Probleme der Volksparteien?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ja, die "Volksparteien" haben ein Problem: dass sie ein Volk vertreten sollen, das sich immer weniger für Politik interessiert, sich um Politik nicht mehr kümmert und gerade jede der unterschiedlichen Formen aktiver Mitgestaltung verweigert. Dabei ist die aktive Beteiligung unseres Volkes an der Demokratie auf vielfältige Art und Weise möglich! Stattdessen entwickelt sich zunehmend eine politikferne Bequemlichkeit großer Teile des Volkes, die ihre Ursache in einem großen Wohlstand und zugleich der abnehmenden Bildung des Volkes hat - an beiden Erscheinungen sind gerade die Volksparteien nicht unschuldig -, nicht zuletzt auch an allerlei sozialen Missständen. Aber in erster Linie ist es das Volk selbst, das sich um seine Belange nicht mehr selbst kümmern, sondern diese den Parteien bewusst überlassen w i l l, sich damit gewissermaßen selbst entmündigt. Zugleich meckert es, das Volk, und fördert die eigene Politikverdrossenheit dadurch, dass es emotional darauf reagiert, wenn seinem vermeintlichen, aus dem Augenblick heraus entstandenen Willen nicht entsprechende politische Beschlüsse der Parteien folgen. Weil auch einige - ich nenne sie mal: "exotische" Parteien, deren Verankerung im Grundgesetz nicht über jeden Zweifel erhaben ist, gerade den bildungsferneren, zur politischen Urteilsbildung weniger fähigen Volksschichten scheinbar eine Alternative bieten, können sie in den Bundestag oder in andere Parlamente gelangen und die Regierungsfähigkeit der Volksparteien behindern. Das ist eine Gefahr nicht nur für die Volksparteien, sondern für die Demokratie schlechthin!

Haben die Volksparteien eine Zukunft? Das kann keiner sagen. Es könnte eine große Parteienzersplitterung die parlamentarische Zukunft prägen. Andererseits könnten sich andere, neue Parteien - hoffentlich verfassungstreue! - als Volksparteien etablieren. Das kann derzeit niemand mit Gewissheit voraussagen.

MfG

Arnold


Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Hei, DerSchwabe1, im Folgenden findest du einen "Roman"; deine berechtiger Einwand auf meine Antwort zu deiner Frage hat´s verursacht. Hoffentlich kannst du trotzdem etwas damit anfangen. Grüße!

Die Volksparteien sind dank ihrer Größe Ursache und zugleich Opfer allgemeiner Politik-Verdrossenheit. Einesteils bereitet ihnen die Vielzahl von Mitgliedern (Ortsvereinen, Kreisverbänden) die innerparteiliche Kommunikation Probleme durch langwierige und verschlungene Wege der Meinungsfindung und des Informationsflusses von oben nach unten; andererseits leiden sie unter dem Generalverdacht und -Vorwurf: "Die da oben machen ja doch, was sie wollen". Dieser Eindruck, den das Wahlvolk empfindet, wirkt sich negativ auf die Bereitschaft aus, etwa noch Mitglied werden zu wollen bzw. zu bleiben. Das heißt: Nach einer Art Peter-Prinzip sind die Volksparteien an der Grenze des Wachstums angekommen und mithin an der Grenze ihrer politischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeit. Gegen die zunehmende Kompliziertheit des politischen Alltagsgeschäfts finden die Großparteien kein Kraut, ihren Mitgliedern und Wählern die komplexen Zusammenhänge plausibel zu machen. Hier sehen Parteineugründungen querbeet der politischen Landschaft ihren Acker, um mit einfachen Parolen und vorgeblichen einfachen Lösungspatenten die Scheuer einzufahren, die großen Parteien von ihren Rändern her auszuhöhlen und Missbehagen zu produzieren. In diesem Zusammenhang: Die Bildung der großen Koalition stellt geradezu einen Angriff auf die parlamentarische Demokratie und auf das Vertrauen des Wahlvolkes in die Regierung dar. Nicht minder schadhaft verhalten sich die Fraktionen, die sich einer Regierungsbildung verweigern. Auch darin kann man einen Mangel der Volksparteien entdecken, da sie dank ihrer Größe und Anzahl der Mandate gegenüber kleineren Konkurrenten ihre Majoritäten ausspielen und sich geradezu in die Koalitionsunfähigkeit begeben.

