Wie konnte Hitler als Reichskanzler den Reichstag auflösen?

3 Antworten

Die "Weimacher Republik", die als erste Demokratie in Deutschland eingeführt wurde, beinhaltete eine sogenannte Notstand Verordnung. Diese konnte vom Reichstag im Falle einer politischen Notsituation verabschiedet werden und erlaubt der entsprechenden Person, Entscheidungen ohne Abstimmungen und Parlamentarische Einschränkungsgewalt zu treffen. Nach dem Anschlag auf den Reichstag wollte Hitler eben diese Notstands Verordnung ausrufen. Die Politiker mit der Entscheidungsgewalt, dachten sie könnten Hitler unter Kontrolle halten und die Gegner wurden von SA und SS Schlägern erpresst und zusammengeschlagen.

Haupt verantwortlich war allerdings Reichspräsident Paul Hindenburg, der den Reichstag dann letztendlich auflöste.

Adolf Hitler hat den Reichspräsidenten dazu bringen können, den Reichtag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Auch autoritäre, nationalistische und antidemokratische Konservative befürworteten diese Methode. So erschien dies als Wunsch der neugebildeten Regierung. Hindenburg konnte davon überzeugt werden, der Schritt zur Reichstagsauflösung und Neuwahlen sei notwendig, um eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen und nicht vor der unangenehmen Alternative zu stehen, bei Gesetzesvorschlägen von einer Mehrheit von Gegenstimmen im Reichstag gestoppt zu werden oder gegen die Verfassung zu verstoßen.

Reichspräsident Paul von Hindenburg hat in einer Verordnung vom 1. Februar 1933 den Reichstag mit der folgenden (sachlich anfechtbaren) Begründung aufgelöst:

„Nachdem sich die Bildung einer arbeitsfähigen Mehrheit als nicht möglich herausgestellt hat, löse ich auf Grund des Artikels 25 der Reichsverfassung den Reichstag auf, damit das deutsche Volk durch Wahl eines neuen Reichstags zu der neugebildeten Regierung des nationalen Zusammenschlusses Stellung nimmt.“

http://www.documentarchiv.de/ns/aufl-rt.html

Die Befugnis zur Reichstagsauflösung lag nach der Verfassung der Weimarer Republik (Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919), wie in der Fragebeschreibung richtig angegeben, beim Reichspräsidenten. Zur Gültigkeit von Anordnungen und Verfügungen des Reichspräsidenten war eine Gegenzeichnung durch den Reichskanzler oder den zuständigen Reichsminister nötig (in diesem Fall gegeben vom Reichskanzler Adolf Hitler und vom Reichsinnenminster Wilhelm Frick, beide Nationalsozialisten).

Artikel 25. Der Reichspräsident kann den Reichstag auflösen, jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlaß.

Die Neuwahl findet spätestens am sechzigsten Tage nach der Auflösung statt.“

Artikel 50. Alle Anordnungen und Verfügungen des Reichspräsidenten, auch solche auf dem Gebiete der Wehrmacht, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Reichskanzler oder den zuständigen Reichsminister. Durch die Gegenzeichnung wird die Verantwortung übernommen.“

Der Zusammenhang mit dem „Ermächtigungsgesetz“ ist ganz anders gewesen, als hier bisher in Antworten dargestellt worden ist. Die Reichstagsauflösung geschah am 1. Februar 1933 und der Termin der Neuwahlen war der 5. März 1933. Das „Ermächtigungsgesetz“ („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“) bekam am 23. März 1933 die Mehrheit im Reichstag und ist am 24. März 1933 in Kraft getreten. Das „Ermächtigungsgesetz“ erlaubte nicht die Auflösung des Reichtags am 1. Februar 1933, sondern Hitlers Absicht war, durch Neuwahlen mit dem Ergebnis einer anderen Zusammensetzung des Reichstages größere Chancen auf die Zustimmung einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit zu einem „Ermächtigungsgesetz“ zu bekommen.

Die mit Zustimmung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gebildete Regierung war zunächst eine Minderheitsregierung. Zugrunde lag ein Bündnis von konservativ-autoritären Kräften (als Partei im Parlament die DNVP) mit den Nationalsozialisten.

Die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) hatte nach der Reichstagswahl vom 6. November 1932 im Reichstag 196 Sitze, die DNVP (Deutschnationale Volkspartei) 52 Sitze. Der Reichstag hatte 584 Sitze. NSDAP und DNVP hatten zusammen 248 Sitze, die Mehrheit lag bei 292 Stimmen.

Hitler hat bei den Verhandlungen zur Regierungsbildung unter anderem eine Forderung nach Neuwahlen mit dem Plan eines anschließenden Ermächtigungsgesetzes aufgestellt. Der Vorteil für Hitler und die Nationalsozialisten war offensichtlich: Sie konnten im Besitz der Regierungsmacht (und mit Ausschaltung des Reichstages für mehrere Wochen) einen Zugewinn bei den Wahlen erwarten und durch ein „Ermächtigungsgesetz“ sowohl parlamentarische Kontrolle abbauen als auch nicht mehr auf Notverordnungen des Reichspräsidenten angewiesen sein.

