Sphärische Rechtecke bei der Landvermessung ab welcher Grundstücksgröße?

3 Antworten

Die Differenz zwischen Bogen und Sehne ist bei Streckenlängen von 200 m vernachlässigbar gering und liegt weit unter einem Millimeter. Bei einer Streckenlänge von z.B. 20 km beträgt die Differenz 8 mm und muss - abhängig von den Genauigkeitsanforderungen der Vermessung - berücksichtigt werden.

Das ist aber nur eine von vielen physikalischen und geometrischen Korrekturen, die bei solchen Streckenlängen berücksichtigt werden müssen.

Lagevermessungen beziehen sich auf das Bezugsellipsoid und werden auf Normalnull (mittlerer Meeresspiegel) reduziert. Eine Strecke, die in 100 m Höhe gemessen wird, wird also kürzer und die Fläche kleiner.

Durch eine Hanglage wird ein Grundstück nicht größer, da die Schrägen auf die Horizontale reduziert werden.

Berücksichtigt werden auch Verzerrungen, die dadurch entstehen, dass die Kugel in die Ebene projeziert wird, um in einem ebenen rechtwinkligen Koordinatensystem rechnen zu können. Die gemessenen Strecken werden in die Ebene transformiert und dadurch länger. Eine Flächenberechnung aus ebenen Koordinaten muss daher nach unten korrigiert werden.

RonaId 
Fragesteller
 23.04.2024, 13:25

Das Thema ist ja voll Brainfuck! Ich schließe daraus, dass wenn ich ein laut Urkunde gleich großes Grundstück auf einer Hochebene habe, real etwas mehr Land erwerbe (rein theoretisch, versteht sich). Richtig?
Aber aus einem bin ich nicht ganz schlau geworden. Ist nun meine Grundstückgrenze eine Strecke oder ein Bogen? Du sagst, dass sich Lagevermessungen auf das Bezugsellipsoid beziehen, während Rammstein53 meint, die Grenzen beziehen sich auf die Luftlinie.
Wenn ich (der Einfachheit halber) auf normal Null ein Grundstück von (laut Urkunde) 100m x100m habe, ist es dann nun geringfügig mehr oder weniger als ein Hektar?
Wenn ich Dich richtig verstehe, und die Projektion auf das Bezugsellipsoid als Bogen gesehen wird, müsste man die einfach durch Multiplikation berechnete Fläche nach unten korrigieren, nehme ich aber die Luftlinie zwischen den Messpunkten, dann nach oben.

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gauss58  23.04.2024, 14:50
@RonaId

Das Bezugssystem für Lagevermessungen ist ein Ellipsoid.

Die Längendifferenz zwischen Bogen und Gerade spielt aber bei Katastervermessungen, also z.B. Grundstückslängen von 200 m keine Rolle. Sie würde bei dieser Länge ca. 1 / 100000 mm betragen.

Würde man eine Strecke von 20 km messen (siehe mein o.g. Beispiel), müsste die im Felde gemessene Strecke um ca. 8 mm verlängert werden, weil der Bogen länger ist als die Sehne.

Diese Korrektur wäre aber nur eine von vielen, die bei einer derart langen Strecke erforderlich wäre.

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RonaId 
Fragesteller
 23.04.2024, 23:21
@gauss58

Meine Motivation zur Frage war, dass es ja ein einheitliches System geben müsste, was nicht mit anderen Verfahren kollidieren kann, wenn es um größere Entfernungen geht. Wenn man erst nachweisen muss, ob ein vereinfachtes Rechenschema akzeptabel ist, ist ja keinem geholfen, zumal die Rechenpower ja per Computer egal ist.
Wenn durch Hinzufügen von Messpunkten, z.B. bei Flurstücksteilung, das Ergebnis auch nur rein theoretisch geringfügig anders sein kann, ist was faul.
Aber das von Dir beschriebene Verfahren kann das Problem ja lösen.
Auch statt die gravitative Lotrichtung zu verwenden den Mittelpunkt des Ellipsoids als Referenzpunkt zu wählen, ist gewiss ebenso alternativlos, damit es nicht nur pragmatisch stimmt. Ansonsten hätte ich keine Idee, wo dann noch was dazwischenkommen kann, außer Uneinigkeiten im Messverfahren zwischen Nationen.

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Alles ist fast schon gesagt. Bleibt

Wie wird das in der Praxis gehandhabt?

Da sind die Messfehler der Grundstücksvermessung größer als der Fehler durch die Erdkrümmung.

Beim Größeneinfluss der Höhenlage vielleicht ein anderes Regulativ: der Wert. 1000 echte Quadratmeter um die Zugspitze herum dürften weniger Wert sein als ein etwas kleineres Baugrundstück im Tal :)

RonaId 
Fragesteller
 23.04.2024, 16:47

Zugspitze kaufen, einebnen und teurer verkaufen macht mich also auch nicht reich. Mist! 😆

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gauss58  23.04.2024, 18:23

Die Zugspitze hat eine Höhe von 2962 m. Eine 100 m lange Strecke, gemessen auf der Zugspitze, würde durch die "Höhe über NN-Reduktion" auf 99,954 m reduziert werden. 10000 m² auf der Zugspitze wären dann ca. 9991 m² reduziert auf NN.

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Die Grösse eines Grundstücks wird immer bezogen auf die Abstände in Luftline.

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Die Sehnenlänge s eines Kreisbogens mit Winkel α beträgt: s = 2*r*sin(α/2)

Die Bogenlänge b eines Kreisbogens mit Winkel α beträgt: b = α*r

Bild zum Beitrag

Nimmt man anstelle der Bogenlänge die Sehnenlänge, dann ergibt sich der prozentuale Fehler zu

|s - b| * 100 / b =

| 2*r*sin(α/2) - α*r |*100/(α*r ) =

| 2*sin(α/2)/α - 1| *100

Selbst bei einem Winkel α = 2pi/20, also dem zwanzigsten Teil des Erdumfangs beträgt der prozentuale Unterschied zwischen b und s nur 0.4%

 - (Mathematik, Vermessung, Geodäsie)