Wie war in der Reichsverfassung von 1871 die Stellung des Reichstages?

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Nach der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 lag das Recht, den Reichskanzler und die Reichsbeamten zu ernennen und zu entlassen, beim Kaiser.

Artikel 15 Satz 1:

„Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.“

Artikel 18 Satz 1:

„Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.“

Der Reichstag konnte politische Fragen diskutieren, aber er hatte kein Recht, den Reichskanzler oder andere Regierungsmitglieder zu wählen oder abzuwählen. Es war für den Reichstag nicht möglich, einen Antrag zu stellen, dem Reichkanzler oder der Reichsregierung das Vertrauen zu entziehen, und durch eine Mehrheit in einer Abstimmung darüber diese zu stürzen. Es gab also keine volle parlamentarische Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und das Kaiserreich war daher keine volle parlamentarische Demokratie.

Das Kaisertum war eine Erbmonarchie des Königs von Preußen.

Das nicht vorhandene Recht des Reichstages, den Reichskanzler zu stürzen, war Absicht der Monarchen und des preußischen Minsterprasidenten und zukünftigen Reichskanzlers Otto von Bismarck bei der Entstehung der Verfassung. Sie wollten eine starke Stellung des Kaisers und des Reichskanzlers und nicht die Einführung von mehr Demokratie.