Schwieriger erklärbar ist, warum die konservativ-autoritären Verbündeten zustimmten und mitwirkten bzw. diesen Ablauf hinnahmen. Ein wichtiger Grund war ihre Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. Sie wirkten bereitwillig und gerne unter Parolen wie „nationale Erhebung“ und „Kampf gegen den Marxismus“ an der Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie mit. Sie hatten eine illusionäre Fehleinschätzung, die Nationalsozialisten unter Kontrolle halten zu können. Tatsächlich wurden sie nach Übertragung der außerordentlichen Macht an die nationalsozialistisch geführte Regierung als unabhängige Partei überflüssig.

Hinter der Machtübertragung an Hitler und die Nationalsozialsten stand ein Versuch konservativ-autoritärer Kräfte, die Nationalsozialisten für ihre Zwecke zu verwenden und durch eine Übermacht im Kabinett zu kontrollieren („Zähmung“). Sie vertrauten bei diesem Einrahmungskonzept auf die Eingriffsmöglichkeiten des Reichspräsidenten Paul vom Hindenburg und ihre eigene gesellschaftliche Stellung.

Für eine ausreichend stabile Regierung allein der Konservativen fehlte ihnen eine genügend große Massenbasis. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) allein war mit weniger als 10 Prozent der Stimmen weit von einer Mehrheit entfernt.

Hindenburg lehnte die nationalsozialistische Einstellung nicht vollständig ab, sondern meinte ihn ihr auch vom ihm bejahte „nationale“ Motive zu bemerken. Er hatte eine Kanzlerschaft Hitlers bisher wegen einer befürchteten einseitigen Parteidiktatur und einer Verschärfung von Spannungen abgelehnt.

Franz von Papen, der bei Hindenburg damals hoch in der Gunst stand, hat eine wichtige Rolle bei Kontakten zwischen Konservativen und Nationalsozialisten zur Auslotung einer Zusammenarbeit in einer Regierung gespielt (persönliche Motive, nachdem er vom Schleicher als Reichkanzler abgelöst worden war, spielten hinein). Seit dem 10. Januar 1933 hatte er die Rückendeckung Hindenburgs, Gespräche in diese Richtung zu führen.

Verlockend für Hindenburg war die Aussicht, von der ihm lästigen ausufernden Praxis des Regierens mit Notverordnungen wegzukommen, die ihn Unannehmlichkeiten der verfassungsrechtlichen Anzweiflung und des Verschleißes im politischen Tagesgeschäft aussetzen konnte. Hindenburg konnte sich dann mehr auf eine charismatisch darüber schwebende Rolle konzentrieren und sich auf die Kontrolle einer Regierung zurückziehen, die im Zeichen einer Sammlung aller „nationalen Kräfte“ stand. Geistig war er noch zurechnungsfähig, ausreichend im Besitz seiner Kräfte und denkfähig. Er ist nicht aufgrund von Senilität wehrlos Einflüssen von Beratern erlegen.

Hindenburg ließ sich durch die Zusammensetzung der Regierung beruhigen, die aus drei Nationalsozialisten und acht deutschnationalen oder parteilosen konservativ-nationalen Ministern bestand.

Die Zustimmung zu dem Wunsch, den Reichstag aufzulösen und Neuwahlen durchzuführen, ist aus der Entwicklung der Verhältnisse in der Weimarer Republik, Hindenburgs politischer Einstellung und einer von ihm bevorzugte Art der Stellung und seines öffentlichen Bildes erklärbar.

Anfangs war auch von Versuchen die Rede, die Regierung um die Deutsche Zentrumspartei (kurz: Zentrum) und die Bayerische Volkspartei (BVP) zu erweitern. Bei Verhandlungen war das Zentrum bereit, den Reichstag jeweils für 2 Monate zu vertagen, aber nicht sofort um 1 ganzes Jahr. Vom Zentrum kamen schriftliche Fragen zu den genauen Regierungsabsichten und ein Wunsch nach verbindlichen Zusicherungen, sich mit den Maßnahmen an Rahmen der Verfassungsordnung zu halten. Hitler und die Nationalsozialisten forderten vom Zentrum sofortige völlige Zustimmung zu allen ihren Forderungen. Als diese nicht kam, erklärten sie am 31. Januar 1933 sehr schnell die Verhandlugen für gescheitert. Hitler und die Nationalsozialisten hatten die Verhandlungen nur zum Schein geführt. Sie wollten nach außen den Eindruck erwecken, eine Reichstagsauflösung sei ein unumgänglicher Ausweg.

Hindenburg hielt schließlich Neuwahlen für einen aussichtsreichen Versuch, eine parlamentarische Mehrheit für die mit seiner Zustimmung gebildete Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen im Reichstag zu erreichen. Bisher war die Regierung ein Präsidialkabinett (keine eigene Mehrheit im Parlament, auf den Reichspräsidenten gestützt, der Notverordnungen erlassen konnte).