Nicht zu verschweigen ist beim Kapitel "Probleme der Volksparteien" der hoher Finanzbedarf, den "Apparat" am Laufen zu halten; Aufwendungen in Höhe mehrerer Millionen für die Wahlkampfführung  treiben die Parteien entweder in eine irreparable Verschuldung und / oder in die Gefahr betrügerischer Finanzmanipulationen und -Abhängigkeiten.

Hei, DerSchwabe1, die Zersplitterung  unserer Parlamente in viele kleine Fraktionen und Fraktiönchen wäre ein großes Übel für die Demokratie und das Funktionieren einer ordentlich demokratisch-legitimierten Regierung. Kleinparteien sind meist auf eine Klientelpolitik fixiert und empfinden wenig Sinn fürs Große Ganze. Das war wird in der innerparteilichen Demokratie der großen Volksparteien ausgebügelt, so dass trotz aller Flügelkämpfe letztlich eine konstruktive Mehrheit zustandekommt. Und so. Grüße!

DerSchwabe1 
Fragesteller
 11.11.2015, 15:44

Danke erstmal! Aber das ist ja eine Folge, kennst du auch Gründe warum das passiert?

0

Kurzfristig werden diese Parteien wohl eher zuspruch haben. In Kriesenzeiten, neigen die Leute dazu verschrobene Ideen gut zu finden. Längerfristig leben wir in einer Multivölkerkultur und die Ideen von Volksparteien sind da völlig neben der Spur.

Haben sie eine Zukunft?

"Parteien" insgesamt haben keine Zukunft.

Die Zeiten, dass sich Menschen "universell generalvertreten bzw. -bevormunden" lassen, sind vorüber. Die "Parteien-Demokratie" stirbt gerade.

Parteien als "Hort des Vormunds" sind also auf dem absteigenden Ast. Und das ist an vielen Merkmalen, ganz besonders aber an den Mitgliederzahlen und dem temporären Aufstieg und ebenso schnellen Fall kleiner Parteien messbar. 

ad Begriff "Volkspartei": Sich mit je rund 500.000 Mitgliedern (also ca. 0,8% der Wahlberechtigten) als "Volkspartei" zu bezeichnen, ist eine unverschämte Anmaßung, die nur kennzeichnend für den längst eingeschlagenen Weg ist. Beide "Volksparteien" zusammen vertreten also ein "Volk" von knapp 2% aller Wahlberechtigten in Deutschland. 

... Noch undemokratischer kann man kaum sein; selbst die "SED-Freiwilligen"-Quote der DDR lag deutlich höher...

Berücksichtigt man dazu noch die Altersdurchschnitte der Mitglieder, wird's noch dramatischer: Das liegt bei rund 60 Jahren. Mindestens 50% der Mitglieder sind also bereits Rentner oder kurz davor, in Rente zu gehen...

Die Parteien sterben also im wahrsten Sinne des Wortes aus.

Was sind die Probleme der Volksparteien?

Die Frage wäre einfacher (und kürzer) zu beantworten, würdest du fragen, wo es "keine Probleme" gibt.

Trotzdem will ich mich kurz fassen und nur das zentrale Problem benennen, an dem sich alle weiteren Probleme aufhängen lassen:

Das Grundproblem der Parteien ist ihre "aristokratische Selbstherrlichkeit", die sie aus den vordemokratischen Zeiten herübergerettet und bis heute bewahrt haben; und die sie immer noch standhaft und gedankenlos verteidigen.

Beispielhaft sei die SPD genannt: Vor nunmehr rund 10 Jahren von 38 auf 23 Prozent abgestürzt (und das bei einem Wähler-Potenzial von etwa 80 Prozent), hat sie es bis heute nicht für nötig befunden, die Ursachen woanders als "beim Volk" zu suchen: Der Pöbel, den zu vertreten sie vorgibt, ist ihrer Ansicht nach einfach zu dumm, um zu verstehen, was sie tut. Ein strammes honecker'sches "Weiter so! Die SPD in ihrem Lauf hält weder Ochs' noch Esel auf!" ist ihre Maxime...

Und dabei sind die 23 Prozent noch ein überaus positiver Wert, weil darunter viele "Hat-Opa-schon-gewählt.-Nehme-ich-auch."-Wähler sind. Je mehr davon wegsterben, desto schlechter werden die Ergebnisse werden. Denn "Nachwuchs" ist praktisch nicht in Sicht. Und nicht wenige SPD-Wähler haben ihr Kreuz nur wegen "fehlender Auswahl" aus lauter Verzweiflung bei der SPD gemacht...