Pico della Mirandola: Über die Würde des Menschen - Was genau ist laut Pico die Würde des Menschen?

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In der Rede (oratio), die später den Titel „De hominis dignitate“ („Über die Würde des Menschen“) erhielt, versteht Giovanni Pico della Mirandola unter Würde (dignitas) einen bewunderungswürdigen Wert und eine erhabene Vorrangstellung (Vorzüglichkeit/Vortrefflichkeit).

Giovanni Pico della Mirandola bezieht sich im Text zu Beginn auf einen Ausspruch, der Mensch sei das auf der irdischen Bühne am meisten Bewunderungswürdige (admirandum maxime). Er sucht nach Eigenschaften des Menschen, die mit Recht das Vorrecht der höchsten Bewunderung (summae admirationis privilegium) beanspruchen können. Er glaubt verstanden zu haben, warum der Mensch ein jeder Bewunderung würdiges Lebewesen (dignum omni admiratione animal) ist. Der Mensch werde zu Recht ein großes Wunder und sicherlich/in der Tat bewundernswertes Lebewesen (magnum miraculum et admirandum profecto animal) genannt. Er will die Vorzüglichkeit/Vortrefflichkeit der menschlichen Natur (humanae naturae praestantia) begründen. Wer sich der reinen Schau (contemplatio) hingegeben habe, in Innere seines Geistes zurückgezogen, sei ein erhabeneres (augustius), mit menschlichem Fleisch umhülltes höheres/göttliches Wesen (numen).

Grund der besonderen Würde des Menschen ist nach Giovanni Pico della Mirandola seine Freiheit, worin eine schöpferische Selbstmächtigkeit wurzelt. Der Mensch sei durch keine vorgegebene Form festgelegt und zur Selbstbestimmung fähig. Er müsse sich selbst entscheiden, wozu er sich gestalten will.

Dies hält Giovanni Pico della Mirandola für möglich, weil der Mensch substantiell alles, was Welt ist, in sich enthalte. Er habe nicht nur erkennend an der Welt Anteil (Widerspiegelung der Verhältnisse der Welt, wie sie vorliegen), vielmehr vollende der menschliche Geist die Welt kraft seiner eigenschöpferischen Fähigkeit und schaffe sie gleichsam neu.

Rolf-Peter Horstmann, Menschenwürde. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 5: L – Mn. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1980, Spalte 1124 – 1125:

„An der Gottesebenbildlichkeit als ein den Menschen auszeichnendes Merkmal halten in Rekurs auf die frühchristliche und mittelalterliche Tradition auch die italienischen Humanisten des 15. Jh. bei der Bestimmung der M.[enschenwürde] fest, wenn sie auch die Gottesebenbildlichkeit zum Teil verschieden auslegen. Während FACIO und MANETTI noch verhältnismäßig traditionell die Gottesebenbildlichkeit in der Geistigkeit bzw. der Schöpfung des Menschen manifestiert sehen und Manetti außerdem noch die Inkarnation als besondere Auszeichnung des Menschen und damit als Bestandteil seiner Würde betrachtet, kommt PICO DELLA MIRANDOLA aufgrund von Überlegungen über die Art der Ähnlichkeit des Menschen mit Gott zu der auf stoische Lehren zurückgehenden Überzeugung, daß der Mensch, wie Gott, alles in sich vereinigt, also einen Mikrokosmos darstellt, in dem alle Möglichkeiten angelegt sind. Zwischen diesen Möglichkeiten frei zu wählen, dies ist nach Pico die dem Menschen durch Gott gegebene Bestimmung. Die M.[enschenwürde] besteht insofern in seiner Freiheit.“

Franco Volpi, Giovanni Pico della Mirandola. In: Großes Werklexikon der Philosophie. Herausgegeben von Franco Volpi. Band 2: L - Z, Anonyma und Sammlungen. Stuttgart : Kröner, 1999, S.1164 (zu De hominis dignitate):

„Durch den Schöpferakt erhalten alle anderen Wesen eine feste, unveränderliche Natur und stehen in einer von Gott bestimmten Rangordnung. Der Mensch hingegen ist von Gott als letztes Wesen geschaffen, damit er dessen Werke bestaunt und bewundert. Er ist in seiner Natur nicht vorbestimmt, sondern hat die Möglichkeit, alles selbst zu entscheiden, frei zwischen Tierheit und Gottheit zu wählen, sich der Begierde hinzugeben oder aber sich zur Gottähnlichkeit zu erheben. In dieser Freiheit bestehen Macht und Vortrefflichkeit dieses »Chamäleons« der Schöpfung, das zu erstaunlichen Gestaltwandlungen fähig ist.“

Der Mensch als einzig freies Wesen kann sein Leben selbst gesalten.