Hindenburg war seinem Ursprung nach ein konservativer Monarchist. Ein Anhänger der parlamentarischen Demokratie ist er nicht gewesen. Ihm war wichtig, nicht als jemand dazustehen, der die Weimarer Verfassung verletzt, auf die er einen Eid geschworen hatte. Ihren demokratischen Geist wollte er aber nicht bewahren.

Bei der erwarteten Regierungsmehrheit konnte Hindenburg sich aus dem politischen Tagesgeschäft stärker zurückziehen. Nicht mehr mit einem Präsidialkabinett regieren zu müssen, hatte für ihn eine attraktive Seite. Er entfernte sich aus einem Bereich, wo seine Entscheidungen als verfassungsrechtlich bedenklich eingeschätzt werden konnten und er politisch stärker angreifbar war. Hindenburg wollte seinen charismatischen Nimbus von so etwas möglichst ungetrübt glänzen sehen. Die politische Entwicklung schien im Großen in eine gewünschte Richtung zu gehen, zu einer Einheit der Nation gemäß seinen Vorstellungen.

Es bestand ein Glaube, Hitler und die Nationalsozialisten für sich engagieren zu können.

Alfred Hugenberg, der Vorsitzende der DNVP, lehnte Neuwahlen im Grunde ab. Es gab aber keine geschlossene Abwehrfront der Deutschnationalen dagegen. Hugenberg hatte am 30. Januar 1933 kurz vor der Regierungsbildung kein Einverständnis zu Neuwahlen geben wollen (eine Forderung, die ihm erst an diesem Tag bekannt geworden war), seinen Widerstand aber schließlich unter dem Einigungsdruck zueückgestellt. Hitler versicherte zur Beruhigung, die gemeinsame Regierung nach den Wahlen auf jeden Fall fortzuführen, ohne Änderung ihrere Zusammensetzung. Eine Äußerung, die Franz von Papen in einer Regierungssitzung vorgebracht hatte, aufgreifend hieß es von nationalsozialistischer Seite, die bevorstehenden Wahlen seien die letzte Neuwahl, eine Rückkehr zum parlamentarischen System sei unbedingt zu vermeiden.

Hindenburg erließ, nach etwas Zögern, die Verfügung zur Auflösung des Reichstags und zu Neuwahlen. Franz von Papen hatte ihm auch zugeraten. Die Vorteile der Nationalsozialisten bei diesem Weg der Zusammenarbeit waren deutlich größer. Allerdings ist Hitler zunächst Hindenburg gegenüber besonders ehrfurchtsvoll aufgetreten, was eventuelle Bedenken verkleinern konnte.

In Bibliotheken gibt es zu dem Thema Bücher, z. B.:

Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik : eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie. Unveränderte, mit einer Einleitung zur Taschenbuchausgagbe und einer Ergänzung zur Bibliographie versehener 2. Nachdruck der 5. Auflage 1971. Düsseldorf : Droste, 1984 (Droste-Taschenbücher Geschichte), S. 632 - 638

Ian Kershaw, Hitler : 1889 – 1936. Aus dem Englischen von Jürgen Peter Krause und Jörg W. Rademacher. 1. Auflage. München : Pantheon, 2013, S. 471 - 527

Wolfram Pyta, Hindenburg : Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. 3., durchgesehene Auflage. München : Siedler, 2008, S. 774 – 805

Walter Rauscher, Hindenburg : Feldmarschall und Reichspräsident. Wien : Ueberreuter, 1997, S. 293 – 309

So ganz dumm wie es gerne dargestellt wird, waren Hitler und seine Gefolgschaft nicht. Die wussten schon was sie wollten und wie man ganz raffinert andere einwickeln kann. So etwas gibt es schon wieder.

So wurden erst mal die anderen Volksvertreter b(e)reit gemacht, damit sie dem Ermächtiguungsgesetz zustimmten. Schlechte Zeiten und da hatte ein "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" gute Chancen, die erforderliche Mehrheit zu bekommen. Alle wollten, das es wieder besser geht, ist doch logisch. Und vielen von denen war nicht klar, was sie damit anrichteten. Klar, die Nazis wussten schon, wie es weitergehen sollte, aber das schmorte noch hinter den Kulissen.

Mit dem Gesetz und den darin enthaltenen Befugnissen, wurde erst mal kräftig aufgeräumt und Deutschland von "Volksfeinden" gesäubert. (Warum denke ich gerade an Russland und Türkei?????)

Bald wahr eine genügende Mehrheit zusammen, der böse Rest war ja kaltgestellt, um weitere Gesetze durchzupeitschen, die schließlich Hitler zum Führer und Reichskanzler machten. Der Rest war fast schon Kinderspiel -- mit millionenfach tödlichem Ausgang.

Für uns heutzutage eine Warnung, dass auch Kleine (die NSDAP begann kleiner, als die AFD heutzutage) mit geschickten Parolen viel Schaden anrichten können, wenn sie mal genügend Zuhörer und Zustimmer haben.

Aus der Geschichte sollte man lernen. Dazu muss man sie gut kennen.

itsfreddy 
Fragesteller
 15.02.2017, 17:32

Wow, sehr gut zusammengefasst und hilfreich danke! :)

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