google in diesem Falle nicht, vielen Dank! Arroganz muss man sich leisten können, riara.

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