Realismus (Epoche) besonderheiten

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Hauptmotive des Realismus: Darstellung der übermächtig in Erscheinung tretenden Realitäten des Lebens und das Sich-abfinden mit diesen Gegebenheiten. Spätestens um 1850 sahen die Schriftsteller ein, dass die idealen Bestrebungen der Romantik (nach Freiheit, Selbstbestimmung) durch die erfolglose Märzrevolution 1848 zusammengebrochen waren. Die Klassengesellschaft und die Fürstenherrschaft hatten sich weiter behauptet. Das Resignieren und Sich-abfinden mit diesen realen Gegebenheiten ist z.B. Hauptthema des Romans „Irrungen, Wirrungen“ von Fontane. (Das Bürgermädchen Lene lernt den Baron Botho von Rienäcker kennen. Nach mehreren gemeinsamen Treffen wird der Baron von seinem Onkel Kurt von Osten daran erinnert , dass er seiner reichen Cousine Käthe von Sellenthin so gut wie versprochen sei. Allmählich merken Lene und der Baron, dass es ihnen aufgrund des vorhandenen Standesunterschieds unmöglich ist, weiter einen natürlichen Umgang miteinander zu pflegen. Auch die prekäre Finanzlage der Familie wird Bodo vor Augen gehalten. Schließlich resigniert er und trennt sich von Lene. Er muss erkennen, „dass das Herkommen unser Tun bestimmt. Wer ihm gehorcht, kann zugrunde gehn, aber er geht besser zugrunde als der, der ihm widerspricht.“ Deutlich wird das Resignieren vor der übermächtigen Realität auch bei Storm: In dem Gedicht „Die Stadt“ wird überwiegend die triste, graue Realität der Stadt am Meer vorgeführt. Der Jugendzauber erscheint nur als Erinnerung, nicht als Ziel der Sehnsucht, das man irgendwie noch einmal erreichen möchte. Der Jugendzauber vergoldet nur die traurige Realität der Stadt. Bei „Hyazinthen“ dient die gesteigerte Naturbeschreibung dazu, die Sehnsucht des lyrischen Ichs zu veranschaulichen. Sie ist zwar auch auf etwas (romantisch) Unerreichbares, die tanzende Geliebte, gerichtet, aber das lyrische Ich will eigentlich gar nicht den vollkommenen Zustand des Liebesglücks verwirklichen, es will nur seine Ruhe haben („Ich möchte schlafen...“), also wieder etwas Reales, auf ein (erlösendes) Ende Gerichtetes. In Gottfried Kellers Roman „Der grüne Heinrich“ wird der Weg eines Idealisten (Heinrich Lee hatte sich der Kunst, der Malerei, verschrieben) hin zur platten Bürgerlichkeit beschrieben. Am Schluss wird Lee (wie Keller) Kanzleischreiber „eines Oberamtes“, und er konnte dort „in der Stille leben“, d.h., er arrangiert sich mit der Realität. Die Liebe zu einem Mädchen war gescheitert (sie heiratete einen anderen), seine Religiosität endet im Atheismus (starker Einfluss von Feuerbach!). – Auch der Darwinismus und die wirkungsmächtige Philosophie Schopenhauers gehören jetzt zu den „realen Gegebenheiten“, die man als Schriftsteller nicht ignorieren kann. Die Erkenntnisse von Darwin verschafften der Geisteshaltung des Determinismus Zulauf. Der Mensch sei ein Produkt der Evolution. Er sei dem Fatalismus einer sinnlosen Existenz ausgeliefert, ohne Hilfe aus einer Transzendenz erwarten zu können. Schopenhauer ist hier als philosophischer Gewährsmann zu nennen („Die Welt ist die Äußerung einer unvernünftigen und blinden Kraft; in ihr zu leben heißt leiden.“). Dieser Atheismus und Pessismus zeigt sich auch bei Storm; indirekt z.B. in den Novellen „Im Schloss“, „Abseits“. Hier tauchen erstmals Anklänge an ein an Darwin orientiertes Naturverständnis auf. Storms Antiklerikalismus und seine religionskritischen Überzeugungen werden in seiner Novelle „Veronica“ deutlich. In seinem Nachdenken über Gott, Tod und Unsterblichkeit... gelangt er hier zu einer letzten, schließlich beibehaltenen (atheistischen) Position, wie sie bereits in der Novelle „Im Schloss“ signalisiert wurde. - In der Zeit des „bürgerlichen Realismus“ (um 1850) wurde die Realität noch „poetisiert“ in dem Sinne, dass das Hässliche, Gemeine der Welt weitgehend ausgeklammert wurde. Realistisch war man in den Werken der Storm, Keller, Fontane insofern, als man auf idealistische Zielsetzungen, z.B. große Liebe, verzichtete und sich mit den übermächtigen Realitäten der Welt arrangierte (s.o. „Irrungen, Wirrungen“). Später, als die „Realität“ immer brutaler in Erscheinung trat (Verelendung im Zuge der Industrialisierung), gingen die Schriftsteller („Naturalismus“ ab 1880) dazu über, auch diese Brutalitäten zu schildern.